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       # taz.de -- Hausdurchsuchungen in Bremen: Empörung in der linken Szene
       
       > Mit drei Hausdurchsuchungen reagierte die Staatsanwaltschaft auf Aktionen
       > von Linken gegen Querdenker:innen. Nun ist die Szene in Aufruhr.
       
   IMG Bild: Pyro-Rauch und Ganzkörperanzüge: Bild aus dem Video der Aktion linker Aktivist:innen in Bremen
       
       Bremen taz | Mit Hausdurchsuchungen hat die Bremer Staatsanwaltschaft die
       linke Szene gegen sich aufgebracht. Am Samstagnachmittag gab es eine Demo,
       nachdem die Polizei zuvor am Donnerstag früh morgens drei Wohnungen
       durchsucht hatte. Die Durchsuchungen hat die Polizei bestätigt: Es sei um
       Nötigung und Sachbeschädigung gegangen. Tobias Helfst, Sprecher der
       Basisgruppe Antifa, kritisiert das Vorgehen der Polizei als
       unverhältnismäßig und vermutet ein politisches Motiv beim Innensenator.
       
       Anlass der Durchsuchungen war eine Aktion von Linken im April, die sich
       gegen Querdenker:innen gerichtet hatte. Die Aktivist:innen hatten
       auf den Gehweg vor der Wohnung eines Mannes seinen Namen gesprüht, gefolgt
       von den Worten „halt’s Maul“. Sie positionierten dort außerdem mit einem
       Transparent mit der Aufschrift „Kein Bock auf Querdenken“.
       
       Helfst verweist auf Fotos, die den Mann als Ordner und Redner auf einer
       Querdenken-Veranstaltung zeigen sollen. Laut der Sprecherin des
       Innensenators Rose Gerdts-Schiffler handelt es sich jedoch offensichtlich
       um eine Verwechslung. Das Opfer sei bloß ein Namensvetter des eigentlichen
       Ziels gewesen.
       
       Der fälschlich Angeprangerte sei jedenfalls zur Polizei gegangen. Die habe
       ihm Fotos von Tatverdächtigen vorgelegt, bestätigt die Staatsanwaltschaft.
       Mit deren Hilfe konnte er angeblich einen der vermummten Beteiligten
       identifizieren.
       
       Wie Helfst berichtet, begründete er die Identifizierung mit den „stechend
       blauen Augen“ des mutmaßlichen Täters. Auch der Sprecher der
       Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Passade, spricht von einer „markanten
       Augenfarbe“.
       
       Dass die Augen der Aktivist:innen wirklich erkennbar waren, bezweifelt
       Helfst mit Blick auf das Youtube-Video der Aktion. Da der Beschuldigte in
       der Vergangenheit bereits mit linken Straftaten in Verbindung stand, hält
       die Staatsanwaltschaft den Beschuldigtenstatus aber für gerechtfertigt.
       
       Gleich drei Wohnungen habe die Polizei durchsucht, weil alle drei als
       mutmaßlicher Wohnsitz im Verdacht standen. Auch seine ehemalige
       Meldeadresse sei darunter gewesen, sagt Helfst. Der Verdächtige selbst sei
       gar nicht in der Stadt gewesen. Stattdessen habe die Polizei bloß die
       Privatsphäre der nicht beschuldigten Bewohner:innen verletzt. Wie diese
       versichert hätten, sei nichts gefunden worden, sagt Helfst.
       
       Die erfolglosen Durchsuchungen seien ja mindestens ein „Griff ins
       Handwaschbecken, wenn nicht ins Klo“, findet Helfst. Er vermutet, die
       Polizei halte die Angelegenheit absichtlich klein. Schließlich seien drei
       Hausdurchsuchungen im beschaulichen Bremen ein großes Ereignis; trotzdem
       gebe es keine Pressemitteilung der Polizei.
       
       Eine andere Version der Ereignisse erzählt wieder die Staatsanwaltschaft.
       Passades Auskunft nach fand die Polizei durchaus Gegenstände, deren
       Verbindung zur Tat sie gerade prüft.
       
       Die Aktion, die das Ganze auslöste, ist [1][auf Youtube zu sehen]. Die
       Beteiligten haben sie selbst gefilmt. Veröffentlicht wurde sie auf dem
       Kanal „Nika Bremen“. Nika steht für „Nationalismus ist keine Alternative“.
       Im Video sind vermummte Personen zu sehen, die Wohnungen aufsuchen, dort
       klingeln und ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Bock auf Querdenken“
       hochhalten. Sie besprühen außerdem den Gehweg mit den scheinbaren Nachnamen
       der jeweiligen Zielperson, gefolgt von den Worten „halt’s Maul“. Am Ende
       wird der Satz „Antifa in die Offensive!“ eingeblendet, gefolgt von „Mäurer
       bleibt ein Arschloch“.
       
       Mit Mäurer ist der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gemeint. Ziel
       der Aktion war, Querdenker:innen an ihren Wohnorten aufzusuchen, um sie
       zu markieren und aus der Deckung zu holen, erklärt die Videobeschreibung.
       
       Ein Youtube-Kommentar beschreibt die Aktion als „zu krass“, vergleicht die
       angewendeten Mittel mit den Mitteln von Nazis. „Man darf die Aktion der
       Vermummten, die zur erheblichen Verunsicherung und Einschüchterung in der
       Nachbarschaft führte, nicht unterschätzen“, findet auch die
       Pressesprecherin von Innensenator Mäurer.
       
       ## Antifa wertet Vorgehen als Einschüchterungsversuch
       
       Doch ganz gleich, wie falsch die Aktion gewesen sein mag: Leidtragende der
       Durchsuchung waren die Bewohner:innen der durchsuchten Wohnungen, nicht
       der Verdächtige. „Es ist tatsächlich ein bisschen wie im Film“, sagt
       Helfst. „Eine Durchsuchung ist eine gewaltvolle Veranstaltung.“ Die
       Betroffenen seien selbst nicht politisch aktiv. Das Trauma sei ihnen immer
       noch ins Gesicht geschrieben.
       
       Helfst bezeichnet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als
       Einschüchterungsversuch gegen linke, antifaschistische Politik. „Die
       Opposition sagt, hier würden ständig [2][Autos brennen], Linksterrorismus
       ist das große Wort der FDP.“ Daher vermutet er, Innensenator Mäurer stehe
       unter Erfolgsdruck bei einer „Gespensterjagd“ nach nicht-existentem
       Linksterrorismus.
       
       Wie Gerdts-Schiffler sagt, verortet Mäurer Teile der gewaltbereiten
       linksextremen Szene „an der Schwelle zum Linksterrorismus“. Er sehe die
       Gefahr des Abgleitens, „spricht aber noch nicht vom Linksterrorismus in
       Bremen.“
       
       Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir das Outing
       des Querdenkers irrtümlicherweise einer Organisation zugeschrieben. Den
       entsprechenden Satz haben wir entfernt.
       
       9 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=80kei5ZLdU8
   DIR [2] /Nach-Brandanschlag-auf-Bremer-Polizei/!5774294
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Petsche
       
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