URI: 
       # taz.de -- Militärputsch in Sudan: Staatsstreich mit Ansage
       
       > Sudans Generäle haben die zivile Übergangsregierung abgesetzt, die das
       > Land zur Demokratie führen sollte.
       
   IMG Bild: Protest gegen die Machtübernahme des Militärs in den Straßen von Khartum am 25. Oktober
       
       Leider war der Militärputsch in Sudan, der am Montag früh vor Sonnenaufgang
       stattfand, zu erwarten. Schon seit Militär und Zivilisten vor zwei Jahren
       nach dem Sturz des Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir eine gemeinsam
       Regierung formierten, war klar, dass es eine Heirat ohne Liebe sein würde.
       Während die Armee wichtige Zugangsstraßen und Brücken in der Hauptstadt
       Khartum abschloss, strömten protestierende Menschen auf die Straßen. Ein
       Blutbad ist zu befürchten.
       
       Das Internet ist blockiert und der Flughafen ist geschlossen, aber trotzdem
       kommen Bilder aus Sudan von Demonstranten, die Barrikaden bauen, in
       Wohnvierteln von Khartum wie auch in Omdurman, die Zwillingstadt auf der
       anderen Seite des Nils. Sie stecken Autoreifen in Brand und skandieren:
       „Die Leute sind stärker, stärker“ und „Rückzug ist keine Option!“ Die
       Kommunistische Partei rief zu Streiks und Protesten auf. Auch in anderen
       Städten im Land wie El Obeid, Port Sudan und Atbara wird gegen den Putsch
       protestiert.
       
       Es waren dieselben Bürger, die im Dezember 2018 massenhaft auf die Straßen
       gingen und damit die Basis legten für den Umsturz von April 2019, als der
       [1][seit 1989 regierende Bashir] abgesetzt wurde. Unter nationalem und
       internationalem Druck vereinbarten damals nach schwierigen Verhandlungen
       Militärs und Zivilisten, eine gemeinsame Regierung zu gründen.
       
       Seitdem gab es einen Anschlag auf Premierminister Abdallah Hamdok und einen
       gescheiterten Putsch im vergangenen September. [2][Vorige Woche erst
       demonstrierten] konservative Islamisten, die eine Militärregierung wollen,
       und kurz danach gab es [3][einen Gegenprotest von zivilen Organisationen].
       Berichten zufolge wurde Hamdok jetzt gedrängt, den Militärputsch zu
       unterstützen, lehnte dies jedoch ab und forderte stattdessen die
       Bevölkerung dazu auf, mit friedlichen Protesten fortzufahren, um „die
       Revolution zu verteidigen“.
       
       Die Militärs unter Leitung von General Abdel-Fattah Burhan – Vorsitzender
       des Souveränen Rates, die höchste Macht im Land – waren schon Teil des
       alten Regimes von Bashir. Burhan und der Vize-Vorsitzende des Rates,
       General Daglo Hametti, spielten eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg in
       Darfur im Westen des Landes, wo nach Schätzungen in den Jahren ab 2003 eine
       halbe Million Menschen ums Leben kamen.
       
       Der Internationale Strafgerichtshof ICC sucht Bashir deswegen per
       Haftbefehl wegen Völkermordes und hat Sudan gebeten, Bashir, der seit
       seinem Sturz wegen Korruption im Gefängnis sitzt, auszuliefern. Wenn es zu
       so einen Verfahren kommt, könnte er aussagen, wofür die beiden Generäle
       Burhan und Hametti in Darfur verantwortlich waren, und das könnte
       vielleicht zu einer Anklage gegen beide führen.
       
       Sudans Militär hätte viel zu verlieren in einer Demokratie. Sie waren nicht
       nur die bewaffnete Macht, sie hatten auch riesige wirtschaftliche
       Interessen, zu denen Bashir ihnen Zugang gegeben hat und die sie bis heute
       halten. So gaben sie erst vor Kurzem und nach langem Zögern zu, Steuern auf
       ihre Geschäftseinnahmen zu zahlen.
       
