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       # taz.de -- Streit um Kino in Friedenau: Im Cosima läuft gerade nichts
       
       > Um das Cosima in Friedenau gibt es einen komplexen Rechtsstreit. Ruhe in
       > dem Streitfall herrscht nur deswegen, weil der Kinobetreiber verstorben
       > ist.
       
   IMG Bild: Vorhang zu, nichts geht im Cosima
       
       Berlin taz | Nein, an der vierten Coronawelle liegt es nicht, dass das
       Friedenauer Kino Cosima gerade geschlossen hat. Der Grund dafür ist viel
       komplexer.
       
       Hintergrund der Schließung ist ein Rechtsstreit zwischen dem bisherigen
       Betreiber des Kinos Lothar Bellmann und dessen Eigentümerin, die in
       Heidelberg lebt. Diese hatte Bellmann Anfang des Jahres gekündigt, was
       dieser nicht akzeptieren wollte. Den Termin zur Schlüsselübergabe am 1.
       Juni ließ er verstreichen, und als dann im Juli nach dem Lockdown langsam
       die Berliner Kinos wieder öffneten, zeigte auch er wieder Filme, als sei
       nichts gewesen. Woraufhin die Eigentümerin eine Räumungsklage einreichte
       und Bellmann sich einen Anwalt nahm. Demnächst hätte man sich
       wahrscheinlich vor Gericht gesehen. Doch dazu wird es nicht mehr kommen.
       Denn der 81-jährige Bellmann ist vor drei Wochen gestorben.
       
       Nun wird ermittelt, ob es Erben gibt. Und falls ja, ob diese den
       Rechtsstreit, in dem es auch um Geld geht, übernehmen wollen. Karlheinz
       Opitz, Betreiber der Eva-Lichtspiele in Wilmersdorf, der von der
       Eigentümerin des Cosima-Filmtheaters schon seit Langem dazu auserkoren
       wurde, dieses zu übernehmen, sagt, er habe gerade überhaupt keine Ahnung,
       bis wann sich dieser Prozess hinziehen werde. Klar sei nur: Ehe das mit der
       Erbfrage nicht geklärt ist, werde das Kino geschlossen bleiben.
       
       Der Tod Bellmanns ist die tragische Pointe zu einem äußerst kuriosen
       Gezerre um ein Kiezkino, das eine Zeit lang halb Friedenau in Aufregung
       versetzt hatte. Teil der Geschichte sind ein alter renitenter Mann, ein
       übereifriger Politiker und jede Menge Desinformationen.
       
       ## Das Wehklagen des Betreibers
       
       Dem Friedenauer SPD-Politiker, dem frischgebackenen Mitglied des
       Abgeordnetenhauses Orkan Özdemir, kam Anfang des Jahres das Wehklagen
       Bellmanns zu Ohren, dass das Cosima geschlossen und er nach Jahrzehnten als
       dessen Betreiber vor die Tür gesetzt werden soll. Also initiierte Özdemir
       eine Petition mit dem Tenor: Das Cosima muss bleiben.
       
       Doch dann sickerte bei ihm die Information durch: Niemand habe vor, das
       Kino zu schließen. Vielmehr, so ließ er sich von Bellmann erzählen und
       erneut einen Bären aufbinden, wolle ein Konkurrent hinterrücks den Alten
       verdrängen und selbst Cosima-Betreiber werden. Woraufhin er seine Petition
       änderte. Neue Stoßrichtung: Der arme alte Mann müsse in seinem Kino bleiben
       dürfen.
       
       Nun sah sich der vermeintlich hartherzige Cosima-Betreiber in spe, besagter
       Karlheinz Opitz, gezwungen, seine Version der Geschichte zu verbreiten.
       Demnach sei die Ablösung des Kinobetreibers einst einvernehmlich
       beschlossen worden. Bellmann habe Opitz [1][selbst als seinen Nachfolger
       erwählt]. Was dieser gegenüber der Presse bestätigte.
       
       Doch Bellmann sagte auch: Er wolle halt noch nicht jetzt abtreten, sondern
       irgendwann. Allein die Eigentümerin, die Opitz als eine Frau bezeichnet,
       der es wichtig sei, das Friedenauer Kino in guten Händen zu wissen, wollte
       einfach nicht mehr, deswegen die Kündigung.
       
       ## Noch ein wenig warten
       
       Spricht man mit Opitz, der nun nicht weiß, wie und wann es für ihn
       weitergehen soll im Cosima, wirkt der ziemlich entspannt. Er muss nun halt
       warten, aber er warte ja schon eine ganze Weile. Schlecht reden über den
       Toten will er nicht. Er sagt: „Bellmann hat zuletzt immer geäußert, er
       wolle so lange weitermachen, bis er nicht mehr könne. Das hat er nun ja
       geschafft.“ Er lässt nur durchblicken, dass das, was der Gestorbene zuletzt
       über seinen Anwalt verbreiten ließ, eigentümlich gewesen sein muss. Und
       dass die Vorstellungen darüber, was als Abstandszahlung für den
       Kinoprojektor und sonstiges Interieur zu leisten sei, weit
       auseinandergingen.
       
       Ein klein wenig Angst habe er nur davor, dass es nach den Wirren, die
       Bellmann und auch Özdemir angerichtet haben und für das sich Letzterer
       bislang nur sehr indirekt entschuldigt hat, nun in Friedenau heißen werde:
       Jetzt hat der Neue den Alten auch noch ins Grab gebracht.
       
       18 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kino-in-Friedenau/!5750186
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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