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       # taz.de -- Naturmusik von Houseproduzent Joakim: Umweltschutz gesampelt
       
       > „Second Nature“ heißt das neue Album von Produzent Joakim. Die Musik wird
       > von Fieldrecordings und Tierstimmen bestimmt.
       
   IMG Bild: Joakim auf Sample-Suche im Urwald
       
       Was haben Bartnachtschwalben aus Australien, kanadische Grizzlybären und
       ugandische Berggorillas gemeinsam? Für den französischen
       Elektronik-Produzenten Joakim sind sie Samplequellen für sein neues Album
       „Second Nature“.
       
       Seine Musik begibt sich sofort tief hinein in einen Dschungel aus Samples,
       Field-Recordings und Tieraufnahmen. Es quakt, knurrt und regnet die ganze
       Zeit. Aus den 16 Tracks wird nicht sofort ersichtlich, was der Künstler
       genau für Soundquellen präsentiert. Einige Klänge hat er stark verfremdet.
       
       „Mit dem Einsatz von Feldaufnahmen als Auftakt zu jedem Track will ich die
       Grenzen zwischen natürlich und artifiziell verwischen.“ Erfunden hat das
       der 44-jährige Künstler und Gründer des Labels Tigershushi nicht.
       
       ## Prädikat Öko-Techno
       
       Schon der deutsche Technoproduzent (und Biologe) Dominik Eulberg
       produzierte Mitte der nuller Jahre mit den gleichen Mitteln Musik, die das
       Dancefloormagazin Groove als „Öko-Techno“ adelte. Auch auf „Second Nature“
       wird der Sinn [1][für ökologische Belange mit Hedonismus] gepaart.
       
       Mit dem Verweis auf entlegene „Weltgegenden“, aus denen Joakim seine Klänge
       abzapft, wird klar, dass es sich bei „Second Nature“ um einen
       globalisierten Sound handelt. Sowohl, was die Entstehung anbelagt, als
       auch, was die Rezeption betrifft. Diese Musik soll bei einem Festival in
       Thailand funktionieren. Auch bei Joakim ist die ostentative Hinwendung zur
       Natur keine Absage an die Globalisierung.
       
       Das Vogelzwitscher in „Philomena’s Revenge“ steht im Dialog mit gluckernden
       Synthesizer-Klängen und ist dementsprechend ein selbstverständlicher, aber
       keinesfalls revolutionärer Versuch, alte Wege neu zu bestreiten. Der Boden,
       auf dem diese behutsame Musik wächst und gedeiht, ist trotzdem gut genährt.
       Es heißt ja auch „Second Nature“ – die zweite, die selbstgeschaffene Natur.
       Ganz weg von der Menschheit möchte Joakim nämlich gar nicht.
       
       ## Formen und gestalten
       
       Das sollte auch niemand grämen, es geht beim Musikmachen wie in allen
       Kunstgattungen um das Formen, das Gestalten, die Schöpfung. In diesem Falle
       eben um die Synthese aus den handgezählten 70 Tierklängen und den Sounds
       aus Maschinen – und von illustren Gästen. Ja, neben dem Epirus-Wasserfrosch
       wirken auch Menschen mit: die [2][Chicagoer Jazzerin Angel Bat Dawid], der
       New Yorker Drummer Greg Fox und der taiwanesische Künstler Yutie Lee. Um
       nur die Prominentesten zu nennen.
       
       Ergo weiß der Sound sich aus vielen Ecken zu bedienen: „Hippo Dance“ ist
       eine tribalistische Tanznummer, „Elephant Laser Hopper“ angelegt als
       richtiger Hinternwackler, wohingegen sich „Make It Slow“ ganz eindeutig als
       elektronischer Popsong breitmacht und da auch einen guten Platz findet.
       
       Joakims Geistesverwandte sind weniger beim Minimal Techno und mehr bei
       seinen französischen Kollegen Rone und Agoria zu finden. Die haben
       mittlerweile einen global Pop-Entwurf perfektioniert, den man als
       French-Post-EDM bezeichnen könnte. Mit Gelassenheit spielt sich dann auch
       Joakim durch das lange Album – immer mit der Behauptung, nicht nur Musik
       komponiert, sondern auch etwas [3][für die Umwelt] getan zu haben.
       
       23 Oct 2021
       
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