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       # taz.de -- WDR und El-Hassan gehen getrennte Wege: Keine weitere Zusammenarbeit
       
       > In einem Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ kritisierte die
       > Journalistin Nemi El-Hassan den Umgang des WDR mit ihr. Der Sender trennt
       > sich von ihr.
       
   IMG Bild: Nemi El-Hassan wird nicht weiter vom WDR beschäftigt. In einer Stellungnahme verteidigt sie sich
       
       Berlin taz | Der Konflikt zwischen dem WDR und Nemi El-Hassan findet ein
       vorläufiges Ende. Nachdem sich die deutsch-palästinensische Moderatorin und
       Ärztin am Dienstag in einem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung zu den
       Vorwürfen gegen ihre Person geäußert und den Umgang des WDR kritisiert
       hatte, verkündete der Sender noch [1][am selben Tag], dass er künftig auf
       die Zusammenarbeit mit der Moderatorin verzichten werde.
       
       In den letzten Wochen gab es vermehrt Diskussionen über die Journalistin.
       El-Hassan war in den sozialen Netzwerken und unter anderem in den Zeitungen
       des Springer-Verlags Extremismus und Antisemitismus vorgeworfen worden,
       weil sie 2014 am antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin teilgenommen
       hatte.
       
       Die Springer-Zeitungen bezogen sich dabei auch auf ein Video der
       Bundeszentrale für politische Bildung von 2015, in dem El-Hassan eine
       friedliche Auslegung des Wortes „Dschihad“ vorträgt. El-Hassan hatte sich
       daraufhin bei Instagram von den Al-Quds-Demos distanziert. Ihre Teilnahme
       sei ein „Fehler“ gewesen. Sie verurteile jegliche antisemitischen
       Äußerungen und Aktionen, sämtliche Arten von Gewalt und „insbesondere die
       Gewalt, die auf diesen Demos stattgefunden hat“.
       
       Der WDR hatte [2][Mitte September dennoch entschieden], dass die 28-Jährige
       zunächst nicht als Moderatorin der WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“
       eingesetzt werde, und angekündigt, den Fall zu prüfen. Ende September
       teilte WDR-Intendant Tom Buhrow nach anhaltender Debatte mit, dass der
       Sender entschieden habe, dass El-Hassan „Quarks“ nicht moderieren werde.
       Die Auseinandersetzung über ihre Person habe zu einer unangebrachten
       Politisierung der Sendung geführt, lautete die Begründung. Man erwäge aber,
       El-Hassan als [3][Autorin zu beschäftigen].
       
       ## „Deal with it“
       
       Am Dienstag nun, nachdem El-Hassan ihren Gastbeitrag veröffentlicht hatte,
       teilte der Sender nach wochenlanger Prüfung und zwei Diskussionen im
       Rundfunkrat mit, endgültig auf eine Zusammenarbeit zu verzichten. „Das
       Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit ist nicht mehr vorhanden“, so
       die Begründung des Senders.
       
       In ihrem Gastbeitrag „[4][Ich bin Palästinenserin – deal with it!“]
       kritisiert El-Hassan, dass der WDR sich beim Umgang mit ihr von einer
       Kampagne von Rechtsextremen und der Bild-Zeitung habe leiten lassen: „Der
       WDR hat sich – in der Hoffnung, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen –
       allen Argumenten der Bild-Zeitung angeschlossen und somit auch zukünftigen
       Kampagnen Tür und Tor geöffnet.“ Antisemitismusvorwürfe würden „im Kampf
       gegen Muslime“ instrumentalisiert. Es gehe darum, Menschen muslimischen
       Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen.
       
       „Der Vorwurf, dass der WDR die Moderatorinnen-Auswahl von einer
       Bild-Kampagne abhängig mache, ist unsinnig“, antwortete der WDR in seiner
       Erklärung darauf. Der Sender habe „unabhängig von der medialen
       Berichterstattung und dem öffentlichen Druck“ sowie „sorgfältig und
       umfangreich“ beraten. Ausschlaggebend sei El-Hassans Aktivität in den
       sozialen Medien gewesen: „Relevante Informationen – wie zum Beispiel das
       Löschen von Likes – erfuhr der WDR erst aus den Medien, obwohl er mit Nemi
       El-Hassan im intensiven Austausch war.“
       
       Bei den kritisierten Likes handelt es sich um Reaktionen auf Beiträge von
       Jewish Voice for Peace. El-Hassan rechtfertigt diese in ihrem Gastbeitrag
       damit, dass es sich hierbei um „eine der größten links-jüdischen
       Organisationen in den USA, die sich antizionistisch positioniert“, handele,
       die wiederum die Initiative Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)
       unterstütze.
       
       BDS, eine transnationale Boykottkampagne gegen Israel, ist in Deutschland
       selbst immer wieder Gegenstand von Debatten. Im Mai 2019 hat der Deutsche
       Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und großen Teilen der
       Grünen-Fraktion die Resolution [5][„Der BDS-Bewegung entschlossen
       entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“] beschlossen. Darin heißt es,
       die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung seien antisemitisch.
       Kritiker:innen werfen der Initiative vor, das Existenzrecht des Staates
       Israel infrage zu stellen.
       
       3 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/keine-zusammenarbeit-mit-el-hassan-100.html
   DIR [2] /Neue-WDR-Moderatorin/!5797247
   DIR [3] /Debatte-um-WDR-Moderatorin/!5804812
   DIR [4] https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/nemi-el-hassan-ich-weigere-mich-meine-palaestinensische-identitaet-zu-leugnen-li.192159
   DIR [5] /Berliner-Gericht-zu-Anti-BDS-Beschluss/!5807027
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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