# taz.de -- Studie über Mittelschichtmilieus: Das Märchen vom Abstieg
> Die Ampel-Parteien haben die großen sozialen Fragen bislang umschifft.
> Doch ohne Zumutungen für die Mittelschicht wird es nicht gehen.
IMG Bild: Das Problem ist zunächst: Mittelschicht ist nicht gleich Mittelschicht
Es ist auffällig, dass im Sondierungspapier der künftigen Ampelkoalition
große Fragen der Sozialpolitik umschifft werden: Rente und Pflege. Hier
will die künftige Regierung alles eher beim Alten belassen, Pflegenotstand
und Renten-Finanzprobleme hin oder her. Bei beiden Themen müsste man
unangenehme Verteilungsfragen ansprechen, die vor allem die
[1][Mittelschichtmilieus] betreffen.
Die Mittelschicht aber möchte beitragsmäßig und steuerlich möglichst
entlastet werden. Rente, Pflege, Bildung, Gesundheit: der Staat und die
Sozialkassen sollen bitteschön möglichst umsonst liefern. Das kann so
natürlich nicht funktionieren.
Das Problem ist zunächst: Mittelschicht ist nicht gleich Mittelschicht. Der
neue [2][Verteilungsbericht des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts] kommt zu
dem Schluss, dass die Mittelschichtseinkommen in den Jahren vor Corona im
Schnitt gewachsen sind, weil Arbeitskräfte gesucht werden.
Die [3][untere Mittelschicht aber profitiert weniger] und litt stark unter
Corona. Selbstständige haben teilweise hohe Einkommensverluste erlitten.
Hohe Wohnkosten in den Metropolen können zur Verarmung führen, falls man
nicht geerbt hat.
## Auseinandersetzung mit Verteilungsfragen wird blockiert
In den Mittelschichtmilieus zeigen sich feine Bruchlinien wie in einer
Porzellanschüssel mit Sprung. Will man die Solidarsysteme in einer
alternden Gesellschaft erhalten, werden aber Zumutungen kommen müssen.
Beitragsbemessungsgrenzen und Sozialbeiträge für Gesundheit und Pflege
werden steigen, Renten gedämpft werden müssen. Die Erbschaftsteuer sollte
erhöht werden. Brauchen Hochverdiener kostenfreie Kitas? Das [4][ärmste
Zehntel der Bevölkerung hat übrigens keine Einkommenszuwächse] erlebt.
Das Märchen von der absteigenden Mittelschicht blockiert die
Auseinandersetzung mit Verteilungsfragen. Auch die kommende rot-grün-gelbe
Koalition vertagt. Das geht nicht ewig gut, sondern erhöht nur den Druck.
Wer da mal ran muss, ist jetzt schon nicht zu beneiden.
10 Nov 2021
## LINKS
DIR [1] /Mittelschicht/!t5008928
DIR [2] https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008182
DIR [3] /Corona-und-die-Selbststaendigen/!5731025
DIR [4] /Hartz-IV-Saetze-und-Corona/!5807053
## AUTOREN
DIR Barbara Dribbusch
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