       Die desaströse Lage der sudanesischen Wirtschaft war ein anderer Feind der
       zivilen Revolution. Premierminister Hamdok hat dazu beigetragen, dass Sudan
       sich langsam von den Jahren des internationalen Paria-Status unter Bashir
       erholte. Das Land wurde 2020 von der staatlichen Terrorunterstützerliste
       der USA gestrichen, was die Tür für dringend benötigte internationale
       Kredite und Investitionen öffnete. Aber die Wirtschaft hat mit dem Schock
       einer Reihe von Reformen zu kämpfen, die von internationalen
       Kreditinstituten gefordert wurden.
       
       Ein sudanesischer Geschäftsmann, der in 2019 noch auf den Barrikaden stand
       und für ein Ende der Bashir-Diktatur stritt, erzählte schon Ende vorigen
       Jahres, dass er Kontakt aufgenommen habe mit den Militärs. „Die helfen uns
       Geschäftsleuten. Ich kann bei einer Zusammenarbeit mit ihnen Geld
       verdienen. Das schaffte ich nicht mit den Zivilisten“.
       
       Obwohl die wirtschaftliche Lage der Sudanesen sehr schwierig bleibt, mit
       hohen und rasch steigenden Preisen für Nahrungsmittel und Benzin, aber ohne
       Gehaltserhöhungen, haben die Aktvisiten von 2019 noch genügend Kraft, um
       weiterzukämpfen.
       
       Nach der großen Protestdemonstration zur Unterstützung der zivilen
       Regierung vorige Woche schrieb der junge Aktivist Abdelmonim Ali, der taz
       auf Whatsapp: „Wir haben Freunde verloren während der Revolutionen vor
       beinahe drei Jahren, das soll nicht umsonst gewesen sein. Wir müssen weiter
       friedlich protestieren und hoffen, dass unsere massenhaften Demonstrationen
       die Militärs in die Kasernen zurückdrängen“.
       
       25 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sudans-Ex-Diktator-Omar-al-Baschir/!5788399
   DIR [2] /Machtkampf-in-Sudan/!5805542
   DIR [3] /Proteste-in-Sudan/!5810077
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
       ## TAGS
       
   DIR Sudan
   DIR Khartum
   DIR Omar Hassan al-Bashir
   DIR GNS
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
   DIR Sudan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sudan nach dem Militärputsch: Der Widerstand wächst
       
       Das Militär ist nach seiner Machtergreifung weitgehend isoliert. Die
       Demokratiebewegung ist zuversichtlich, General Burhan in die Knie zu
       zwingen.
       
   DIR Sudan nach dem Putsch: Hamdok wieder zu Hause
       
       Der entmachtete Premier durfte nach Hause zurückkehren, unter welchen
       Bedingungen ist unklar. Maas spricht von einer „katastrophalen Entwicklung“
       im Sudan.
       
   DIR Sudan nach dem Putsch: Mit langem Atem gegen die Militärs
       
       Bei den Protesten gegen die Machtergreifung des Militärs in Sudan setzt die
       Demokratiebewegung auf zivilen Ungehorsam.
       
   DIR Putsch in Sudan: Das Drehbuch der Konterrevolution
       
       Sudans Generäle agieren wie zuvor ihre mächtigen Freunde in Ägypten. Sie
       haben die Bevölkerung und wichtige internationale Partner gegen sich.
       
   DIR Putsch in Sudan: Die einsame Protestbewegung
       
       Im Sudan wollen die Generäle wieder die ganze Macht. Der Protest des
       Auslands ist bigott: Die zivile Übergangsregierung wurde einst allein
       gelassen.
       
   DIR Mutmaßlicher Putschversuch in Sudan: Angriff auf zivile Regierung
       
       Bewaffnete haben Premier Hamdok unter Hausarrest gestellt. Minister sind
       festgenommen und an einen unbekannten Ort verbracht worden.
       
   DIR Proteste in Sudan: Machtprobe in Khartum
       
       In Sudans Hauptstadt mobilisiert die Demokratiebewegung zum Protest gegen
       eine neue Militärdiktatur. Die Angst vor einem Gewalt-Ausbruch ist groß.
       
   DIR Machtkampf in Sudan: Lage in Khartum spitzt sich zu
       
       Eine neue Protestbewegung in Sudan fordert die Wiederherstellung der 2019
       beendeten Militärherrschaft. Die zivile Regierung steht unter Druck.