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       # taz.de -- Transfeindlichkeit im Cottbusser Stadion: Alle gegen eine
       
       > Energie-Cottbus-Fans nehmen mit einer transfeindlichem Choreo im Stadion
       > eine Anhängerin des SV Babelsberg 03 ins Visier – bislang ohne Folgen.
       
   IMG Bild: Machen häufiger Probleme: Cottbusser Fans beim Spiel gegen den SV Babelsberg 03
       
       Beim Regionalligaderby Energie Cottbus gegen den SV Babelsberg hielten die
       Cottbusser Fans ein Spruchband mit der Aufschrift „Eure Daten sind uns
       scheißegal. Sind eure Fressen doch die größte Qual“. Daneben ein
       gezeichnetes Foto von der Rapperin und Buchautorin [1][FaulenzA aus
       Berlin], die sich für die queere Fanszene von Babelsberg engagiert.
       
       Der Spruch bezieht sich zunächst auf den Spielboykott der „Nordkurve
       Babelsberg“, die nicht nach Cottbus anreisten, da als Coronamaßnahme die
       Daten der Gästefans gespeichert werden. Unter den Fans von Energie Cottbus
       sind einige in rechten Netzwerken organisiert. Deshalb entschlossen sich
       die Babelsberger Anhänger*innen gegen einen Stadionbesuch: „Für uns ist
       klar, dass wir unsere Daten nicht an Stellen geben werden, an denen
       organisierte Faschisten potenziell Zugriff darauf haben“, schrieb die
       Babelsberger Ultragruppe „Filmstadt Inferno 1999“ in einem Statement.
       
       Dass in Fankurven Hatespeech und Diskriminierungen vorkommen, ist nicht
       ungewöhnlich. Auch werden manchmal einzelne Personen herausgegriffen. Am
       bekanntesten sind gewiss [2][die Anfeindungen gegen Dietmar Hopp], den
       Mäzen der TSG Hoffenheim. In Cottbus wurde jedoch eine Einzelperson zur
       Zielscheibe, die keine Machtposition im Fußballgeschäft besitzt. Die
       Betroffene gehört auch nicht zu den Ultrafangruppen des SV Babelsbergs 03.
       Die Anfeindungen sind doppelbödig und subtil, das Spruchband und das Bild
       der Rapperin FaulenzA zudem auf verschiedenen Bannern abgebildet.
       
       FaulenzA engagiert sich seit dem Sommer 2019 bei der Fangruppe
       „Babelsqueers“, die sich „mehr Sichtbarkeit von LGBTQIA+ in der
       Fußballkultur“ wünschen. Im Januar 2021 veröffentlichte sie einen
       [3][Babelsberg-Fansong]. Daraufhin bekam sie schon damals viele
       Hassnachrichten von Rechten, erzählt sie. Auf Facebook wird ihr Song mit
       transfeindlichen Kommentaren geteilt. In der Aktion aus Cottbus sieht sie
       nicht nur eine Anfeindung gegen ihre Person, sondern gegen
       [4][Transmenschen] allgemein, sagt sie. Die Bilder aus der Fankurve werden
       ihr mehrfach in Privatnachrichten zugesendet.
       
       ## Transfeindliche Beleidigungen
       
       [5][Nachdem sie die Banner auf ihrem Instagram-Account öffentlich
       kritisiert], erhält sie Solidaritätsnachrichten, aber auch weitere
       Beleidigungen mit transfeindlichen Inhalten. FaulenzA beschreibt sich
       selbst als „transweibliche Rapperin und Folkpunk-Musikerin aus Berlin“. Sie
       rappt vor allem über linke Kämpfe, queeres Empowerment, Gefühle und
       „psychische Störungen“. FaulenzA spielt selbst auch Fußball und hat einen
       Abschluss in Sozialer Arbeit. Aufgrund posttraumatischer
       Belastungsstörungen, ihres Tourette-Syndroms und einer Dissoziativen
       Identitätsstruktur ist sie jedoch dauerhaft arbeitsunfähig.
       
