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       # taz.de -- Untersuchungsausschuss zu CSU-Affären: Wir hätten da noch 244 Fragen
       
       > Im Frühjahr wurde die CSU von unappetitlichen Maskendeals erschüttert.
       > Ein Untersuchungsausschuss soll sie jetzt aufarbeiten – und nicht nur
       > das.
       
       München taz | „Untersuchungsausschuss Maske“ hätte er früher vielleicht
       geheißen. Damals, als Untersuchungsausschüsse noch kurze, knackige Namen
       hatten wie „Ei“, „Labor“ und „Modellbau“. Nun wird das Gremium, dessen
       Einsetzung die bayerischen Oppositionsparteien Grüne, SPD und FDP gerade
       beantragt haben, wohl eher sperrig „1. Untersuchungsausschuss der 18.
       Wahlperiode“ heißen. Schade eigentlich.
       
       Die Politiker, die den Ausschuss seit Monaten vorbereiten, haben auch
       andere Bezeichnungen parat: „Schwarzer Filz“ nennt ihn intern Florian
       Siekmann von den Grünen. „Patronage“ könnte man ihn nennen, schlägt der
       stellvertretende Landtagspräsident Markus Rinderspacher von der SPD vor,
       und für dessen Parteichef Florian von Brunn ist es schlicht der
       „Untersuchungsausschuss Amigo“.
       
       Amigo – ein Begriff, der an die guten alten Zeiten der CSU-Spezlwirtschaft
       erinnert. An Zeiten, als der damalige Ministerpräsident Max Streibl, der
       sich private Brasilienreisen von einem Unternehmer hatte sponsern lassen,
       seine Parteifreunde mit „Saludos, amigos!“ begrüßte und fragte, ob es in
       der CSU denn eine Schande sei, Freunde zu haben. An Namen auch wie Tandler
       und Strauß. Namen, die nun plötzlich wieder zu hören sind.
       
       Am Mittwoch berät der Ältestenrat des Landtags über die Einsetzung des
       Ausschusses, danach der Verfassungsausschuss. Gegen Ende des Jahres, so
       schätzen Siekmann und Rinderspacher, die ihre Parteien im
       Untersuchungsausschuss vertreten sollen, entscheidet dann das Plenum. Wenn
       alles nach Plan läuft, könnte das Gremium Anfang 2022 seine Arbeit
       aufnehmen.
       
       ## „Den Augias-Stall ausmisten“
       
       Mit dem Untersuchungsausschuss will die Ampel-Opposition das
       undurchsichtige Geflecht der Strippenzieher an den Schnittstellen zwischen
       Politik und Wirtschaft etwas durchschaubarer machen – „den Augias-Stall
       ausmisten“, sagt von Brunn. Einen Katalog von 244 Fragen haben die Parteien
       aufgestellt.
       
       Auslöser der parlamentarischen Initiative sind [1][die Maskendeals, die die
       CSU im Frühjahr erschüttert haben.] Der Untersuchungsauftrag soll
       allerdings weit darüber hinausgehen. Es geht um nicht weniger als die
       „Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens der zuständigen Staatsbehörden
       des Freistaats Bayern, der zuständigen Ministerien, von Abgeordneten,
       Staatsbediensteten, und politischen Entscheidungsträger*innen bei der
       Vergabe, Vermittlung und Annahme von Aufträgen und Vertragsabschlüssen“.
       Und das Ganze über einen Zeitraum von zehn Jahren.
       
       Eine zentrale Figur wird dabei natürlich der Landtagsabgeordnete Alfred
       Sauter sein, gegen den die Generalstaatsanwaltschaft München derzeit
       ermittelt – unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit
       und Bestechung. Sauter, der Ende der Neunziger mal ein Jahr lang
       Justizminister in Bayern war, verfügte in den vergangenen Jahren über
       großen Einfluss in Partei und Regierung, ohne entsprechende Ämter
       innezuhaben.
       
       Sauter galt als enger Vertrauter des früheren Ministerpräsidenten Horst
       Seehofer, hatte jedoch auch zu dessen Nachfolger Markus Söder einen guten
       Draht. Für Unternehmer, die das Gespräch mit den Regierenden suchten,
       machte er gern den Türöffner. Laut Süddeutscher Zeitung soll Sauter auch
       für beide Freistaats- und Parteichefs im Münchner Nobelrestaurant Käfer
       Treffen mit möglichen CSU-Spendern organisiert haben.
       
       ## 1,2 Millionen Euro Provision
       
       Zusammen mit dem inzwischen aus der CSU ausgetretenen
       Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein soll Sauter, so der Vorwurf, den
       Ankauf von Schutzmasken durch die Staatsregierung eingefädelt und dabei
       enorme Provisionszahlungen kassiert haben. Von insgesamt 1,2 Millionen Euro
       ist die Rede.
       
       Sauter, der die Vorwürfe zurückweist, hat auf Druck seiner Parteifreunde
       bereits [2][die CSU-Fraktion verlassen], ist allerdings noch immer
       CSU-Mitglied und will auch sein Landtagsmandat nicht abgeben.
       
       Um eine ganze Menge Geld soll es auch einem anderen Maskendeal gegangen
       sein, der den Ausschuss beschäftigen wird. So soll Andrea Tandler, Tochter
       von Strauß-Intimus Gerold Tandler, ebenfalls millionenschwere Provisionen
       für die Vermittlung von Masken an die Gesundheitsministerien in Bayern,
       Nordrhein-Westfalen und im Bund bekommen haben. Es soll sich dabei auch
       noch um völlig überteuerte Masken des Schweizer Unternehmens Emix gehandelt
       haben – 8,90 Euro pro Maske.
       
