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       # taz.de -- Rätsel um verschwundene Tennisspielerin: „Ich habe mich nur ausgeruht“
       
       > Chinas Staatssender CGTN hat eine angebliche E-Mail der vermissten
       > Tennisspielerin Peng Shuai veröffentlicht. Kolleg:innen machen sich
       > Sorgen.
       
   IMG Bild: Peng Shuai 2019 bei den Australian Open
       
       Wer die angebliche E-Mail der vermissten Tennisspielerin [1][Peng Shuai]
       durchliest, dem läuft es eiskalt den Rücken herunter. Am Mittwochabend
       präsentierte Chinas englischsprachiger Propagandasender CGTN das
       verstörende Textdokument, das seine beabsichtigte Wirkung ganz
       offensichtlich verfehlt: Niemand wird nach der Lektüre denken, dass sich
       Peng derzeit in Sicherheit befindet.
       
       „Ich werde weder vermisst, noch befinde ich mich in Gefahr“, heißt es in
       der E-Mail, die an den Leiter des Frauentennisverbandes WTA gerichtet sein
       soll: „Ich habe mich nur zu Hause ausgeruht, alles ist in Ordnung“. Weiter
       steht darin, die Anschuldigungen aus den Nachrichten seien „nicht wahr“.
       
       Ein Rückblick: Am 2. November hat Peng Shuai, die 2013 im Doppel
       Wimbledonsiegerin wurde, in einem Online-Post den ehemaligen Vize-Premier
       Zhang Gaoli [2][der Vergewaltigung beschuldigt]. Es ist der erste
       #MeToo-Fall in China, der sich gegen einen hochrangigen Politiker richtet.
       Seither haben die Zensoren jede Information über den Fall gelöscht. Mehr
       noch: Peng Shuai gilt seit über zwei Wochen als vermisst, niemand kann sie
       kontaktieren. Daran ändert auch die jetzige E-Mail nichts, die gefälscht
       oder unter Zwang verfasst sein dürfte.
       
       Die Fehler sind nicht schwer zu entdecken, allein die Anrede ist mehr als
       befremdlich: „Hallo alle zusammen, das ist Peng Shuai“, heißt es in dem
       Dokument, das doch angeblich direkt an den WTA-Chef Steve Simon gerichtet
       sein soll. Hinzu kommt, dass in dem von CGTN geposteten Screenshot
       merkwürdigerweise in der dritten Zeile ein blinkender Mauszeiger zu sehen
       ist – ganz so, als ob es sich statt um eine abgesendete E-Mail um ein
       Word-Dokument handelt.
       
       ## Tennisprofis machen sich Sorgen
       
       Der Adressat Steve Simon zweifelte die Echtheit der E-Mail umgehend an.
       „Die heute von chinesischen Staatsmedien veröffentlichte Erklärung zu Peng
       Shuai erhöht nur meine Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit und ihres
       Aufenthaltsortes“, sagte Simon. „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng
       Shuai die E-Mail, die wir erhalten haben, tatsächlich geschrieben hat oder
       glaubt, was ihr zugeschrieben wird.“ Peng Shuai solle frei sprechen dürfen,
       „ohne Zwang oder Einschüchterung von irgendeiner Seite“.
       
       Unlängst erheben auch prominente Tennisprofis ihre Stimme. Unter anderem
       hat Naomi Osaka auf ihrem Twitter-Account gepostet, dass „Zensur unter
       keinen Umständen ok“ ist. Novak Đoković nannte den Fall „schockierend“. Ob
       die WTA ihre hochlukrativen Verträge mit China, die insgesamt elf Turniere
       in der Volksrepublik vorsehen, weiter erfüllen wird, ist unwahrscheinlich.
       
       Auch unter langjährigen Beobachtern des Landes löst der Fall Entsetzen aus.
       „Chinas Kommunistische Partei kennt keine Scham“, schreibt etwa der
       China-Experte Andreas Fulda von der University of Nottingham auf seinem
       Twitter-Account. Unter China-Experten herrscht zudem die Meinung, dass es
       den Propagandamedien gar nicht darum ging, die Weltöffentlichkeit davon zu
       überzeugen, dass sich Peng Shuai wirklich in Sicherheit befindet.
       „Nachrichten wie diese sind eher als Machtdemonstration gedacht. Es soll
       die Menschen nicht überzeugen, sondern einschüchtern und die Macht des
       Staates demonstrieren“, kommentiert etwa Mareike Ohlberg, Forscherin am
       „German Marshall Fund“.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Chinas Staatsführung so unverhohlen auf
       Mafiamethoden zurückgreift. Auch im Fall des uigurischen Musikers Abdurehim
       Heyit, der 2017 in ein Internierungslager in Xinjiang weggesperrt worden
       sein soll, publizierte der Propagandaapparat zwei Jahre später ein zutiefst
       verstörendes „Beweisvideo“, in dem Heyit von seinem „guten
       Gesundheitszustand“ spricht.
       
       Doch dass der Staatsapparat nur wenige Wochen vor den Olympischen
       Winterspielen trotz internationaler Kritik seine beste Tennisspielerin
       verschwinden lässt, stellt einen neuen Tiefpunkt dar. Wahrscheinlich wird
       die Boykottdebatte rund um das Sportereignis in Peking nun wieder an Fahrt
       aufnehmen.
       
       Doch die Regierung selbst lässt sich auf keine inhaltliche Debatte ein. Als
       Außenamtssprecher Zhao Lijian bei der Pressekonferenz am Dienstag über den
       Verbleib von Peng Shuai gefragt wurde, entgegnete er ohne den leisesten
       Hauch von Mitgefühl: „Meine Antwort ist sehr simpel. Das ist keine
       diplomatische Frage, und mir ist die Angelegenheit, die Sie erwähnen, nicht
       bewusst“.
       
       18 Nov 2021
       
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