# taz.de -- Milde Strafe für rechtsextreme Angriffe: „Ein verheerendes Signal“
> Ein Rechtsextremist hat einen Journalisten massiv bedroht. Das
> Braunschweiger Amtsgericht stellte das Verfahren gegen eine kleine
> Geldstrafe ein.
IMG Bild: Drohung gegen Journalist David Janzen: Sein Foto vor einem Kreuz mit Kerzen
Braunschweig taz | Die Botschaft war deutlich: Wir wissen, wo du wohnst,
wir können jederzeit deine Familie angreifen. In Braunschweig hat das
Amtsgericht das Verfahren gegen den rechtsextremen Kampfsportler Pierre B.
eingestellt. B. wird eine Attacke auf die Eingangstür eines
Mehrfamilienhauses vorgeworfen, in dem der Journalist [1][David Janzen]
wohnte. Der Angeklagte muss bloß eine Geldstrafe von 240 Euro begleichen.
Bereits zuvor waren weitere Ermittlungsverfahren wegen [2][Morddrohungen
aus der regionalen rechten Szene] eingestellt worden. „Die bittere
Erkenntnis nach monatelangen Bedrohungen und Aktionen der Neonazis gegen
mich und meine Familie ist, dass die Täter ohne wirkliche Konsequenzen
davonkommen“, sagt Janzen der taz.
Vor über zwei Jahren, am 17. Oktober 2019, wurde eine ätzend riechende
Flüssigkeit in seinen Briefkasten geschüttet. Essigessenz oder -säure
vermutet Janzen, der beim Öffnen des Briefkastens Atemwegreizungen erlitt.
Einen Tag später wurde Pierre B. von einer kurz zuvor installierten
Überwachungskamera der Polizei gefilmt, wie er Ketchup an die Haustür
spritzt.
Am 30. Dezember des Jahres klagte die Staatsanwaltschaft den stadtbekannten
Rechtsextremen an. Die Anklage umfasste fünf Fälle wegen Sachbeschädigung,
drei Fälle versuchter Sachbeschädigung und einen Fall von Körperverletzung.
Die Staatsanwaltschaft ging von einem besonderen öffentlichen Interesse an
der Strafverfolgung aus. Der Kampfsportler gehörte der rechten Gruppe
„Adrenalin Braunschweig“. Auf Facebook stellte sie sich jahrelang militant
dar, verbreitete Neonazi-Parolen und ist für verschiedene Gewalttaten
verantwortlich. Im Juni 2019, also vor den Attacken auf Janzen, löste sich
die Gruppe formal auf.
2016 stand Pierre B. schon einmal vor Gericht: Im Februar des Jahres hatte
er einen Mitarbeiter der sozialistischen Jugendorganisation „Die Falken“ zu
Boden geworfen und geschlagen. Zwei Wochen später brach er einem Schüler
der Neuen Oberschule den Kiefer und fügte einem zweiten Schüler eine
Gehirnerschütterung zu. Im Juni griff er eine Polizeibeamtin an. Einen
Monat später, nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft aus der EM
ausgeschieden war, schlug er beim Public Viewing einen Mann zu Boden und
trat ihn.
Nach diesem Verfahren stand Pierre B. unter Bewährung. Als er wieder
zuschlug erhielt er zwar eine Haftstrafe, die aber wegen einer „guten
Sozialprognose“ erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
In Braunschweig stört sich die rechte Szene seit Jahren an der Arbeit von
Janzen. Er berichtet regelmäßig über ihre Aktivitäten in der Stadt – von
den rechten Hooligans und Die Rechte bis zu den Anhängern der AfD-Jugend
und Mitgliedern der AfD. Regelmäßig schreibt er im „Rechten Rand – Das
antifaschistische Magazin“. Lange trat er auch als Sprecher des „Bündnis
gegen Rechts Braunschweig“ auf.
Bereits 2019 hatte das Amtsgericht ein Ermittlungsverfahren wegen
[3][Morddrohungen in einem Video auf Instagram] und an der Tür eingestellt.
Kurz nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke
durch den Rechtsextremen Stephan E. am 2. Juni des Jahres hatte ein
Anhänger von „Adrenalin Braunschweig“ im Clip gedroht: „Gestern Walter,
heute Janzen“. Wenig später wurde „Wir töten dich! Janzen“ an die Haustür
geschrieben und Aufkleber von „Adrenalin Braunschweig“ hinterlassen, die
einen stilisierten Schlagring zeigten.
Ob Morddrohungen im Netz oder an der Haustür, die Ketchup- und
Säureattacke, das Aufstellen von Kerzen und Grabkerzen mit meinem Porträt,
Drohschreiben mit einem gezeichneten Galgenstrick oder die dutzenden
Nazi-Aufkleber am Haus: „Fast alle Ermittlungsverfahren wurden
eingestellt“, sagt Janzen. „Mal, weil die Polizei keine Täter ermitteln
konnte, mal wurde von einer Anklage abgesehen, weil Täter bereits
anderweitig verurteilt wurden. Und selbst in diesem Fall, wo die Polizei
einen Verdächtigen sogar bei einer seiner Taten gefilmt hat, wird das
Verfahren gegen eine lächerliche Geldauflage eingestellt.“ Für ihn ein
„klares Versagen der Justiz und ein fatales Signal“ an die Szene.
Die Signalwirkung sei verheerend, betont ebenso Kristin Harney vom
Regionalbüro Süd der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen
Rechtsextremismus. Betroffene rechter Gewalt würden von den
Strafverfolgungsbehörden aufgefordert, Strafanzeigen zu erstatten. „Doch
die fehlenden strafrechtlichen Konsequenzen führen zu einem weiteren
Vertrauensverlust in die Justiz“, sagt Harny. Die Täter nähmen war, dass
„Bedrohungen und Angriffe auf ideologische Feindbilder folgenlos bleiben“.
Das könne eine weitere Radikalisierung zur Folge haben. Die mangelnde
Strafverfolgung sei auch mitverantwortlich für das „wachsende
selbstbewusste Auftreten der neonazistischen Szene im Kommunalwahlkampf
oder in der Bedrohung von Ratsmitgliedern“, warnt Harny.
10 Nov 2021
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## AUTOREN
DIR Andreas Speit
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