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       # taz.de -- Volksbegehren Berlin 2030 klimaneutral: Erste Hürde genommen
       
       > Das Bündnis Berlin 2030 klimaneutral hat 39.116 Unterschriften für sein
       > Volksbegehren gesammelt. Dafür brauchte das Bündnis nur 3 Monate.
       
   IMG Bild: Anfang Juli ging es los mit dem Unterschriftensammeln – wie hier in der Hasenheie
       
       Exakt 39.116 Unterschriften für die Einleitung eines Volksbegehrens
       übergibt das Bündnis Berlin 2030 klimaneutral am heutigen Mittwoch der
       Senatsinnenverwaltung zur Prüfung. Auch wenn ein gewisser Teil davon
       erfahrungsgemäß ungültig sein wird, dürfte das Bündnis die gesetzlich
       geforderte Anzahl von 20.000 Unterschriften locker erreicht haben. Ein
       halbes Jahr hätte Berlin 2030 klimaneutral Zeit zum Sammeln gehabt –
       [1][sie geben ihre Listen nun schon nach drei Monaten ab].
       
       Allein beim Klimastreik am Freitag vor den Wahlen zum Bundestag und zum
       Abgeordnetenhaus hatten laut Bündnis noch einmal mehr als 10.000
       DemonstrantInnen unterschrieben. Mit knapp 40.000 Unterschriften reißt
       Berlin 2030 klimaneutral allerdings die von vorigen Volksbegehren gelegte
       Latte: Nach ungefähr demselben Zeitraum hatte zuletzt Berlin autofrei
       50.000 Unterschriften gesammelt, Deutsche Wohnen & Co enteignen kam 2019
       auf 77.000 und der Volksentscheid Fahrrad – bei dem es ebenfalls nur um den
       Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens ging – sogar auf über 100.000.
       
       Das Bündnis aus 26 Organisationen, Initiativen, WissenschaftlerInnen und
       UnternehmerInnen will in erster Linie eine Änderung des Berliner
       Energiewendegesetzes (EWG) erreichen. Das Gesetz, das den Rahmen für die
       Maßnahmen der Stadt gegen den Klimawandel festlegt, wurde erst im August
       vom Abgeordnetenhaus verschärft: Es sieht jetzt eine Senkung aller
       klimaschädlichen Emissionen um mindestens 70 Prozent bis 2030, um 90
       Prozent bis 2040 und um 95 Prozent bis 2045 vor.
       
       „Das reicht aber nicht“, sagt Bündnis-Sprecherin Jessamine Davis. Um das
       1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und katastrophale
       Schäden durch die Erderwärmung zu verhindern, brauche es deutlich härtere
       Maßnahmen.
       
       Bei einer Pressekonferenz am Mittwochvormittag erläuterte Berlin 2030
       klimaneutral gemeinsam mit den Vertrauenspersonen Cornelia Auer, Hans-Josef
       Fell und Volker Quaschning noch einmal sein eigenes ambitioniertes
       Klimaziel: Nach der Novelle des Energiewendegesetzes, die das Bündnis
       erarbeitet hat und die das Volksbegehren durchsetzen soll, wäre 2030 der
       neue Zeithorizont für Klimaneutralität – also eine Reduktion auf 95 Prozent
       der Emissionen in Bezug auf das Basisjahr 1990.
       
       ## Keine Ziele, Pflichten
       
       Ein weiterer Punkt: Statt der Exekutive lediglich Ziele zu setzen, wie das
       jetzt der Fall ist, soll das Energiewendegesetz künftig die Politik zum
       Handeln verpflichten. Dagegen wurde die ebenfalls von dem Bündnis
       geforderte Reduktion aller Klimagase, also über Kohlendioxid hinaus, nun
       schon im Rahmen der letzten Novelle ins Gesetz aufgenommen. Auch eine
       schwammig formulierte anteilige Anrechnung der Emissionen des BER auf die
       Berliner Klimabilanz steht bereits darin, hier pocht das Bündnis aber auf
       mehr Genauigkeit und die anteilige Anrechnung aller Flug-Emissionen, die
       auf den Wegen zum Berlin-Brandenburger Airport – oder von ihm weg –
       entstehen.
       
       Vertrauensmann Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik
       und Wirtschaft, betonte, dass das 1,5-Grad-Ziel ambitioniert, aber
       erreichbar sei. „Wer jetzt anfängt zu sagen, das kriegen wir bis 2030 nicht
       hin, impliziert, dass man eigentlich gar nichts verändern will.“ In Berlin
       sei auch unter Rot-Rot-Grün „viel geredet, aber wenig getan“ worden, die
       Politik agiere „lustlos“. Das Vorbild anderer europäischer Großstädte wie
       Paris und Kopenhagen zeige, dass mehr gehe: So habe sich die dänische
       Hauptstadt sogar das Jahr 2025 als Ziel zur Erreichung von Klimaneutralität
       gesetzt.
       
       Eine enorme Herausforderung wäre für Berlin die schnelle Umstellung der
       Wärmeproduktion auf erneuerbare Energien. Eine von der Senatsverwaltung für
       Klimaschutz und Vattenfall vorgestellte Machbarkeitsstudie hatte bis 2030
       lediglich den Ausstieg aus der Kohleverbrennung skizziert, allerdings würde
       erst einmal – ebenfalls fossiles – Erdgas einen großen Teil der Energie
       ersetzen. Hans-Josef Fell, Vertrauensmann und Initiator der Energy Watch
       Group, sagte hierzu, die komplette Umstellung auf Erneuerbare sei „nicht
       trivial“, aber möglich. Man müsse eben „innerhalb von zwei, drei Jahren
       Photovoltaikfabriken aus dem Boden stampfen“.
       
       Erst einmal heißt es aber jetzt: Warten. Die Innenverwaltung hat zur
       Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Volksbegehren bis zu fünf Monaten
       Zeit, auch wenn das Bündnis Signale erhalten haben will, dass es nicht so
       lange dauern wird. Anschließend geht der Gesetzentwurf dem Abgeordnetenhaus
       zu, das dann noch einmal maximal vier Monate Zeit hat zu entscheiden, ob es
       die Novelle beschließt oder mit dem Bündnis einen Kompromiss aushandelt.
       
       ## Volksentscheid frühestens 2023
       
       Geschieht das nicht, wird das Volksbegehren eingeleitet. Das Bündnis hat
       dann vier Monate Zeit, um 170.000 Unterschriften einzuholen. Klappt das,
       kommt es zum Volksentscheid – realistischerweise aber nicht vor 2023, wie
       Berlin 2030 klimaneutral selbst einräumt.
       
       Die Initiative Klimaneustart Berlin, die das Bündnis für das Volksbegehren
       geschmiedet hat, kann schon auf einige Erfolge zurückblicken: 2019 hatte
       sie mittels einer Volksinitiative den rot-rot-grünen Senat dazu gebracht,
       eine „Klimanotlage“ auszurufen – die unter anderem zur jüngsten
       Verschärfung des Energiewendegesetzes führte. Eine weitere Volksinitiative
       führte 2020 dazu, dass das Abgeordnetenhaus einen Klima-Bürger:innenrat auf
       den Weg brachte. In dem Rat sollen ausgeloste BürgerInnen zusammen mit
       ExpertInnen der Politik Empfehlungen zu Klimaschutzmaßnahmen geben.
       
       6 Oct 2021
       
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