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       # taz.de -- Newcastle United bekommt neuen Eigner: Lieber Bolzplatz als Stadion
       
       > Der saudiarabische Staatsfonds hat Newcastle United übernommen. Warum die
       > Kommerzialisierung des Profifußballs eine Chance für Fans ist.
       
   IMG Bild: Echte Fußballer kicken auch mit solchen Bällen
       
       Mit fünf Jahren bin ich zu meinem ersten Fußballtraining gegangen. Mit dem
       Gedanken an das abendliche Training habe ich dann viele sechste
       Schulstunden überstanden. Größeres als den Spieltag am Wochenende gab es
       nicht.
       
       Auch wenn gerade kein Training oder Spieltag war, Fußball war immer für
       einen da: Bolzplatz gegen die Tristesse des Dorflebens; Bolzplatz, wenn in
       den Schulferien die Zeit stehen geblieben zu sein schien; Bolzplatz, wenn
       Bolzplatz gerade angenehmer war als zu Hause. Und dann ist da noch dieses
       egalitäre Moment: Egal, woher du kommst, egal, wie viel du hast, egal, wer
       deine Eltern sind: Auf dem Platz sind wir alle gleich. Über Sieg und
       Niederlage entscheiden nicht Faktoren, für die man selbst nichts kann, weil
       man in sie hineingeboren wird und die trotzdem ein Leben bestimmen.
       
       Während viele diesen Fußball wiedererkennen werden, gibt es einen anderen
       Fußball, der sich immer mehr von ersterem Fußball entfernt, obwohl er von
       dessen Versprechen lebt. Das ist kein neues Phänomen, aber in diesem Monat
       wurde es um ein Beispiel reicher: Für 350 Millionen Euro hat der
       [1][saudi-arabische] Staatsfonds PIF unter Führung des Kronprinzen Mohammed
       bin Salman, dem der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi zugerechnet wird,
       den Premier-League-Klub Newcastle United übernommen.
       
       ## Fantum nicht von Reichtum untergraben lassen
       
       Zynisch: [2][Die Premier League hat] dem Deal zugestimmt, weil das
       Konsortium, das Newcastle übernimmt, versichert, nicht unter der Kontrolle
       Saudi-Arabiens zu stehen – obwohl der saudische Anteil am Konsortium von 80
       Prozent für sich spricht.
       
       Wer nun nach protestierenden Fans sucht, findet feiernde: Sie schwenken
       Saudi-Arabien-Flaggen und verkleiden sich für den Stadiongang als Scheichs.
       „Um im heimischen und europäischen Fußball erfolgreich zu sein, müssen
       Klubs heute leider sehr wohlhabende Besitzer haben“, sagt der Fansprecher
       Lee Forster dem Kicker. Als „unglaubliche Fangemeinde“ werde man aber nicht
       zulassen, „dass die Geschichte und Kultur unseres stolzen Arbeiterklubs von
       diesem noch nie da gewesenen Reichtum untergraben wird“.
       
       Letzteres darf man bezweifeln, ersterem kann man zustimmen. Weshalb man
       sich als Fußballfan über die neuste Übernahme freuen sollte, statt sich in
       gewohnter Manier [3][über Kommerzialisierung zu erregen]. Im Profifußball
       muss man wie in anderen Branchen wettbewerbsfähig bleiben, um nicht
       unterzugehen.
       
       ## Kein Problem mit Kommerzialisierung?
       
       Es geht hier nicht um den guten Willen, einen wie auch immer gearteten
       Fußball wie auch immer zu erhalten. Es geht um strukturelle Zwänge des
       Kapitalismus. Auch wenn so vernünftige Menschen aus dem Profifußball wie
       Freiburg-Trainer Christian Streich zur Newcastle-Übernahme in sympathischem
       badischen Dialekt so vernünftige Sätze sagen wie: „Da muss ich sagen, wenn
       die Leute damit ein Problem haben, dann kann ich mich zu diesen Leuten
       dazuzählen“.
       
       Ich sehe das anders. Soll der Profifußball doch eine Blase sein, damit er
       den anderen Fußball in Ruhe lässt. Soll er sich endgültig in den Tod
       kommerzialisieren, damit mein, damit unser Fußball leben kann.
       
       22 Oct 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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