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       # taz.de -- Myanmar neun Monate nach dem Putsch: Aung San Suu Kyi bleibt rebellisch
       
       > Die Generäle wollen die gestürzte Regierungschefin offenbar jahrelang im
       > Gefängnis verschwinden lassen. Doch es gibt Rückschläge für die Militärs.
       
   IMG Bild: Brennende Häuser in Thantlang nach Artilleriebeschuss
       
       Bangkok taz | Myanmars Generäle zeigen neun Monate nach ihrer
       Machtübernahme, dass sie keine Gnade gegenüber ihren zivilen Gegnern walten
       lassen wollen. Ende letzter Woche verurteilte ein Gericht den 79-jährigen
       Win Htein, einen der engsten Berater der gestürzten und inhaftierten
       De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, wegen „Verrat“ zu [1][20 Jahren
       Haft].
       
       Der an Diabetes leidende und im Rollstuhl sitzende Greis ist der erste
       Angehörige der früheren Zivilregierung, der von den Putschisten zu einer
       Haftstrafe verurteilt wurde. „Keine Überraschung“, ließ seine Tochter Chit
       Suu Win Htein, die sich auf der Flucht vor den Militärs befindet, wissen,
       „aber es ist traurig, von diesem lächerlichen Urteil zu hören.“
       
       Die 76-jährige Aung San Suu Kyi, die angesichts des drakonischen Urteils
       gegen ihren Vertrauten wohl mit einem ähnlich harschen Urteil rechnen muss,
       kämpft Monate nach totaler Isolierung ebenfalls mit Gesundheitsproblemen.
       „Mutter“, wie sie von vielen Bewohnern des südostasiatischen Landes genannt
       wird, beantragte, ihre Verfahrenstermine in zwei- statt wie bisher
       einwöchigem Abstand abzuhalten. Die Friedensnobelpreisträgerin klagt über
       Schwindelanfälle. Sie ist seit ihrer Festnahme am 1. Februar völlig von der
       Außenwelt abgeschnitten.
       
       Am Montag nahm die „Lady“, so ein weiterer Spitzname von ihr, erstmals seit
       [2][Beginn des Verfahrens vor vier Monaten] zu den Vorwürfen gegen sie
       Stellung. Die Anklagen reichen von angeblicher Korruption bis zu
       Unterschlagung, der „illegalen“ Einfuhr von Walkie-Talkies sowie Aufruhr.
       Über ihre Ausführungen erfährt die Welt nichts.
       
       ## Maulkorb für Aung San Suu Kyis Anwälte
       
       Im Oktober hatte der Ex-Gouverneur der Region Yangon, Phyo Min Thein,
       offenbar unter Zwang ausgesagt, dass er ihr große Mengen Gold und US-Dollar
       gegeben habe. Vor Gericht traute er sich nicht, sie anzuschauen,
       berichteten die Anwälte.
       
       Die Generäle unterstellten die Verteidiger inzwischen dem Paragrafen 144
       der Strafprozessordnung. Das einst von der Kolonialmacht Großbritannien
       eingeführte Gesetz verbietet den Verteidigern jedes Wort über den
       Prozessverlauf. Zur Begründung sagten die Generäle, Informationen aus dem
       Gerichtssaal könnten zu „Aufruhr“ führen.
       
       In Wahrheit war es Aung San Suu Kyi gelungen, den Generälen selbst aus der
       Haft so manches Schnippchen zu schlagen. Rechtsanwalt Khin Maung Zaw
       brachte auf Aung San Suu Kyis Geheiß das fragile Kartenhaus ins Wanken, mit
       dem die Junta seit ihrem Putsch am 1. Februar den 54 Millionen Einwohnern
       des Landes vorgaukelt, sie habe bei dem Staatsstreich auf dem Boden von
       Recht und Ordnung gehandelt.
       
       Myanmars gestürzter Präsident Win Myint, der gemeinsam mit Aung San Suu Kyi
       und dem Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Naypyidaw vor dem vom Militärregime
       ausgesuchten Gericht steht, schilderte danach den Morgen des Sturzes ganz
       anders, als dem Regime lieb ist.
       
       ## Gestürzter Präsident widerspricht den Lügen der Generäle
       
       Um fünf Uhr morgens sei er aus dem Bett geholt worden, habe Win Myint laut
       dem Rechtsanwalt vor Gericht erklärt, und zum Präsidentschaftspalast
       gebracht worden. Dort hätten ihn zwei Generäle aufgefordert, aus
       Gesundheitsgründen zurückzutreten. Doch er habe sich geweigert und erklärt,
       er würde lieber sterben als zurückzutreten. Einer der Generäle habe ihn
       aufgefordert, seine Entscheidung zu überdenken. Ihm könne sonst etwas
       passieren.
       
       Der Nachrichtenwebseite Irrawaddy erklärte das Verteidigerteam, es habe die
       Details auf Aufforderung von Aung San Suu Kyi veröffentlicht. „Sie sagte,
       die Öffentlichkeit müsse über den Prozess informiert werden. Die Leute
       sollten Bescheid wissen und entscheiden, ob das Verfahren unfair sei.“
       
       Die Junta, deren Putsch eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst hat, macht
       sich derzeit wenig Freunde mit ihrem Vorgehen. Die südostasiatischen
       Asean-Staaten hatten Juntachef General Min Aung Hlaing kürzlich [3][von
       ihrem Gipfeltreffen ausgeschlossen], weil er bei einem früheren Gipfel
       gemachte Zusagen nicht eingehalten hatte. Dazu gehörte ein Treffen des
       Asean-Sondergesandten mit Aung San Suu Kyi.
       
       Die Vereinten Nationen warnten in der vergangenen Woche vor
       Truppenkonzentrationen im Norden und Nordwesten des Landes. Besonders
       betroffen: Der Chin-Staat, in dem sich während der vergangenen Monate der
       politische und militärische Widerstand gegen das Regime stark organisierte.
       
       ## Militär beschießt Kleinstadt mit Artillerie
       
       Laut dem Kinderhilfswerk Save the Children seien in der Kleinstadt
       Thantlang nahe der Grenze zu Indien vom Militär 100 Gebäude vorsätzlich mit
       Artillerie in Brand geschossen worden, ein Lager der Hilfsorganisation
       inklusive. Laut anderen [4][Quellen] seien dabei mehr als 160 der 2.000
       Häuser sowie zwei Kirchen abgebrannt.
       
       Mit einer ähnlichen Politik verbrannter Erde ging das Militär bereits von
       Oktober 2016 bis Januar 2017 gegen die muslimische Minderheit der Rohingya
       vor. Hunderttausende flohen ins Nachbarland Bangladesch.
       
       Wie damals behauptete auch jetzt das [5][Militär] wieder, Bewohner hätten
       ihre Häuser selbst in Brand gesteckt, um dies dann den Militärs vorwerfen
       zu können.
       
       2 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-junta-jails-nld-patron-for-20-years-for-high-treason.html
   DIR [2] /Prozessbeginn-gegen-Aung-San-Suu-Kyi/!5774853
   DIR [3] /Suedostasiatischer-Staatenbund-Asean/!5808308
   DIR [4] https://www.myanmar-now.org/en/news/more-than-160-homes-burn-down-in-junta-shelling-of-chin-state-town
   DIR [5] https://twitter.com/AnthemFederal/status/1454452060657651716
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Willi Germund
       
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