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       # taz.de -- Die Wahrheit: Gemetzel unterm Adler
       
       > Jetzt cringt der nigelnagelneue Bundestag voll durch: Wird „Polit Game“
       > so erfolgreich wie die Netflix-Serie „Squid Game“?
       
   IMG Bild: Schäuble und Co. haben sich neuerdings in Squidschale geworfen
       
       Die südkoreanische Netflix-Serie „Squid Game“ ist die erfolgreichste Serie
       aller Zeiten. Mit mehr als 130 Millionen Zuschauern weltweit sprengt die
       bluttriefende Kapitalismus-Satire zwischen Kindergartenspiel und
       Gladiatorenappeal alle Rekorde – und beeinflusst jetzt möglicherweise auch
       noch die Politik.
       
       Kaum hat sich in Berlin mit 736 Abgeordnet*innen der größte, dickste
       und bevölkerungsreichste Bundestag aller Zeiten formiert, weiß plötzlich
       auch die künftige Regierung, was sie will: Denn auch die sich formierende
       Allianz aus blutroten Sozen, neidgelben Liberalen und zartgrünen
       Hoffnungslosigkeitsträgern will die erfolgreichste, ja die größte Koalition
       aller Zeiten sein.
       
       Das verrät nicht nur das jüngst veröffentlichte Sondierungspapier der
       Ampelkoalitionäre, sondern vor allem das geheime Zusatzpapier, das von der
       GRÖKAZ auf GoogleDocs falsch abgespeichert wurde und das nun im Netz
       kursiert. In dem nur wenige Punkte umfassenden „Strategiepapier“ wird
       umrissen, wie dem grassierenden Politikverdruss „zeitnah und zielführend“
       der Garaus gemacht werden soll.
       
       Der grausame Plan: Ausnahmslos alle 736 AbgeordnetX nehmen eine rätselhafte
       Einladung an, in einer zentralen Arena in Berlin in sogenannten
       Abstimmungen gegeneinander anzutreten. Dabei befinden sich alle
       Protagonisten in der gleichen hoffnungslosen Situation: Sie sind schwer
       diätenabhängig, haben keinerlei Plan und erst recht keine Hoffnung auf eine
       bessere Zukunft.
       
       ## Blut fließt eimerweise
       
       Nun finden sie sich wieder im verwaisten Reichstag, einem dystopischen Saal
       mit glitzerndem Glasdach und einem abscheulichen Monsteradler, mit
       durchgesessenen Regierungsbänken und uringetränkten leeren Stühlen, bewacht
       von Saaldienern in grotesken Fräcken und einem maskierten Anführer im
       Rollstuhl. Täglich finden im Plenarsaal „demokratische Abstimmungen“ statt.
       Die Verlierer werden sofort an Ort und Stelle liquidiert. Kopfschuss folgt
       auf Kopfschuss, Blut fließt eimerweise fraktionsübergreifend. Eine nicht
       enden wollende Gewaltorgie eröffnet die Legislaturperiode.
       
       Hintergrund des irren Plans: Nach der Rekordanzahl von 709 Sitzen nach der
       letzten Bundestagswahl rücken nun noch einmal 27 Volksvertreter mehr ins
       Diätenparadies nach Berlin ein. „Ein solches Szenario“, argumentiert das
       Strategiepapier, „wäre ein probates Mittel, das weitere Anwachsen der
       Parlamentarieranzahl zu stoppen.“ Erstes Ziel wäre eine Reduzierung der
       Abgeordnetenanzahl auf die eigentliche Regelgröße von 598 Sitzen, was im
       Idealfall schon nach der ersten Abstimmungsrunde erreicht werden könnte,
       wenn rund 140 Abgeordnete zum Abschuss freigegeben werden.
       
       Experten vermuten schon jetzt, dass wahrscheinlich ein hoher Prozentsatz
       der 281 Politiker/innenX, die neu im Parlament vertreten sind, auf der
       Verlustliste stehen werden. Weil sie sich mit den örtlichen Gegebenheiten
       noch nicht so gut auskennen und nicht schnell genug hinter Tischen und
       Stühlen in Deckung gehen können. Und der Weg in die rettende
       Bundestagskantine ist noch immer versperrt, seit Peter Altmaier in der
       Eingangstüre feststeckt.
       
       Die Details des Horrorplans sind innerhalb der Koalitionsparteien wohl noch
       umstritten. Während die FDP um jeden Preis eine Leichensteuer verhindern
       will, pocht die SPD darauf, dass keines der Opfer über den Tod hinaus
       arbeiten muss, um die Hinterbliebenenrente stabil zu halten. Und die Grünen
       bestehen erwartungsgemäß darauf, die Leichen nicht in Bodybags aus Plastik
       zu versacken, sondern in biologisch abbaubaren Jutesäcken zu kompostieren.
       
       ## Powered by GRÖKAZ
       
       Wegen der vielen zu erwartenden Splatterszenen müssten die künftigen
       Bundestagssitzungen wohl immer wieder unterbrochen werden, damit sich
       Abgeordnete übergeben können. Insgesamt überwiegt aber die Hoffnung, dass
       die künftigen Sitzungen des 20. Deutschen Bundestages bald millionenfach
       von demokratieaffinen Slasher-Fans gestreamt werden: „The Polit Game –
       powered by GRÖKAZ“.
       
       Sogar der designierte Altbundestagspräsident Wolfgang Schäuble, zunächst
       ein Skeptiker des gewagten Plans, ist inzwischen mehrheitlich dafür. „Auch
       wenn die Leute jetzt sagen, das alles sei ekelhaft, abstoßend und widerlich
       – so isch erfolgreiche Sachpolitik doch schon immer gewesen. Schauen Sie
       bittschön nur mal mich an!“, sagt er, setzt seine schwarze Maske wieder
       auf, schließt den Reißverschluss seines roten Overalls und drückt ab.
       
       29 Oct 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Oliver Maria Schmitt
       
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