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       # taz.de -- Feier zum 100. Geburtstag Nordirlands: Heikler Gottesdienst in Armagh
       
       > Die Einladung zur Messe bringt Irlands Politik in Bedrängnis – es ist
       > auch der Jahrestag der Teilung der Insel. Präsident Higgins wählte die
       > Absage.
       
   IMG Bild: Irlands Präsident Higgins mit seiner Frau vor seiner Residenz in Dublin
       
       Dublin taz | Eine Einladung kann eine zweischneidige Sache sein. Am
       Donnerstag findet im nordirischen Armagh, wo sowohl die protestantische,
       als auch die katholische Kirche Irlands ihren Hauptsitz hat, ein
       Gottesdienst zur Feier des hundertsten Geburtstags Nordirlands statt.
       Veranstaltet wird die Messe von den Oberhäuptern der vier christlichen
       Religionen Irlands. Königin Elisabeth II. war eingeladen und auch der
       irische Präsident Michael D. Higgins.
       
       Die Organisatoren wussten, dass sie ihn dadurch in Schwierigkeiten bringen
       würden, denn der Geburtstag Nordirlands ist naturgemäß auch der Jahrestag
       der Teilung der Insel. Wie immer sich Higgins entscheiden würde, Kritik war
       ihm sicher. Er entschied sich für eine Absage.
       
       War zunächst von einer Feier zur Versöhnung und zum Frieden die Rede, so
       hieß es in der offiziellen Einladung, die Veranstaltung solle „den
       hundertsten Jahrestag der Teilung Irlands und der Gründung Nordirlands
       begehen“. Higgins sagte: „Was als Einladung zu einem Gottesdienst begann,
       ist zu einem politischen Statement geworden.“ Deshalb sei eine Teilnahme
       für ihn als Staatsoberhaupt unangemessen.
       
       Die Debatte um den Gottesdienst hat vorübergehend Brexit und
       Nordirlandprotokoll aus den Schlagzeilen verdrängt. Erwartungsgemäß sind
       Nordirlands Unionisten wütend auf Higgins und werfen ihm vor, die Queen zu
       brüskieren.
       
       ## Kritik kam auch aus Regierungsparteien in Dublin
       
       Aber auch aus den Parteien der Dubliner Regierungskoalition kam Kritik. Der
       frühere Premierminister John Bruton von der konservativen Fine Gael sagte,
       Higgins hätte die Einladung annehmen müssen, denn das hätte dem Willen des
       irischen Volkes entsprochen. Das Volk sieht das anders: 68 Prozent
       erklärten bei einer Meinungsumfrage, der Präsident habe sich richtig
       entschieden. Nur 17 Prozent sagten, er hätte die Einladung annehmen sollen.
       
       Die Iren mögen ihren Präsidenten. Higgins, ein kleiner Mann mit zerzausten
       weißen Haaren, der von allen „Michael D.“ genannt wird, ist im April 80
       Jahre alt geworden. Er ist liberal, 2018 wurde er für eine zweite Amtszeit
       wiedergewählt.
       
       Die Regierung schickt statt seiner den Außenminister Simon Coveney von der
       konservativen Fine Gael und den Fianna-Fáil-Fraktionsführer Jack Chambers
       zum Gottesdienst nach Armagh. Für beide Parteien ist die Veranstaltung ein
       Giftbecher. Einerseits will man die Unionisten und die britische Regierung
       nicht verärgern, andererseits ist mit der Teilnahme am Gottesdienst keine
       Wählerstimme zu ergattern. Im Gegenteil: Nicht zuletzt deswegen hat Sinn
       Féin, der ehemalige politische Flügel der inzwischen aufgelösten
       Irisch-Republikanischen Armee (IRA), nun zehn beziehungsweise zwölf Prozent
       Vorsprung vor den Regierungsparteien.
       
       Die nordirische Bürgerrechtlerin Bernadette McAliskey, die 1969 unter ihrem
       Geburtsnamen Devlin mit 21 Jahren als jüngste Abgeordnete aller Zeiten ins
       Londoner Unterhaus gewählt wurde, hatte schon vor Wochen prophezeit, dass
       die Queen in letzter Minute absagen würde, weil der Gottesdienst in Armagh
       „für sie irgendwie kontaminiert“ sei. Das tat sie denn auch am Mittwoch –
       auf ärztliches Anraten, ließ der Buckingham-Palast verlauten. Stattdessen
       kommt der britische Premier Boris Johnson. Er ist bei den Unionisten
       [1][wegen des Nordirlandprotokolls verhasst], [2][durch das eine Grenze
       zwischen Großbritannien und Nordirland gezogen wird], und will nun
       verlorenen Boden wettmachen.
       
       Higgins bleibt dem Zirkus fern und gibt stattdessen in seinem Amtssitz in
       Dublin einen Empfang für die Gesellschaft für statistische und soziale
       Untersuchungen.
       
       21 Oct 2021
       
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