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       # taz.de -- Migranten aus Belarus: Die Ukraine macht dicht
       
       > Die Regierung in Kiew will die Grenze zum Nachbarn Belarus stärker
       > schützen. Sie will so verhindern, dass Geflüchtete von dort ins Land
       > kommen.
       
   IMG Bild: Flüchtlinge in einem Wald auf polnischem Territorium nahe der Grenze zu Belarus
       
       Kiew taz | Die Ukraine will den Schutz der eigenen Grenze zum Nachbarland
       Belarus weiter verstärken. Dies erklärte der stellvertretende Innenminister
       Jewhenij Jenin gegenüber dem Nachrichtenportal rbk.ua. Insgesamt, so der
       Minister, habe man die Lage an der Grenze völlig unter Kontrolle. „Unsere
       Nachbarn müssen verstehen, dass die ukrainischen Grenzen für derartige
       Provokationen gerüstet sind.“ Man habe schon Überlegungen angestellt, wo
       eventuelle illegale Grenzübertritte versucht werden könnten.
       
       Belarus und die Ukraine trennt eine über tausend Kilometer lange Grenze.
       Ein großer Teil dieser Grenze befindet sich im Sperrgebiet um Tschernobyl.
       Am Dienstag hatte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärt,
       er schließe nicht aus, dass sich die Flüchtlinge in Belarus auch auf den
       Weg an die Grenze zur Ukraine machen könnten. Das hatte ukrainische
       Befürchtungen verstärkt, die derzeit an der belarussisch-polnischen Grenze
       kampierenden Flüchtlinge könnten in naher Zukunft versuchen, in die Ukraine
       zu gelangen.
       
       Doch auch in der ukrainischen Gesellschaft gibt es wenig Sympathien für die
       Flüchtlinge. Auf seiner Facebook-Seite wirft der ukrainische Politologe
       Andrij Smolij Präsident Wolodimir Selenski vor, diese Gefahr zu
       verschweigen. Der Präsident habe wohl noch nicht bemerkt, was in
       unmittelbarer Nachbarschaft vor sich gehe. „Die Nächsten können wir sein“,
       warnt Smolij.
       
       Der Journalist Jurij Romanenko redet sogar dem Einsatz von Gewalt gegen
       Geflüchtete das Wort. Europa müsse endlich verstehen, dass man auf
       derartige Ankömmlinge auch schießen müsse, wenn man sichere Grenzen haben
       wolle, schreibt er auf dem Portal gordonua.com.
       
       ## Keine Visafreiheit
       
       „Wir haben Chassiden aus dem Ausland während der Coronapandemie nicht zu
       ihrem Neujahrsfest in die Ukraine einreisen lassen … und so sind wir doch
       wohl auch in der Lage, irgendwelche Asiaten von unseren Grenzen in die
       belarusischen Wälder zurückzutreiben“, schreibt ein Kostjantin Maschowetz,
       Oberst und Experte für Militärplanungen, auf der Plattform 24tv.ua.
       
       Unterdessen widerspricht das oppositionelle belarussische Portal
       „charter97“ offiziellen Verlautbarungen, die Migranten seien aus Staaten
       eingereist, mit denen Visafreiheit vereinbart sei. „Weder Syrien noch
       Afghanistan oder der Irak finden sich in der Liste der Länder, deren Bürger
       visafrei nach Belarus einreisen dürfen“, so das Portal.
       
       Auch in Belarus herrschen viel Missmut und Unverständnis gegenüber den
       Flüchtlingen. Gegenüber der taz berichtet die Gewerkschafterin Lizaveta
       Merliak aus der Grenzstadt Hrodno, dieser Tage habe sie viele
       fremdenfeindliche Zeilen auf dem Chatdienst ihrer unabhängigen Gewerkschaft
       gelesen. Gleichwohl gebe es aber auch viele MitbürgerInnen, die mit den
       Flüchtlingen mitfühlten und sich um diese wegen der eisigen Kälte sorgten.
       
       In Hrodno befindet sich einer von fünf Flughäfen, die ausgebaut werden
       sollen, [1][damit noch mehr Maschinen mit Migranten in Belarus landen
       können]. „Wir informieren uns über unabhängige Portale und Kanäle. Die
       staatlichen Nachrichten wollen wir hier lieber nicht sehen“, so die
       Gewerkschafterin.
       
       ## Stimmungsmache gegen die EU
       
       Und in diesen wird vor allem gegen die EU Stimmung gemacht. Wenn
       Lukaschenko wollte, wären schon morgen keine Migranten mehr in Belarus,
       sagt Igar Tur vom staatlichen belarussischen Fernsehkanal ANT. „Doch das
       Problem der Migranten ist ein Problem der EU. Ich kann nicht
       nachvollziehen, warum Lukaschenko die Probleme von Merkel, Macron und
       anderen lösen soll. Die belegen uns mit Sanktionen, und dann beklagen sie
       sich darüber, dass Minsk nicht ihre Probleme löst.“
       
       „Glauben Sie mir eins: Weder der Schutz der Grenzen [2][der EU] noch der
       Schutz polnischer Bürger, die sich von Kolonnen von Migranten um den Schlaf
       gebracht sehen, gehören zu den nationalen Prioritäten von Belarus“ zitiert
       svaboda.org den Historiker Vadim Gigin.
       
       Unterdessen ist der Vorschlag des außenpolitischen Sprechers der
       SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, ein Drittland wie die Ukraine könnte
       doch die Migranten aus Belarus unterbringen, während diese ihre
       Asylverfahren durchliefen, in der Ukraine auf Ablehnung gestossen.
       
       Man habe den Vorschlag von Herrn Schmid auf der Sitzung des Nationalen
       Sicherheits- und Verteidigungsrates besprochen, berichtete dessen Sekretär
       Olexij Danilow am frühen Mittwoch Abend. „Und wir schlagen den
       Sozialdemokraten vor, die Flüchtlinge doch bei sich zu Hause aufzunehmen,
       zwei, drei oder auch fünf.“ Sollte der Platz nicht reichen, könne man diese
       auch in den Büros des Bundestages unterbringen.
       
       10 Nov 2021
       
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