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       # taz.de -- Schließung einer Obdachlosentagesstätte: „Warmer Otto“ kaltgestellt
       
       > Die bekannte Tagesstätte für Wohnungslose in Moabit macht dicht. Die
       > Empörung bei Betroffenen und Helfer:innen ist groß.
       
   IMG Bild: Viele kommen nicht nur wegen des Essens – für manche ist dies der einzige Ort des sozialen Treffens
       
       Berlin taz | Vor dem „Warmen Otto“ hat sich ein gutes Dutzend Männer
       versammelt, viele haben Koffer dabei oder ihr Hab und Gut in Plastiktüten
       verpackt. Es ist kurz vor 13 Uhr, alle warten auf die Öffnung der
       Wohnungslosentagesstätte in Moabit, wo es gleich warme Suppe gibt. Dass
       damit [1][ab nächster Woche Schluss] ist, wollen die meisten nicht
       kommentieren.
       
       Nur ein chic gekleideter älterer Herr mit Hut und schwarzem Mantel will was
       sagen: „Ich sehe das überhaupt nicht ein“, beschwert er sich. „Ich bin
       jeden Tag hier, das gilt auch für die meisten anderen. Es ist Familie, wir
       kennen uns ja alle. Außerdem kann man telefonieren, duschen, Wäsche
       waschen. Man fühlt sich geborgen.“
       
       In den 38 Jahren seines Bestehens ist der „Warme Otto“ zu einer
       Institutionen der Wohnungslosenhilfe geworden. Hunderte Menschen ohne
       festen Wohnsitz geben ihn als Postadresse an, im Keller stehen Spinde zur
       Unterbringung von Besitz, es gibt eine Kleiderkammer, Beratung, auch eine
       spezielle für EU-Bürger*innen – und man kann tagsüber im Warmen sitzen. Im
       letzten Coronawinter, wo fast alle Tagesangebote für Wohnungslose dicht
       waren, wurde der Otto zu einer besonders beliebten – und stets vollen –
       Anlaufstelle.
       
       Umso überraschender war die Nachricht, dass der Betreiber, die Berliner
       Stadtmission, den Otto dichtmacht: „Die bisherigen Räumlichkeiten werden
       den gewachsenen fachlichen und rechtlichen Anforderungen nicht mehr gerecht
       und stellen keine zukunftsfähige Basis dar“, heißt es auf der Webseite. Man
       sei aber auf der Suche nach einem neuen Ort.
       
       ## Unterschreiben gegen Schließung
       
       Kai Oeynhausen, der nach eigenem Bekunden seit vier Jahren Gast im Otto ist
       und die Sache mit einer E-Mail an die Berliner Presse bekannt machte,
       findet die Begründung „an den Haaren herbeigezogen“. Die Räumlichkeiten
       seien nicht erst seit gestern heruntergekommen, erklärt er wütend. „Klar
       müsste da was gemacht werden, aber wieso schließt man jetzt – wo der Winter
       anfängt?“ Bis Ersatz gefunden sei, müsse der Otto aufbleiben, fordert er –
       und startete eine Unterschriftenaktion.
       
       160 Menschen habe er schon auf seiner Liste, erzählt er stolz am Telefon.
       Auch in der Tagesstätte liegen Listen aus, zwischen 300 und 400 sollen dort
       in einer knappen Woche unterschrieben haben.
       
       Auch die AG der Berliner Wohnungslosentagesstätten fordert die Offenhaltung
       des Otto. „Die Berliner Wohnungslosentagesstätten kommen jetzt schon an
       ihre Auslastungsgrenzen. Die Schließung des Warmen Ottos würde die
       Situation extrem verschärfen“, heißt es in einer Presseerklärung.
       
       Ebenfalls empört ist eine ältere Nachbarin des Warmen Otto namens Edeltraud
       Immel-Sauer. Nachdem sie von der Schließung erfahren hat, hat sie einen
       Brief formuliert, der an die Stadtmission und Presse adressiert ist. Im
       Brief protestiert sie gegen die Schließung kurz vor Wintereinbruch und
       fordert die Verantwortlichen dazu auf, den Warmen Otto erhalten zu lassen.
       
       ## Niemand hat mehr Lust
       
       Karen Holzinger, Leiterin des Fachbereichs Wohnungslosenhilfe der
       Stadtmission, versteht die Empörung, erklärt sich aber für machtlos. Es sei
       leider nicht gelungen, ein neues Team auf die Beine zu stellen, nachdem das
       alte in Rente gegangen sei. Drei neue Sozialarbeiter hätten gekündigt, zwei
       erst Mitte Oktober.
       
       Offenbar seien die Arbeitsbedingungen im Otto, auch wegen baulicher Mängel,
       nicht mehr annehmbar. „Der Generationenwechsel ist uns nicht gelungen“,
       bedauert sie. Immerhin soll die Poststelle bis Jahresende an drei Tagen pro
       Woche öffnen. Auch an ihre Spinde könnten die Menschen so lange noch ran,
       verspricht Holzinger.
       
       Ihre Hoffnung, schon bald in Mitte etwas Neues zu eröffnen, könnte aber
       verfrüht sein. Der neue Bezirksstadtrat für Soziales, Carsten Spallek
       (CDU), erklärte: Der Bezirk plane „ein vergleichbares Angebot“ –
       gegebenenfalls auch mit einem anderen Träger.
       
       11 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berliner-stadtmission.de/wir-in-den-medien/pressemitteilungen/aktuelle-pressemitteilungen/pressemitteilung-traditionsreiche-wohnungslosentagesstaette-warmer-otto-muss-schliessen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Shoko Bethke
   DIR Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
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