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       # taz.de -- Corona in China: Die letzte „Zero Covid“-Bastion ​
       
       > Chinas an sich erfolgreiche Coronastrategie lässt sich nur mit immer
       > radikaleren Maßnahmen aufrechterhalten. Eine Lockerung ist nicht in
       > Sicht.
       
   IMG Bild: Unter Quarantäne gestelltes Wohngebiet in Hohhot in China am 26. Oktober
       
       Peking taz | Der „G14“-Hochgeschwindigkeitszug raste mit über 300
       Stundenkilometern in Richtung Peking, doch auf halber Strecke wurde er von
       den Behörden zum Stillstand gezwungen. Die Türen der Bahn blieben
       geschlossen, ehe die Männer in ihren klinisch-weißen Ganzkörperanzügen
       herbeieilten. Sie führten insgesamt 211 Passagiere in zentralisierte
       Quarantänezimmer ab – und das lediglich, weil eine Person zuvor mit einem
       Infizierten in Kontakt gekommen war.
       
       Zu einem Zeitpunkt, da die Welt dank steigender Impfraten wieder aufsperrt,
       mögen Szenen wie die vom Donnerstag absurd erscheinen. In China jedoch
       gehören sie zur [1][„Zero Covid“]-Routine: Null Infektionen in den eigenen
       Landesgrenzen lautet die Zielvorgabe der Regierung. Und diese wird mit
       immer härteren Maßnahmen durchgesetzt.
       
       Erst zu Beginn der Woche hatten die Behörden nach nur einer Hand voll
       lokaler Ansteckungen die Provinzhauptstadt Lanzhou im Nordwesten des Landes
       abgeriegelt. Seither sind die dreieinhalb Millionen Einwohner dazu
       aufgefordert, ihre Wohnungen nur noch in Notfällen zu verlassen. Für eine
       Kleinstadt an der südlichen Grenze zu Myanmar ist der Krisenmodus nun schon
       fast zum Normalzustand geworden: Rund ein halbes dutzend Mal wurde Ruili
       bereits von der Regierung abgeriegelt.
       
       Seit Monaten dürfen die Bewohner die Stadt nur noch für „essenzielle
       Reisen“ verlassen. Wer aus anderen Gründen aufbricht, muss sich zuvor für
       sieben Tage isolieren – trotz Impfung und negativem Test. „Unser Mutterland
       sollte seine starke Hand reichen, um dem geschundenen Kind zu helfen“,
       schrieb der ehemalige Vize-Bürgermeister Dai Rongli auf seinem
       Wechat-Account.
       
       ## 10.000 Touristen gestrandet
       
       Dabei ist die derzeitige Coronawelle in China von den absoluten Zahlen her
       überaus gering: Pro Tag registrieren die Gesundheitsbehörden nur etwa rund
       50 lokale Fälle. Doch da dies 50 Fälle zu viel sind, reagieren die
       Autoritäten mit allen ihren zur Verfügung stehenden Mitteln.
       
       In der Provinz Innere Mongolei sind laut Medienberichten etwa 10.000
       Touristen gestrandet, die nicht mehr weiterreisen können. Ein Mann
       berichtet mit Bitte um Anonymität, dass er trotz mehrerer Versuche bei
       seiner Rückreise nach Peking von den Behörden abgewiesen wurde. Der Grund
       ist geradezu absurd: Sein Ausweis wurde in einem Ort ausgestellt, der
       derzeit als Hochrisikogebiet klassifiziert wird.
       
       Nichts deutet daraufhin, dass die Radikalität des Anti-Virus-Kampfs
       nachlassen könnte. Derzeit bauen die Behörden mehrere Quarantäne-Zentren
       mit Tausenden Zimmern, in denen die Einreisenden aus dem Ausland mindestens
       14 Tage lang untergebracht werden müssen.
       
       Während dieser Zeit liefert man sich den Autoritäten vollständig aus: Ein
       Deutscher wurde wenige Tage nach seiner Ankunft positiv getestet und
       pendelte daraufhin zweieinhalb Monate zwischen Krankenhaus und
       Quarantänehotel. Sämtliche Versuche, den Kranken auf eigenen Wunsch in die
       Heimat auszufliegen, scheiterten daran, dass die Behörden den Transport vom
       Spital zum Flughafen nicht genehmigten.
       
       ## Olympische Winterspiele in Peking
       
       Im letzten Jahr hatten viele Staaten in Asien und im Pazifikraum die „Zero
       Covid“-Strategie zumindest anvisiert. Doch im Zuge der hochinfektiösen
       Deltavariante und vor allem der gestiegenen Impfraten haben fast alle
       Länder ihre epidemiologischen Maßnahmen mittlerweile gelockert. Neben
       Nordkorea ist [2][China] die letzte Bastion, in der eine absolut virusfreie
       Zone aufrechterhalten werden soll.
       
       Das hat auch politische Gründe: Im Februar finden [3][die Olympischen
       Winterspiele in Peking] statt und im darauf folgenden Herbst wird Xi
       Jinping als erster chinesischer Machthaber seit Mao Tsetung eine dritte
       Amtsperiode antreten. Beide Ereignisse genießen derart hohe Priorität, dass
       kein Infektionsausbruch für Unruhe sorgen soll. Dass gleichzeitig auch der
       Reiseverkehr mit dem Ausland auf ein Minimum reduziert ist, wird von Peking
       ebenfalls als willkommener Nebeneffekt betrachtet.
       
       Vor allem aber hat Chinas Staatsführung nach wie vor keine ausländischen
       Vakzine zugelassen. Die eigenen Impfstoffe werden zwar in einem Rekordtempo
       verabreicht, erzielen aber angesichts der Deltavariante nur mäßige
       Ergebnisse. Hinzu kommt die psychologische Angst vor dem Virus, die
       innerhalb der Bevölkerung riesig ist. Wenn schließlich ganze Städte wegen
       ein paar Fällen abgeriegelt werden, wird es unglaublich schwer für eine
       Gesellschaft sein, irgendwann einmal mit dem Virus leben zu lernen.
       
       29 Oct 2021
       
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