       Den Kontakt zu den Gesundheitsministerien wiederum – und hier schließt sich
       der Kreis historisch ein bisschen – soll Franz Josef Strauß’ Tochter Monika
       Hohlmeier vermittelt haben. Jedoch gibt es bislang keine Hinweise darauf,
       dass dafür ebenfalls Geld geflossen ist. Hohlmeier will lediglich zwei SMS
       geschrieben haben – eine an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, eine an
       die damalige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml.
       
       ## „Zu schmutzigen Deals gehören immer mindestens zwei“
       
       Dennoch fragt sich SPD-Parteichef von Brunn: „Welche Rolle hat Hohlmeier
       wirklich gespielt? War das wirklich nur eine SMS? Ich glaube ja, da ist
       noch die alte Strauß-Connection am Werk.“ Außerdem wundert er sich, „warum
       diese Frau noch einen solchen Einfluss hat“.
       
       Vor allem aber geht es in der Causa Tandler nach Ansicht des
       Grünen-Politikers Florian Siekmann darum zu verstehen, „wie Türen in den
       Ministerien so schnell geöffnet werden konnten“. Der Deal sei auch deshalb
       so spannend, weil er sehr zu Beginn der Pandemie geschlossen worden sei und
       dann erstmal zwei Wochen gar keine Beschaffungsverträge für Masken mehr
       abgeschlossen worden seien. „Da liegt natürlich der Verdacht nahe, dass man
       alle Energie in ein Geschäft mit der Vermittlung von Frau Tandler gesteckt
       hat, und die Frage ist, ob man überhaupt weiter aktiv nach Schutzausrüstung
       gesucht hat.“
       
       Und Helmut Kaltenhauser, finanz- und haushaltspolitischer Sprecher der
       FDP-Fraktion, fordert: „Das Geflecht rund um die fragwürdigen Maskendeals
       und andere Beschaffungen muss entwirrt werden. Sauter, Tandler oder
       Hohlmeier sind nur die Spitze des Eisbergs. In den bisher bekannten Fällen
       agierte sicher niemand im luftleeren Raum.“
       
       Überhaupt, betont SPD-Kollege Rinderspacher, gelte das Hauptaugenmerk des
       Ausschusses der Staatsregierung und nicht Figuren wie Sauter, Nüßlein oder
       Tandler. „Zu schmutzigen Deals gehören immer mindestens zwei.“ Ihn
       interessiert nun die andere Seite der Deals: die Behörden, die
       Staatsregierung.
       
       Mit großer Erwartung sieht er deshalb auch dem Tag entgegen, wenn
       Ministerpräsident Söder vor dem Ausschuss aussagen muss. Der habe die
       Pandemiebekämpfung schließlich von Beginn an klar zur Chefsache gemacht.
       „Man muss also davon ausgehen können, dass er über die Vorgänge der
       Beschaffung von medizinischer Ausrüstung informiert worden ist.“
       
       ## Sauter droht Anklage durch Landtag
       
       Es dürften zum Teil unangenehme Fragen sein, denen sich die Zeugen werden
       stellen müssen. Dabei hätte es die Regierung durchaus in der Hand gehabt,
       den Untersuchungsausschuss zu verhindern, sagen die Oppositionspolitiker.
       Sie hätten eine Vielzahl von Anfragen zu dem Themenkomplex an die Regierung
       gestellt. Doch diese seien nur sehr schmallippig und sehr spät beantwortet
       worden. Von Brunn spricht gar von „Vertuschung“. Auch der Vorschlag eines
       unabhängigen Sonderermittlers sei abgelehnt worden. So sei letzten Endes
       nur noch die Option eines Untersuchungsausschusses geblieben.
       
       Für Alfred Sauter könnte der Untersuchungsausschuss indes noch eine weitere
       Konsequenz haben. Sollte sich in dessen Verlauf ergeben, dass die gegen ihn
       erhobenen Vorwürfe Bestand haben, streben die Grünen eine
       Abgeordnetenanklage, also eine Anklageerhebung durch den Landtag, an.
       
       Es handelt sich hierbei um ein in Artikel 61 der bayerischen Verfassung
       vorgesehenes Mittel, dessen tatsächliche Anwendung ein Novum in der
       Geschichte des Freistaats darstellen würde. So kann Anklage gegen ein
       Mitglied des Landtags erhoben werden, das „in gewinnsüchtiger Absicht
       seinen Einfluss oder sein Wissen in einer das Ansehen der Volksvertretung
       gröblich gefährdenden Weise missbraucht hat“.
       
       Um eine solche Anklage zu beantragen, bedarf es lediglich eines Drittels
       der Abgeordneten – diese Hürde könnten Grüne, SPD und FDP alleine nehmen.
       Die tatsächliche Anklageerhebung geht dann allerdings nur mit einer
       Zweidrittelmehrheit, das heißt, sie wäre nur mit Unterstützung der
       Regierungsfraktionen möglich. Am Ende urteilt der bayerische
       Verfassungsgerichtshof, und Sauter könnte sein Mandat verlieren. Etwas Eile
       wäre dafür allerdings angesagt. Im Herbst 2023 endet die Legislaturperiode
       – und damit auch Sauters Mandat.
       
       20 Oct 2021
       
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