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       # taz.de -- Filmtipps für Berlin: Der ganz reale Horror
       
       > Filmdiven bei den KAZÉ Anime Nights, Aliens aka Body Snatchers zu
       > Halloween und ein viel zu reales Horrorerlebnis: Demenz in „The Father“.
       
   IMG Bild: Pod oder Person? Leonard Nimoy, Donald Sutherland und Jeff Goldblum fürchten ihre Kopien
       
       Das Markenzeichen der Filme des 2011 verstorbenen japanischen
       Anime-Regisseurs Satoshi Kon ist das Spiel mit verschiedenen
       Wahrnehmungsebenen, die Verschmelzung von Gegenwart und Vergangenheit, von
       Wahn und Wirklichkeit. So auch in „Millennium Actress“ (2001), in dem ein
       Dokumentarfilmer ein Interview mit der legendären Filmdiva Chiyoko Fujiwara
       führt: Ihre miteinander verquickten privaten und beruflichen Erinnerungen
       reichen bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück und haben Spuren bis
       in die Gegenwart hinterlassen. Das komplexe Meisterwerk ist frisch in 4K
       restauriert und läuft im Rahmen der [1][KAZÉ Anime Nights] (2.11., 20 Uhr,
       in div. Multiplex-Kinos in Berlin und Potsdam).
       
       Meinetwegen hätte Halloween gern auch in Irland bleiben können, wo das Fest
       ja wohl ursprünglich herkommt. Ich verstecke mich da jedenfalls immer bei
       ausgeschaltetem Licht unter dem Tisch oder gebe den Kindern, die bei mir
       klingeln, in der Hoffnung auf einen Lerneffekt eine Tafel Bitterschokolade
       – bislang hat aber leider nichts geholfen. Jedenfalls: Halloween steht vor
       der Tür und damit auch die jährlichen Horrorfilmprogramme in unseren Kinos.
       
       Im [2][Rollberg in Neukölln] gibt es mit Philip Kaufmans 1978er Remake von
       „Invasion of the Body Snatchers“ sogar richtig guten, atmosphärisch dichten
       SF-Horror mit Donald Sutherland, der hier Matthew Bennell verkörpert, einen
       sympathischen Beamten der Gesundheitsbehörde. Er wird erstmals auf
       merkwürdige Vorgänge aufmerksam, als seine Kollegin Elizabeth berichtet,
       ihr Lebensgefährte habe sich auf seltsame Weise verändert.
       
       Dass mit der Welt etwas nicht mehr stimmt, verdeutlicht Kaufman dabei
       allein durch die Art seiner Inszenierung: Die Kamera wird verkantet,
       extreme Weitwinkelobjektive verzerren die Perspektiven, ständig blickt man
       mit Matthew durch die zerschlagene, irisierende Windschutzscheibe seines
       Autos. Wie sich dann herausstellt, sind mal wieder die invasiven
       außerirdischen Pflanzen schuld, welche die Menschen Zug um Zug durch
       identisch aussehende, aber gefühllose Replikanten ersetzen. Alles schön
       düster und pessimistisch (31.10., 20 Uhr, Rollberg; Double Feature, im
       Anschluss, ca 22 Uhr: The Blob in der Version von 1988).
       
       ## Vater der Demenz
       
       Mit der Lebenserwartung steigt für die Menschen in den Industriestaaten
       auch das Risiko, an Demenz zu erkranken. Wie man mit Menschen umgeht, die
       sich dann allein nicht mehr helfen können, gehört zu den großen
       Herausforderungen unserer Zeit. Dass ein Film wie „The Father“ mittlerweile
       seit vielen Wochen in den Kinos spielt, zeigt, dass das Thema in unserer
       Gesellschaft einen Nerv trifft.
       
       Der aus Frankreich stammende Autor und Regisseur Florian Zeller versucht in
       „The Father“ vor allem die Unsicherheit nachzuvollziehen, mit der sich
       demenzkranke Menschen durch die Welt bewegen: Konsequent übernimmt der Film
       den Blickwinkel seiner Hauptfigur, des Mitt-Achtzigers Anthony (Anthony
       Hopkins), dessen Blick somit zu unserem Blick wird.
       
       Und weil wir es gewohnt sind, die fiktionale Realität eines Films wie eine
       „Wahrheit“ zu begreifen, überträgt sich die Irritation des Protagonisten
       direkt auf uns, wenn sich Räume und Personen verändern, Zeitebenen
       vermischen und sich vermeintliche Gewissheiten als trügerische Illusionen
       herausstellen. Oder auch wieder nicht. Im Grunde funktioniert „The Father“
       fast wie ein Psychothriller, in dem jemand versucht, eine andere Person
       vorsätzlich in den Wahnsinn zu treiben – eine sehr interessante Struktur.
       
       „The Father“ hat jeweils Termine im [3][Il Kino], dem [4][Kino im
       Kulturhaus Spandau] und dem [5][Kino in der Kulturbrauerei]. Im [6][Kant
       Kino], der [7][Passage] und den [8][Tilsiter Lichtspielen] läuft der Film
       noch die ganze Woche vom 28.10. bis 3.11.
       
       29 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://kaze-online.de/news/artikel/kinoliste-fuer-die-kaze-anime-nights
   DIR [2] https://yorck.de/
   DIR [3] https://ilkino.de/
   DIR [4] https://www.kinoimkulturhaus.de/
   DIR [5] https://www.kulturbrauerei.de/angebote/kino-in-der-kulturbrauerei/
   DIR [6] https://yorck.de/kinos/kant-kino
   DIR [7] https://yorck.de/kinos/passage
   DIR [8] https://tilsiter-lichtspiele.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
       ## TAGS
       
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