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       # taz.de -- David Foster Wallace' „Neon“ in Hamburg: Grinsen am bodenlosen Schlund
       
       > Im guten Sinne nervig: Florian Zimmler macht eine Kurzgeschichte zu einem
       > medial unterstützten Quasi-Soloabend.
       
   IMG Bild: „Ich war mein Leben lang ein Heuchler“: Florian Zimmler, per Video vervielfältigt
       
       Hamburg taz | Der Typ nervt richtig. Nicht nur, dass da ein Schauspieler
       ein „Projekt“ realisiert, bei dem er noch mehr Raum einnimmt als eh schon
       üblich in seinem Metier: quasi als Solist. Nein, es geht darin auch noch um
       einen, der sich umgebracht hat – was ihn aber mitnichten hat verstummen
       lassen. Und dann labert er auch noch – Funkkopfhörer! – wie von zwischen
       unseren Ohren hervor: Unangenehm nah kommt einem das, inklusive
       Lippengeräuschen, die manch*n wohl aus dem Theater treiben könnten.
       
       Den nicht enden wollenden Bewusstseinsstrom übers Warum dieses Abgangs,
       über Heuchelei und Manipulation, vorenthaltene Bestätigung und
       ausgetrickste Therapeuten: Den wiederum hat [1][David Foster Wallace] sich
       ausgedacht, dieser Literaturstar (nicht nur, aber auch) für Leute, die gar
       keine Literatur mögen; dieser gern als Schöpfer gaaanz großer Romanwürfe
       Wahrgenommene, mehr gekauft als auch gelesen; der dabei immer wieder Kurzes
       und Kleines geschrieben hat.
       
       Ach, ja: Foster Wallace ist selbst [2][durch eigene Hand] aus dem Leben
       geschieden. Und auch wenn das Thaalia den Zuschauer*innen nun etwas
       Papier in die Hand drückt und sich darin auch findet, „die Erzählung“ tauge
       nur „sehr wenig als Indiz dafür“: Die Parallele wird sich aus keinem
       Umgang, keiner Bearbeitung dieser Vorlage herausrechnen lassen.
       
       Realisiert hat den Abend nach – oder über? – Foster Wallace das
       Thalia-Ensemblemitglied Sebastian Zimmler. Nach nicht turbulenzfreier
       Vorgeschichte: Eine im Juni geplante Premiere musste wieder abgesagt werde,
       nach nicht näher ausgeleuchgteten „unvorhergesehenen urheberrechtlichen
       Problemen“.
       
       Nun also spielt Zimmler si doch noch, die (beinahe) einzige Rolle, und die
       Regie teilt er sich mit Moritz Reichardt, ansonsten -assistent am Haus. Aus
       der Kurzgeschichte „Neon in alter Vertrautheit“ machen die beiden ein auch
       mal anstrengendes – für den Ausübenden wie fürs Publikum – Spiel mit der
       (Selbst-)Reflexion; den mehrbödigen Text erweitern sie um biografische –
       oder das gut simulierende – Splitter aus Zimmlers eigenem Ostberliner
       Aufwachsen.
       
       Ein Spiel mit Ebenen bietet auch Nadin Schumachers Bühne: runde,
       halbtransparente Video-Projektionsflächen (Video: Jonathan Berkau; Kamera:
       Dino von Wintersdorff), auf denen Zimmler sich vervielfältigt.
       
       Bemerkenswert: Bei alldem kommt etwas überraschend wenig Trübes heraus,
       eher eine uneindeutige Bitterkeit, ein Grinsen angesichts eines bodenlosen
       Schlunds. Vielleicht lässt sich diesem Autor gar nicht besser nahekommen.
       
       Wenn Sie Suizidgedanken haben, können Sie sich rund um die Uhr an die
       Telefonseelsorge wenden: ☎ 0800-111 01 11, ☎ 0800-111 02 22,
       www.telefonseelsorge.de
       
       21 Nov 2021
       
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