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       # taz.de -- Verschwörungserzählungen und Corona: Das Virus in den Köpfen
       
       > Eine neue Studie zeigt, wie Verschwörungsideologien in der Pandemie
       > grassieren. Die Politik schaue zu, ohne zu handeln, beklagen die
       > Forscher:innen.
       
   IMG Bild: Tankstelle in Idar-Oberstein, an der ein Verschwörungsideologe einen Tankwart erschossen haben soll
       
       Berlin taz | Anschläge auf Impfzentren, Gewalt bis zum [1][mutmaßlichen
       Mord an einem Tankwart], Angriffe gegen Medienschaffende,
       Kommunalpolitiker:innen und Ärzt:innen: „Erschreckend“, sagt die
       Forscherin Pia Lamberty, seien die vielen Vorfälle im Zusammenhang mit
       [2][Verschwörungstheorien zur Coronakrise].
       
       Aber sie meint auch das Missverhältnis zwischen der Verrohung der
       Gesellschaft und der geringen Beachtung, die diese Enwicklung von der
       Politik erfährt. Im Bundestagswahlkampf habe das Thema praktisch keine
       Rolle gespielt, und auch bei den Triellen der Kanzlerkandidaten und ihrer
       Kontrahentin sei über innere Sicherheit nur wenig diskutiert worden, sagt
       Lamberty der taz.
       
       Mit einer am Mittwoch vorgestellten Studie will die von Lamberty und ihrem
       Kollegen Josef Holnburger angeführte gemeinnützige Organisation CeMAS
       einiges nachholen. Mit „Welche Rolle Verschwörungsideologien in der
       Demokratie spielen“ ist das aus Anlass der Bundestagswahl erstellte
       120-Seiten-Papier überschrieben. Denn, so Lamberty, es habe in der Zeit der
       Coronapandemie nicht nur die Debatte gefehlt, sondern auch die
       Datengrundlage – sowohl, was wissenschaftliche Untersuchungen angeht, als
       auch etwa empirische Informationen in der Kriminalstatistik.
       
       Den vom Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Querdenken-Protesten
       verwendeten Begriff der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des
       Staates“ hält Lamberty für falsch. Denn damit würden
       Verschwörungsideologien auf solche reduziert, die als anti-staatlich gelten
       und somit die rechtsextreme Mobilisierung insgesamt unterschätzt. Vom
       „gesellschaftlichen Klimawandel“, den vor einem halben Jahr der Präsident
       des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, als Reaktion auf wachsenden
       Antisemitismus und Rassismus forderte, sehen die CeMAS-Aktivist:innen keine
       Spur.
       
       ## Auch die Bild ist in der „alternativen Öffentlichkeit“ beliebt
       
       Laut ihrer Studie wurde die Coronapandemie zum vereinigenden Moment einer
       Szene, die zuvor „nur lose miteinander vernetzt“ gewesen sei. „Durch die
       Covid-19-Pandemie hatte man auf einmal einen gemeinsamen Feind, der auch
       sonst scheinbar unüberbrückbare Gegensätze verschwinden ließ“, schreiben
       die Forscher:innen.
       
       Zwar seien die Teilnehmerzahlen bei Coronaprotesten auf der Straße
       rückläufig, nicht aber die Aktivitäten vor allem in den
       Telegram-Netzwerken. Das verschwörungsideologische Milieu sei nicht
       verschwunden. Die reichweitenstärksten Nachrichten auf Telegram hätten auch
       noch im September durchschnittlich 275.000 Aufrufe pro Tag erzielt. Dort
       wurde nicht nur für die AfD mobilisiert, sondern auch für
       verschwörungsideologische Kleinstparteien [3][wie Die Basis] – oder auch
       für Wahlenthaltung.
       
       In der „alternativen Öffentlichkeit“ behaupten sich laut CeMAS-Studie nicht
       nur einschlägige Kanäle wie der Ableger des russischen Staatsmediums RT
       Deutsch, Epoch Times, Tichys Einblick und der Blog von Boris Reitschuster.
       Auch etablierte Medien würden in verschwörungsideologischen und
       rechtsextremen Kanälen gern verbreitet, allen voran – noch vor Reitschuster
       oder Epoch Times – bild.de, gefolgt von den Online-Portalen der Welt und
       des Focus.
       
       Die neue Bundesregierung sehen die Forscher:innen vor einer
       „Mammutaufgabe“. Sie müsse den Weg aus der Pandemie meistern, wozu eine
       höhere Impfquote dringend erforderlich sei, „und dies in einer Zeit, in der
       gegen Impfungen massiv mobilisiert wird“. Dazu komme, dass eine Pandemie
       das Potenzial habe, gesellschaftliche Spannungen weiter zu verschärfen.
       
       Im übrigen werde das Milieu der Verschwörungsideolog:innen mit
       Abebben der Coronakrise nicht einfach verschwinden. Das nächste Thema
       dieser Szene haben die Wissenschaftler:innen bereits klar ausgemacht:
       die Klimakrise, „von individueller Leugnung des Klimawandels über gezielte
       Verbreitung von Desinformation bis hin zu verschwörungsideologischer
       Mobilisierung“.
       
       27 Oct 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Meisner
       
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