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       # taz.de -- DDR-Bad mit vager Zukunft: Die Spaßruine
       
       > In der DDR war das überdimensionale Freizeitzentrum SEZ ein Versprechen.
       > Doch seit Jahren gammelt es in Berlin-Friedrichshain vor sich hin.
       
   IMG Bild: Zackig im Design, der Zukunft eher abgewandt: das SEZ
       
       Berlin taz | In bester Lage in Berlin-Friedrichshain, direkt an einer gut
       frequentierten Straßenkreuzung, steht ein gigantischer Gebäudekomplex, der
       seit Jahren vor sich hin rottet. Wer hier als Neuberliner oder
       Neuberlinerin erstmalig vorbeikommt, wird sich fragen, was das denn für ein
       heruntergekommenes, weitgehend von Bauzäunen umrahmtes Megagebäude ist,
       vermeintlich ohne jede Funktion, hier mitten in der Stadt.
       
       Er oder sie steht dann vor dem Sport- und Erholungszentrum [1][SEZ], das
       1981 errichtet wurde und den Bürgerinnen und Bürgern der DDR
       Freizeitvergnügen in gigantischen Dimensionen versprach. Auf fast 50.000
       Quadratmeter Fläche gab es alles, was Spaß verhieß: ein Wellenbad, eine
       Bowlingbahn, Cafés und Restaurants. Im Sommer konnte man hier Rollschuh
       fahren, im Winter Schlittschuh. Ein Vergnügungstempel von einer solchen
       Größenordnung war selbst den Wessis unbekannt. Der Eintrittspreis betrug
       nur 50 Pfennig und war hoch subventioniert, das Ganze war ein
       Prestigeprojekt des Arbeiter- und Bauernstaates sondergleichen.
       
       Nun aber ist der einstige Prachtbau nur noch ein großes Ärgernis, ein
       peinlicher Problemfall für den Berliner Senat. Aktuell ist noch völlig
       unklar, wie dieser Fall gelöst werden kann.
       
       Im SEZ läuft inzwischen fast gar nichts mehr. Bis vor dem Ausbruch der
       Pandemie konnte man wenigstens auf den paar weiterhin geöffneten Flächen
       Sport treiben. Badminton und Tischtennis, die Bowlingbahn wartete auf
       Nutzer und Nutzerinnen, eine Sauna gab es auch.
       
       Der Besuch im SEZ war immer ein ganz spezielles Vergnügen. Überall standen
       halb vermoderte Palmen herum, im Winter war es furchtbar kalt und zugig in
       den viel zu hohen Hallen, die nur halbherzig beheizt wurden. Und mit einer
       anständigen Beleuchtung hatte man es auch nicht. Man besuchte mit dem SEZ
       ein schummriges Geisterhaus, dem der Verfall in allen Poren steckte, und
       gleichzeitig ein Stück untergegangene DDR, was auch einen gewissen Charme
       hatte.
       
       Als dann im Frühling letzten Jahres alles wegen der Corona-Auflagen
       dichtgemacht werden musste, wurde vorübergehend ein Covid-19-Testzentrum in
       einem Trakt des SEZ errichtet. Derzeit kann man noch ein paar
       Räumlichkeiten privat mieten, für Firmenveranstaltungen und Ähnliches. Doch
       einen normalen Publikumsverkehr gibt es nicht mehr, keinen Sport, keine
       Sauna, keine Bowlingbahn. Stattdessen erscheint das SEZ, das überall mit
       Graffiti bemalt wurde, noch verwahrloster als vorher. Neben dem nun
       geschlossenen Eingang zum ehemaligen Testzentrum liegen Mülltüten herum und
       alte Farbeimer, dazwischen eine Matratze und ein Schlafsack, anscheinend
       hat wenigstens ein Obdachloser hier ein nettes Refugium gefunden.
       
       Der aktuelle Zustand des SEZ entspricht aber auch einer gewissen Logik,
       denn eine Zukunft hat es nicht mehr. Die Frage ist nur: Wer darf danach was
       auf dem Gelände bauen?
       
