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       # taz.de -- Psychotherapeutin über Klimaangst: „Eine gesunde und normale Reaktion“
       
       > Angst vor dem Klimawandel ist menschlich und sollte nicht pathologisiert
       > werden, fordert die Psychotherapeutin und Aktivistin Lea Dohm.
       
   IMG Bild: Am Freitag demonstrieren weltweit Aktivisten für das 1,5-Grad-Ziel
       
       taz: Frau Dohm, In diesem Jahr wurde an der University of Bath in England
       eine große internationale Studie zu Zukunftsfragen von unter 25-Jährigen
       veröffentlicht. Über die Hälfte der 10.000 Befragten aus zehn verschiedenen
       Ländern glaubt, die Menschheit sei „dem Untergang geweiht“. Trotzdem stört
       Sie der Gebrauch des Wortes „Klimaangst“. Wieso? 
       
       Lea Dohm: Dieser Begriff verkürzt das Thema, weil er das Grundproblem,
       nämlich die Klimakrise, pathologisiert und die damit verbundenen Sorgen als
       „hysterisch“ abstuft. Als müssten nur diese Sorgen behandelt werden und
       dann würde es schon irgendwie weitergehen. Das stimmt aber nicht. Angst
       verbunden mit der Klimakrise ist [1][eine gesunde und normale Reaktion] auf
       eine reale Bedrohung.
       
       Die Klimakrise belastet vor allem Nachfolgenerationen. Nimmt die Angst bei
       jungen Menschen zu? 
       
       Sie bleibt auf einem konstant hohen Niveau. Die von Ihnen erwähnte Studie
       besagt auch, dass 75 Prozent der befragten jungen Menschen ihrer Zukunft
       beängstigt entgegen blicken. Die Klimakrise ist aber ein Problem, das alle
       Altersgruppen betreffen kann.
       
       Die Studie befasst sich vor allem mit Zukunftsängsten, die eng mit dem
       Klima verknüpft sind. Ist der Entschluss vieler junger Aktivist:innen,
       keine Kinder bekommen zu wollen, ein Ausdruck dieser Zukunftsangst? 
       
       Es wäre zu einfach, dies als logische Konsequenz von Zukunftsangst zu
       sehen. Als ich Kinder bekam, habe ich die Bedrohung des Klimawandels noch
       nicht greifen können. Ich würde heute aber sagen, dass meine Kinder für
       mich ein Motor meines Aktivismus' sind.
       
       Wer ist besonders von Klimaangst betroffen? 
       
       Vor allem Menschen, die sich besonders viel mit der Klimakrise
       beschäftigen. Hinzukommt, dass [2][Kinder und Jugendliche mehr von den
       Folgen der Klimakrise mitbekommen werden] und damit eher betroffen sind als
       andere Altersgruppen. Auch, weil sie als besonders vulnerable Gruppe
       gelten.
       
       Wird das Problem überhaupt ernst genommen? 
       
       Offensichtlich nicht. Die beste Medizin gegen Klimaangst wäre eine
       konsequente Emissionsreduktion, die jedoch nicht erfolgt. Würde das
       passieren, würden mit Sicherheit Klimaängste in der Bevölkerung abnehmen.
       
       Haben Sie 2019 deswegen [3][Psychologists for Future] gegründet? 
       
       Wir unterstützen nicht ausschließlich Aktivist:innen. Wir machen auch
       Aufklärungsworkshops und Informationsveranstaltungen. Meine Kolleg:innen
       und ich waren schnell der Ansicht, dass diese ganze Krise viel mit
       Psychologie zu tun hat.
       
       Man könnte meinen, Angst, die in der Regel zu Vermeidung von Aktivitäten
       führt, und Aktivismus können gar nicht zusammenpassen … 
       
       Diese Annahme teilen viele, eben weil Klimaangst zu schnell als Krankheit
       gesehen wird. Die meisten Aktivist:innen nehmen jedoch die Angst wahr,
       halten sie aus und handeln. Man kann davon ausgehen, dass Ängste durchaus
       ein Treiber der Klimabewegung sind. Viele sehen sich dadurch motiviert,
       zum Beispiel freitags auf die Straße zu gehen.
       
       Versuchen Menschen, die den Klimawandel herunterspielen, ihre eigene Angst
       zu verdrängen? 
       
       Tiefenpsychologisch betrachtet: Ja. Aber Menschen wehren ständig ab. Das
       ist auch gut so, sonst würden wir alle von der täglichen Flut an
       gesellschaftlichen Problemen erschlagen werden. Es ist also erst einmal
       nicht schlimm, Angst herunterzuspielen. Es ist nur schlimm, wenn man danach
       handelt – oder besser gesagt: nicht handelt –, also die Klimakrise
       ignoriert.
       
       Kann Klimaangst zu Extremverhalten führen, wie zuletzt kurz vor der
       Bundestagswahl, als junge Klimaaktivist:innen in Berlin in einen
       Durst- und Hungerstreik getreten sind? 
       
       Ich finde es dramatisch, dass es so weit kommen musste. Aber Klimaangst
       allein ist sicher nicht dafür verantwortlich. Psychologisch könnte das auf
       das riesige Ausmaß der Klimakrise und die gleichzeitig [4][fehlende
       Aussicht auf adäquates politisches Handeln] zurückzuführen sein.
       
       Trotzdem hat keine der gerade für eine Ampelkoalition verhandelnden
       Parteien Lösungsvorschläge, wie das [5][1,5-Grad-Ziel] umgesetzt werden
       kann. Könnte allein das die Klimabewegung radikalisieren? 
       
       Wenn politische Bewegungen nicht gehört werden, kann es tatsächlich zu
       Radikalisierung oder Resignation kommen. Beides ist aber in der
       Klimabewegung noch nicht die Regel. Als gefährlich empfinde ich das
       sogenannte Sich-Verschließen, den Fokus auf die eigene Bubble und den
       Rückzug ins Private.
       
       Wer ist gefährdet, wenn sich Menschen verstärkt ins Private zurückziehen? 
       
       Unsere [6][Demokratie]. Diese beruht nämlich auf Partizipation.
       
       22 Oct 2021
       
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   DIR [4] /Oma-for-Future-ueber-Klimaprotest/!5799510
   DIR [5] /Klimaforderungen-an-neue-Bundesregierung/!5806123
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