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       # taz.de -- Kampf um soziale Gerechtigkeit in Chile: Demos zum 2. Jahrestag der Proteste
       
       > Die vor zwei Jahren geforderte Versammlung zur Ausarbeitung einer neuen
       > Verfassung ist gestartet. Die Proteste gegen Piñera dauern an.
       
   IMG Bild: Anti-Regierungsperformance einer Gruppe von DemonstrantInnen mit Masken in Santiago de Chile
       
       Buenos Aires taz | In Chile haben am Montag landesweit zehntausende
       Menschen mit zahlreichen Kundgebungen und Protestversammlungen an den
       [1][Beginn der sozialen Revolte vor zwei Jahren] erinnert. In der
       Hauptstadt Santiago waren die Menschen auf der Plaza Italia
       zusammengekommen, dem traditionellen Versammlungsort für politische und
       soziale Proteste.
       
       In Sprechchören forderten sie unter anderem die Absetzung von Präsident
       [2][Sebastián Piñera], der für die damaligen brutalen Übergriffe der
       uniformierten Einsatzkräfte mitverantwortlich gemacht wird.
       
       Mehrfach kam es auch diesmal wieder zu Rangeleien zwischen Protestierenden
       und uniformierten Einsatzkräften. Einige Geschäfte wurden geplündert,
       vereinzelt Barrikaden errichtet. Die befürchteten großen
       Auseinandersetzungen blieben jedoch aus.
       
       Auslöser der Proteste am 18. Oktober 2019 war eine Anhebung der Preise für
       U-Bahn-Tickets, die sich rasch zu einer Revolte gegen die soziale
       Ungleichheit entwickelten. Zugleich wurde die Forderung nach einer neuen
       Verfassung immer lauter.
       
       Präsident Piñera reagierte mit brutaler Härte: Er verhängte den
       Ausnahmezustand und schickte Polizei und Militär auf die Straßen.
       Mindestens 34 Menschen kamen ums Leben. Die Zahl der Verletzten geht in die
       Tausende. Viele erlitten schwere Kopf- und Augenverletzungen, da die
       Uniformierten mit Gummigeschossen gezielt in die Gesichter der
       Protestierenden schossen.
       
       Entsprechend groß war auch jetzt die Furcht vor neuen Übergriffen, zumal am
       Montag 5.000 Uniformierte allein in der Hauptstadt im Einsatz waren.
       Vorsorglich war im weiten Umkreis der Plaza Italia alles entfernt worden,
       was potentiell zum Barrikadenbau hätte verwendet werden können.
       
       Geschäftsleute wurden aufgefordert, spätestens am Nachmittag ihre Läden zu
       schließen. „Schützen wir das Zusammenleben in unserer Stadt, unsere
       Nachbarschaften, unsere öffentlichen Räume und den lokalen Handel, der
       vielen Familien Arbeit und Brot bietet“, appellierte die kommunistische
       Bürgermeisterin Irací Hassler, die dem Hauptstadtbezirk seit Juni vorsteht.
       
       Während in Chile nach wie vor eine tiefe soziale Ungleichheit herrscht,
       wurde die Forderung nach einer [3][verfassunggebenden Versammlung] erfüllt.
       Die hatte sich Anfang Juli konstituiert und just am Montag mit der
       Ausarbeitung der neuen Verfassung begonnen.
       
       „An diesem 18. Oktober beginnt die Debatte über die neue Verfassung. An
       diesem Tag werden die Kommissionen eingesetzt, die den Verfassungstext
       schreiben werden“, sagte tags zuvor die Präsidentin des
       Verfassungskonvents, die [4][Mapuche Elisa Loncon]. Sie würdigte die
       Versammlung als einen immensen Erfolg der sozialen Mobilisierung.
       
       Noch immer gilt in Chile die [5][Verfassung der Pinochet-Diktatur] (1973
       bis 1990) aus dem Jahr 1980. Sie schreibt de facto den Neoliberalismus als
       alleinige Wirtschaftsdoktrin fest. Deshalb sind auch knapp über 30 Jahre
       nach dem Ende der Diktatur noch immer nahezu alle öffentlichen
       Dienstleistungen in privater Hand, darunter die Bereiche Bildung,
       Gesundheit, Rentenversicherung und Wasserversorgung.
       
       19 Oct 2021
       
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