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       # taz.de -- Regisseur über Rache: „Kunst kann Gefühle transformieren“
       
       > Was haben Menschen davon, Rache zu üben? Regisseur Akın Emanuel Şipal
       > über starke Emotionen und sein Stück „Mutter Vater Land“ am Bremer
       > Theater.
       
   IMG Bild: Wenn sich Ungerechtigkeit vererbt: Die Mutter im Stück „Mutter Vater Land“ am Theater Bremen
       
       taz: Herr Sipal, sind Sie rachsüchtig? 
       
       Akın Emanuel Şipal: Nein. Aber als Gegenstand von Literatur und Kunst finde
       ich Rache faszinierend. Rache ist ganz stark an Gerechtigkeit gekoppelt. Wo
       uns Unrecht geschieht, wollen wir etwas ausgleichen. Irreparablen Schaden
       reparieren.
       
       Aber Rache ist doch nicht gerecht! 
       
       Es geht beim Ausüben von Rache nicht um Gerechtigkeit, aber das subjektive
       Erlebnis von Ungerechtigkeit geht der Rache voraus. Rechtsprechung will
       Gerechtigkeit herstellen und ist eher das Gegenteil von Rache. Aber es kann
       trotzdem genugtuend sein, wenn Recht gesprochen wird. Wobei, ob Rache
       Genugtuung auslösen kann, weiß ich nicht.
       
       Sollten Sie sich mit Rache nicht auskennen? 
       
       Ich sehe mich eher als Laien und Max Czollek als Experten. Er hat eine
       Ausstellung über Rache fürs jüdische Museum in Frankfurt kuratiert. Mein
       [1][Stück „Mutter Vater Land“] ist eher ein Kaleidoskop, in dem Rache auch
       eine Rolle spielt. Es ist eine Generationengeschichte und die Erfahrung der
       Ungerechtigkeit wird leider vererbt. Sie formt eine Art von Druck, auch die
       Ungerechtigkeit vorangegangener Generationen auszugleichen. Es gibt das
       alte Motiv der einfallenden Vorhut der Osmanen, ein altes europäisches
       Feindbild, aber auch eine militärische Realität. Ist es Rache, dass dieses
       Motiv so überformt Einzug gehalten hat in die europäische
       Geistesgeschichte, das Bild des Türken als unbarmherziger plündernder
       Soldat? In meinem Stück wird ein Schüler diskriminiert und beschwört so
       eine historische Rachefantasie.
       
       Worum geht es bei Rache, wenn nicht um Gerechtigkeit? 
       
       Selbstermächtigung finde ich ein sehr zentrales Moment. Ich gebe mir Macht,
       indem ich etwas zerstöre. Eine emotionale, gewalttätige,
       selbstermächtigende Art der Aufarbeitung.
       
       Selbstermächtigung klingt ja gar nicht so schlecht. 
       
       Oh, persönlich würde ich immer von Rache abraten. Aber wir sind nicht nur
       vernunftgesteuerte Wesen. Emotionen wollen auch bespielt werden. Rache ist
       einfach da. Die Kunst kann helfen, sie abzuleiten. Wie kann man Emotionen
       kanalisieren und in etwas Wertvolles überführen? Kunst ist nicht Realität,
       sie kann Negatives, Destruktives in Produktives, Erbauliches
       transformieren. Kunst ist humanisierend.
       
       Also wollen Sie mit der Podiumsdiskussion die Rachegelüste der Menschen
       ableiten? 
       
       Wir haben nicht so einen pädagogischen Anspruch, aber ich würde mich
       grundsätzlich freuen, wenn Menschen weniger rachsüchtig wären.
       
       8 Nov 2021
       
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