       Diese Frage wird schon seit einer halben Ewigkeit vor Gericht geklärt. Der
       Streitfall, bei dem die Stadt Berlin mit dem Eigentümer des SEZ, dem
       Leipziger Investor Rainer Löhnitz, ringt, ist voller bizarrer Drehungen und
       Wendungen und sucht selbst für Berliner Verhältnisse seinesgleichen. Seit
       fast 20 Jahren hat man sich jetzt schon mit Löhnitz verkeilt, der sich
       inzwischen, je nach Lesart, einen Ruf als cleverer Geschäftsmann oder
       unmöglicher Trickbetrüger erarbeitet hat.
       
       Für einen symbolischen Euro bekam er das SEZ nach dessen vorläufiger
       Schließung 2002 übertragen. Löhnitz erschien damals wie der Retter in der
       Not. Nach der Wende hatte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den in der
       DDR stark bezuschussten Betrieb nicht mehr in alter Form aufrechterhalten
       können. Der mit Löhnitz geschlossene Vertrag sah vor, dass dieser weiterhin
       ein Bad im SEZ unterhalten werde, privatwirtschaftlich. Falls der Investor
       diese Abmachung nicht einhalte, sei das kein größeres Problem, dachten die
       Bezirkspolitiker, das sei dann Vertragsbruch, bei dem das SEZ zurück an sie
       gehe.
       
       Doch Löhnitz dachte gar nicht daran, die Riesenrutsche wieder zugänglich zu
       machen und Badespaß für die ganze Familie anzubieten. Er ließ ein wenig
       Wasser in ein Miniplanschbecken füllen, das wars.
       
       Und dann begann das große Tauziehen. Der Bezirk und irgendwann die Stadt
       Berlin, die sich inzwischen für das Geschick des SEZ verantwortlich zeigt,
       fragten ständig: Wo sind die Bäder? Löhnitz wiederum begann rumzujammern,
       seine Immobilie allein sei nicht wirtschaftlich zu betreiben, man müsse ihm
       erlauben, auf dem Areal weitere Einnahmequellen zu erschließen, etwa einen
       Stellplatz für Wohnmobile oder ein Hostel.
       
       Löhnitz hatte in den letzten Jahren so einige Pläne, aber er bekam immer
       nur ein Nein zu hören. Auch als er forderte, das SEZ ganz abreißen lassen
       zu dürfen, um ein modernes Sportzentrum zu errichten und ein paar Wohnungen
       noch obendrauf, hieß es nur: Nein.
       
       Irgendwann berichtete der Bund der Steuerzahler über die bizarre Posse und
       der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sowie die Stadt Berlin gerieten in Not,
       wenn sie erklären sollten, was für ein Schauspiel sie da im Ringen um eine
       eher nutzlose Immobilie in bester Wohnlage aufführten. Der Senat erstellte
       nun einen eigenen Bebauungsplan für das Areal, der den Abriss des SEZ
       vorsah, und klagte vor dem Berliner Landgericht auf Rückgabe. Der Betreiber
       sei vertragsbrüchig geworden.
       
       [2][Doch das Gericht gab Löhnitz recht]. In dem ursprünglichen Vertrag sei
       lediglich die Rede davon, dass er ein Hallenbad im SEZ betreiben müsse. Was
       genau ein Hallenbad ist, sei nicht klar umrissen. Das bereits erwähnte
       Planschbecken ist gewissermaßen Hallenbad genug und Löhnitz vielleicht doch
       gerissener und ausgebuffter als die naiven Berliner Politiker.
       
       Die Stadt Berlin ist gegen das Urteil in Berufung gegangen und wartet
       seitdem auf eine neuerliche Entscheidung. Alexis Demos, Sprecher der
       Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, sagt, ein Urteil werde im nächsten
       Januar erwartet. Viel mehr könne er gerade auch nicht sagen. Außer, dass
       entgegen anderslautender Gerüchte keine Gespräche mehr mit Löhnitz
       stattfänden und dass er ein ganz gutes Gefühl habe, was das Urteil
       anbelange. Außerdem stehe ja noch der Weg vor den Bundesgerichtshof offen.
       
       Derweil ist der Wert des SEZ-Geländes nach Schätzungen der
       Friedrichshain-Kreuzberger FDP-Fraktion auf 80 bis 100 Millionen Euro
       gestiegen. Es könnte immer noch sein, dass der eine Euro, den Löhnitz einst
       bezahlte, für ihn eine wirklich gute Investition war.
       
       24 Oct 2021
       
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