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       # taz.de -- Neue Studie zur Erderhitzung: Keine Entspannung in Glasgow
       
       > Eine Studie zeigt: Realistisch führen die Klimapläne der Staaten zu 2,4
       > Grad Erwärmung, nicht zu 1,8 Grad. Am besten kommen die Skandinavier weg.
       
   IMG Bild: Das Great Barrier Reef leuchtet farbenfroh, leidet aber stark
       
       Glasgow taz | Die Tage der Begeisterung bei der Klimakonferenz in Glasgow
       sind vorbei. In der vergangenen Woche hieß es, alle Versprechen der Länder
       zusammen würden die Erderhitzung „nur“ auf 1,8 Grad steigen lassen und
       damit fast das Ziel der COP26 anpeilen, 1,5 Grad in Reichweite zu halten.
       Aber am Dienstag agierte der renommierte Thinktank „Climate Action Tracker“
       (CAT) als Spielverderber: Die Staaten seien auf dem Weg „zu einer Erwärmung
       von 2,4 Grad, wenn nicht mehr“, errechnete der Thinktank. Es gebe eine
       „massive Lücke bei Glaubwürdigkeit, Handeln und Verpflichtungen“, erklärte
       Niklas Höhne von CAT bei der Vorstellung der neuen Rechnung.
       
       Bisher hatten die Staaten mit Plänen für weniger Methan-Emissionen,
       weniger Waldvernichtung, weniger Kohle und mehr grünen Investments
       geglänzt. Der Erfolg: Mit den neuesten Klimaplänen [1][ergebe sich eine
       Erwärmung von 1,8 Grad bis 2100, meldete die Internationale
       Energieagentur.]
       
       Da sieht Höhne eine große Gefahr: „Wir können uns nicht zurücklehnen und
       entspannen“, warnt der CAT-Experte vom New Climate Institute. Denn „Mit
       allen Versprechen werden die Emissionen 2030 immer noch doppelt so hoch
       sein wie für 1,5 Grad nötig.“ Mit den Ankündigungen für 2030 ergebe sich
       eine Erwärmung von 2,4 Grad, die aktuell geltenden Pläne würden sogar zu
       2,7 Grad führen.
       
       Auch die Aussicht auf 1,8 Grad, falls alle für 2050 ausgegebenen Ziele
       erreicht würden, sei „weit davon entfernt, eine gute Nachricht zu sein“,
       erklärte Bill Hare vom Thinktank Climate Analytics. „Die übergroße Mehrheit
       der Ziele für 2030 steht nicht im Einklang mit der Klimaneutralität“, sagte
       er. „Zwischen den Netto-Null-Zielen der Regierungen und ihren jetzigen
       Politikern klafft eine Lücke von fast 1 Grad Celsius Erwärmung.“
       
       ## Kein Land tut genug
       
       Kein Grund zum Zurücklehnen ist auch der [2][neue „Klima-Bewertungsindex“,
       mit dem die Umweltgruppen CAN und Germanwatch und das New Climate]
       Institute jährlich die Bilanz der einzelnen UN-Staaten beim Klimaschutz
       ziehen. Auch in der 17. Ausgabe des „Climate Change Performance Index“
       (CCPI) bleiben die ersten drei Plätze frei – kein untersuchtes Land tut
       genug, um auf den 1,5-Grad-Pfad einzuschwenken und ein „sehr gutes“ Zeugnis
       zu bekommen.
       
       Am besten bei den nicht so Tollen ist Dänemark, gefolgt von Schweden und
       Norwegen. Dann folgen Großbritannien, Marokko, Chile und Indien. Ganz unten
       wie immer: Kasachstan, Saudi-Arabien und der Iran, auch Kanada, Korea,
       Australien, Russland und die USA befinden sich in der Abstiegszone.
       
       Der CCPI bewertet 64 Staaten, die weltweit für mehr als 90 Prozent der
       Klima-Emissionen verantwortlich sind. Die Klimaleistung der Länder misst er
       nach CO2-Emissionen, erneuerbaren Energien, Effizienz und Klimapolitik. In
       den aktuellen Zahlen von 2019 ist der Covid-Einbruch von Wirtschaft und
       Emissionen noch nicht berücksichtigt.
       
       Wer im Ranking erfolgreich sein will, müsse früh mit ernsthafter
       Klimapolitik angefangen haben und „gut auf allen Gebieten sein“, es reiche
       also nicht, etwa nur für Erneuerbare zu bauen. „Der Index zeigt, wie
       wichtig kohärente Politik ist“, sagte Jan Burck, CCPI-Verantwortlicher bei
       Germanwatch, „etwa bei Subventionen für fossile Energien.“
       
       ## Deutschland auf Platz 13
       
       Deutschland hat sich um 6 Plätze auf den 13. Rang hochgearbeitet – Grund
       sind vor allem die verschärften Klimaziele nach dem Beschluss des
       Bundesverfassungsgerichts. Die Bundesrepublik liegt damit hinter Litauen
       und Malta, aber vor Finnland, der Schweiz und Portugal. Die EU als ganze
       ist auf Platz 22 abgesackt, weil Aufsteiger wie Skandinavien und die
       Niederlande nicht ausgleichen können, wie die Politik von Slowenien,
       Tschechien, Polen und Ungarn die Bilanz verhagelt.
       
       [3][Aber auch die G20 sieht schlecht aus:] Zwar sind mit Großbritannien,
       Indien, Deutschland und Frankreich 4 Mitglieder im „guten“ Bereich, aber 11
       bekommen ein niedriges oder sehr niedriges Rating. China, mit über 30
       Prozent der größte Emittent, ist ebenfalls um 4 Plätze auf 37 abgerutscht,
       weil trotz gutem Erneuerbaren-Ausbau weiter hohe Emissionen dominieren. Die
       USA geben das Schlusslicht der Trump-Jahre ab und klettern wegen Joe Bidens
       Versuchen, ernsthaften Klimaschutz zu betreiben, immerhin auf Platz 55.
       
       Wie vorsichtig man insgesamt mit Klimadaten sein muss, zeigt allerdings
       eine Recherche der Washington Post. Demnach sind die realen
       Treibhausgasemissionen in vielen Ländern deutlich höher als offiziell
       gemeldet. Für das Jahr 2019 berechneten Wissenschaftler eine Differenz von
       8 bis 13 Milliarden Tonnen, bei mehr als 50 Milliarden Tonnen
       Gesamtausstoß. Teils lägen die Fehler an problematischen Regeln und
       unvollständigen Daten, teils an absichtlichen Manipulationen. Größtes
       Problem: Die Menge an CO2, das natürliche Senken an Land speichern, werde
       überschätzt. Daneben spielen nicht erfasste Methan-Emissionen eine wichtige
       Rolle.
       
       9 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.iea.org/commentaries/cop26-climate-pledges-could-help-limit-global-warming-to-1-8-c-but-implementing-them-will-be-the-key
   DIR [2] https://newclimate.org/2021/11/09/the-climate-change-performance-index-2022/
   DIR [3] /Szenarien-zur-Klimakrise/!5804148
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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