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       # taz.de -- Politischer Starrsinn in Kuba: Proteste? Nicht bei uns!
       
       > Maykel Osorbo hat mit „Patria y vida“ den Soundtrack der Demonstrationen
       > in Kuba geliefert. Seit Mai sitzt er im Gefängnis.
       
   IMG Bild: Musiker Maykel Osorbo
       
       Wenn am kommenden Donnerstag, dem 18. November, in der Grand Garden Arena
       von Las Vegas die Latin Grammys vergeben werden, ist einer der Nominierten
       ziemlich sicher nicht dabei: Maykel Osorbo. [1][Der kubanische Rapper sitzt
       noch immer hinter Gittern]. Er wurde im Mai verhaftet, weil er zur
       „öffentlichen Unruhe“ angestiftet und „Widerstand gegen Polizeibeamte“
       geleistet haben soll.
       
       Tatsächlich dürften die Sicherheitskräfte des Regimes „El Osorbo“
       eingesperrt haben, weil er als Mitglied der Künstlerbewegung San Isidro mit
       kritischen Aktionen aufgefallen war. Vor allem aber, weil der Rap „Patria y
       vida“, den der 38-Jährige im Februar zusammen mit in Miami lebenden
       Musikern veröffentlicht hat, zu einer Protesthymne gegen Kubas Herrschende
       geworden ist.
       
       „Patria y vida“ – „Vaterland und Leben“ ist eine zynische Antwort auf den
       von Fidel Castro geprägten, ziemlich verstaubten Revolutionsslogan „Patria
       o muerte“ – „Vaterland oder Tod“. Dass der Song nun bei den Latin Grammys
       als „bestes Lied“ und „bestes urbanes Lied“ nominiert wurde, dürfte bei der
       Regierung in Havanna schlecht ankommen.
       
       Als Uruguays Präsident Luis Lacalle jüngst bei einem UN-Treffen in Mexiko
       aus dem Rap zitierte, reagierte sein kubanischer Amtskollege Miguel
       Díaz-Canel recht schroff: „Was für einen schlechten Geschmack haben Sie.“
       
       ## Die Unfähigkeit der Altrevolutionäre mit Kritik umzugehen
       
       Zu Hause lieferte der Song bereits den Soundtrack für die Demonstrationen
       vom 11. Juli, an dem Tausende Kubanerinnen und Kubaner gegen die schlechte
       wirtschaftliche Situation sowie den Mangel an Lebensmitteln und
       Medikamenten auf die Straße gegangen waren.
       
       Und nun die Show in Las Vegas, ausgerechnet [2][wenige Tage nach dem 15.
       November, an dem Oppositionelle wieder zu Protesten aufgerufen haben]. Für
       das Regime sind diese Mobilisierungen ebenso wie die Aktionen der Bewegung
       San Isidro, die sich gegen die staatliche Reglementierung künstlerischer
       Arbeit wenden, schlicht subversive, von den USA gesteuerte Provokationen.
       
       Nichts Neues also aus Havanna. Wieder muss die in der Tat kritikwürdige
       US-Wirtschaftsblockade für alles Elend hinhalten, das im Wesentlichen das
       Regime selbst zu verantworten hat. Weiterhin sind die Altrevolutionäre
       unfähig, Kritik als solche zu sehen und zu nutzen. Da erkennt man in der
       neuen Verfassung das Recht auf Versammlungen und freie Vereinigung an, um
       auf Grundlage derselben Verfassung Proteste zu verbieten, weil sie sich
       gegen die „Unwiderrufbarkeit des Sozialismus“ wendeten, die dort ebenfalls
       festgeschrieben ist.
       
       Über 200 „Persönlichkeiten“ aus aller Welt, vom Journalisten Ignacio
       Ramonet über den ecuadorianischen Ex-Präsidenten Rafael Correa bis hin zum
       ehemaligen [3][UN-Botschafter Jean Ziegler], haben die Kriminalisierung der
       Proteste auch noch durch einen gemeinsamen Brief unterstützt. In keinem der
       Länder, in denen diese Leute leben, wären Demos verboten, nur weil sie sich
       gegen kapitalistische Verhältnisse richten.
       
       ## Opposition im Hausarrest
       
       Nicht zuletzt Nicaragua hat gezeigt, wohin dieser proklamierte
       „Antiimperialismus“ führt. Bei Protesten 2018 erklärte die Regierung die
       Oppositionellen zu „Volksfeinden“, „blutsaugenden Vampiren“ und
       „Verrätern“, die im Interesse der USA die Regierung stürzen wollten.
       Mindestens 328 Menschen starben damals.
       
       Und vergangene Woche gewann Staatschef [4][Daniel Ortega] die
       Präsidentschaftswahlen, nachdem er alle ernstzunehmenden Konkurrentinnen
       und Konkurrenten verhaften oder unter Hausarrest stellen ließ. Begründung:
       Sie hätten mit ausländischen Geldern eine militärische Intervention und
       terroristische Akte internationaler Kräfte vorbereitet.
       
       Der kubanische Staatschef Díaz-Canel gratulierte Ortega und dem
       „nicaraguanischen Brudervolk“ und erklärte, der Wahlsieg sei eine
       „Demonstration von Souveränität und Bürgersinn“. Nicaragua könne immer auf
       Kubas Hilfe zählen. So gesehen wäre es wohl besser, wenn „Patria y vida“
       Recht behält. „Es ist vorbei“, heißt es in dem Rap mit Blick auf das
       Regime, „deine Zeit ist abgelaufen“.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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