       In ihrer Kindheit stand sie bereits bei Borussia Mönchengladbach in der
       Fankurve. FaulenzA schreibt in ihrer Kolumne im queeren Berliner
       Stadtmagazin Siegessäule. „Nach meinem Coming-out als trans* Frau habe ich
       mich aber nicht mehr ins Stadion getraut. Unter Fußballfans gibt es viele
       Macker mit queerfeindlichen Ansichten.“ Beim SV Babelsberg 03 fand sie eine
       Fanszene, in der sie sich wohlfühlt. Gemeinsam mit den Ultrafangruppen von
       SV Babelsberg 03, die sich mit FaulenzA solidarisieren, überlegt sie sich
       nun, wie sie gegen diesen persönlichen Angriff vorgehen wird.
       
       Die Presseabteilung von Energie Cottbus bedauert auf Anfrage der taz, dass
       sich die Künstlerin FaulenzA durch die Fanaktion bedroht fühlt. Das
       gezeigte Banner sei nicht angemeldet gewesen und der Sicherheitsberatung
       des Vereins daher nicht bekannt: „Mag man den ersten Teil ‚Eure Daten sind
       uns scheißegal‘ als Reaktion auf die Veröffentlichung der Babelsberger
       Fanszene im Rahmen von Fan-Rivalität noch tolerieren können, distanzieren
       wir uns als Verein von diffamierenden und beleidigenden Äußerungen jedweder
       Art.Derartige Dinge spiegeln nicht die Werte des FC Energie Cottbus wider,
       der sich vielfach für Toleranz, Gewaltfreiheit und gegen Rassismus
       einsetzt.“ Außerdem stehe der Verein mit der Polizei in Kontakt, da es nach
       dem Spiel im Stadion einen tätlichen Angriff auf einen Mitarbeiter des SV
       Babelsberg 03 gegeben habe.
       
       Eskalierende Partie 2017 
       
       Dass die Spiele zwischen dem SV Babelsberg und Energie Cottbus besonderes
       Eskalationspotential haben, zeigen auch vergangene Begegnungen der beiden
       Teams. Trauriger Höhepunkt war die Partie im April 2017. Dort gab es im
       Gästeblock des Potsdamer-Stadions Nazi-Gesänge, rund 100 Anhänger*innen
       des damaligen Erstligisten Cottbus skandierten antisemitische Schmähungen
       und zeigten auch den Hitlergruß. Später ermittelte der Staatsschutz, ein
       Fan von Cottbus wurde vom Potsdamer Amtsgericht zu einer hohen Geldstrafe
       verurteilt. Seit 2018 gibt es die Gruppe „Energie-Fans gegen Nazis“, mit
       der Cottbusser-Fußballanhänger*innen gegen die Wahrnehmung angehen wollen,
       dass Energie Cottbus-Fans nur aus dem rechten Spektrum kommen.
       
       Die Uefa sieht im Falle von Fehlverhalten von Fans seit 2009 einen
       Dreistufenplan für Schiedsrichter*innen vor. Seit 2019 hat sich auch
       die Fifa diese Handlungsempfehlungen zu eigen gemacht. Diese besagen, dass
       Schiedsrichter*innen das Spiel bei diskriminierenden Beleidigungen
       zunächst anhalten sollten, um dann eine entsprechende Stadiondurchsage zu
       veranlassen. In der zweiten Stufe soll das Spiel unterbrochen werden. Die
       dritte Stufe sieht bei anhaltendem Fehlverhalten den Spielabbruch vor.
       
       Im Fall des Derbys in Cottbus, das das Heimteam mit 2:0 gewann, wurde die
       Transfeindlichkeit in der Fan-Choreo vermutlich von vielen nicht als solche
       erkannt. Die Lausitzer Rundschau etwa schrieb von einem überwiegend
       friedlichen Spiel und lobte die tolle Atmosphäre.
       
       2 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.instagram.com/faulenza_einhornrap/?hl=de
   DIR [2] /Diskriminierung-von-Hoffenheims-Hopp/!5666640
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=Asv5D2arMNA
   DIR [4] /Das-Leben-als-trans-Frau/!5674587
   DIR [5] https://www.instagram.com/p/CVvc8iOM_rC/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Linda Gerner
       
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