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       # taz.de -- Öffentlich-rechtliche Sender: Wir regeln das unter uns!
       
       > Der Hessische Rundfunk wählt am Freitag eine neue Intendanz. Zur Auswahl
       > stehen zwei ARD-Geschöpfe. Wie immer. Muss das sein?
       
   IMG Bild: Zur Wahl stehen: ARD-Vizeprogrammdirektor Florian Hager und HR-Betriebsdirektorin Stephanie Weber
       
       Was sind derzeit die „größten journalistischen Herausforderungen und
       Aufgaben“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Der [1][Hessische Rundfunk
       (HR)] weiß es. Er hat unter anderem zu dieser Frage gerade ein
       „Backstage“-Video aus dem Community Management seiner „Hessenschau“ ins
       Netz gestellt. Der „Koordinator Community Management“ nennt dort als eine
       der größten journalistischen Aufgaben im Moment, „dass wir auf
       Social-Media-Plattformen einen geordneten und konstruktiven Diskurs
       organisieren“. Na ja, etwa 22 noch wichtigere Herausforderungen gäbe es
       schon.
       
       Wer das Video gesehen hat, könnte denken, dass sie beim HR ein bisschen
       lost sind. Und so kann es von Vorteil sein, dass bald eine neue
       Intendant*in ins Amt kommt. Am Freitagnachmittag entscheidet der
       HR-Rundfunkrat, wer Nachfolger des Ende Februar in Pension gehenden Manfred
       Krupp wird. Vorgeschlagen hat die vom Rundfunkrat eingesetzte
       Findungskommission die HR-Betriebsdirektorin Stephanie Weber und den
       ARD-Vizeprogammdirektor Florian Hager.
       
       Ob sie oder er dem Sender einen neuen Kompass geben kann oder will, ist
       fraglich. Weber war beim Saarländischen Rundfunk (SR) Justiziarin, dann
       Verwaltungs- und Betriebsdirektorin. Zum HR wechselte sie erst im Januar –
       laut Informationen des Fachdienstes Medienkorrespondenz, „weil ihr in
       Saarbrücken wohl signalisiert wurde, dass ihre Ambition auf das
       SR-Intendantenamt keine ausreichende Unterstützung finden würde“.
       
       Florian Hager derweil hat an der jüngsten [2][ARD-Programmreform]
       maßgeblich mitgewirkt, und wie immer man die finden mag: Aus Sicht der ARD
       wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn er zu deren Umsetzung in München
       bliebe. Denn wäre es nicht sinnvoll, wenn man Leuten auf zentralen Posten
       erst einmal Zeit gibt, große Veränderungen umzusetzen? Das gilt erst recht
       für die HR-Novizin Weber.
       
       ## Quereinstieg? Keine Chance!
       
       Hager und Weber haben Qualitäten, das ist unbestritten. Sonst wären sie
       kaum so weit gekommen. Dass nur sie beide in Frankfurt zur Wahl stehen, ist
       aber symptomatisch für einen generellen Missstand bei den
       Öffentlich-Rechtlichen: Für Führungspositionen kommen in der Regel nur
       Leute „aus dem System“ infrage, die gemäß einer internen
       Aufstiegsarithmetik „dran“ sind. Seiteneinsteiger? Keine Chance!
       Unvorstellbar, dass eine hochrangige Managerin aus der Kulturbranche oder
       ein Zeitungschefredakteur an die Spitze eines öffentlich-rechtlichen
       Senders gelangt.
       
       Auch beim Programm setzt der HR auf Inhouse-Strategie, mit Festangestellten
       und festen Freien. Regionale Film- und TV-Produktionsfirmen haben das
       Nachsehen. Der HR lebe in einer „Blase“, sagt die Frankfurter
       Filmproduzentin Ina Knobloch. Sie hat sich, auf Aufforderung eines
       Mitglieds der Findungskommission, ebenfalls für das Intendant*innenamt
       beworben, wurde aber nicht als Kandidatin ausgewählt. Es sei nicht mal zu
       einem Bewerbungsgespräch gekommen, sagt Knobloch. Ihrer Verärgerung darüber
       hat sie zuletzt in mehreren Interviews Luft gemacht.
       
       Knobloch ist promovierte Biologin und hat mit Schauspieler Hannes Jaenicke
       den Sachbuchbestseller „Aufschrei der Meere“ geschrieben, sie ist zudem
       Autorin historischer Romane und hat dokumentarische Formate für Arte und
       den Kinderkanal produziert. Für den HR war sie vor vielen Jahren als
       Filmemacherin und Moderatorin tätig. Eine derart vielfältige
       Arbeitsbiografie wäre eigentlich eine gute Voraussetzung für den Job der
       Senderchefin. Wer an der Spitze steht, sollte möglichst Generalist*in
       sein. Knobloch stünde nicht nur für eine Abkehr von der Inhouse-Politik,
       darüber hinaus wolle sie unter anderem dem Regionalfernsehen „mehr
       Relevanz“ verschaffen. Auch dort könne man „in die Tiefe gehen“, anders als
       es etwa bei der Nachmittagssendung „Hallo Hessen“ oder beim
       Boulevardmagazin „Maintower“ der Fall sei.
       
       Knobloch ist nun zwar außen vor, sie hat aber noch eine theoretische
       Chance: Beim HR gibt es bei der Intendantenwahl die Besonderheit, dass
       jedes der 32 Mitglieder im Rundfunkrat bis zur letzten Minute noch
       Kandidat*innen vorschlagen kann.
       
       28 Oct 2021
       
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