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       # taz.de -- Linken-Politiker zu Klima: „Der CO2-Preis ist kontraproduktiv“
       
       > Wer zahlt für den Klimaschutz? Der Politiker Lorenz Gösta Beutin fordert,
       > die soziale Gerechtigkeit bei Klimafragen nicht aus den Augen zu
       > verlieren.
       
   IMG Bild: Die Linkspartei fordert Solaranalagen auf jedem Neubau
       
       taz: Herr Beutin, die Linke fordert, die Erhöhung des CO2-Preises
       auszusetzen. Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht sogar von Abzocke. Warum
       ist die Linke so strikt dagegen? 
       
       Lorenz Gösta Beutin: Der CO2-Preis hat kaum Lenkungswirkung und ist
       kontraproduktiv für soziale Gerechtigkeit. Über das Heizen beispielsweise
       werden vor allem Mieterinnen stark belastet.
       
       Momentan liegt der CO2-Preis bei 25 Euro pro Tonne. Um wirksam zu sein,
       müsste er mindestens 180 Euro betragen. Müssten Sie als Klimapolitiker
       nicht einen viel höheren Preis fordern? 
       
       Wir stehen vor einer sehr grundsätzlichen Entscheidung, ob man Klimapolitik
       vor allem über Preispolitik macht oder über [1][Ordnungsrecht und allgemein
       verbindliche Regelungen]. Und wir haben gesehen: Bei den Versuchen in den
       letzten Jahren und Jahrzehnten, Klimapolitik über Preispolitik zu regeln,
       war immer der Effekt, dass große Konzerne, also diejenigen, die eine gute
       Lobby haben, sich rauskaufen konnten und dass die Belastungen auf die
       Verbraucher umgelegt worden sind. Auch jetzt beim CO2-Preis hat die
       Bundesregierung massive Kompensationen vorgesehen gerade für die am
       stärksten CO2 verursachenden Industrien wie die chemische Industrie.
       
       Nur weil es Lücken gibt, soll man auf das Instrument ganz verzichten? 
       
       Wenn man sich Studien anschaut, beispielsweise aus den skandinavischen
       Ländern, sehen wir dort, dass ein Preis ein begleitendes Instrument sein
       kann, bei klaren ordnungspolitischen Maßnahmen. Vor solchen
       ordnungspolitischen Maßnahmen scheut sich die angehende [2][Ampelkoalition
       aber in ihrem Sondierungspapier.]
       
       Was schlägt die Linke als Alternative zum CO2-Preis vor? 
       
       Wir fordern klare ordnungspolitische Regelungen, zum Beispiel eine Pflicht
       zur Photovoltaik bei Neubauten. Und zwar nicht nur für Gewerbebauten, wie
       es die zukünftige Ampelkoalition vorsieht, sondern eben für sämtliche
       Neubauten.
       
       Auch das ist teuer und die Kosten werden voraussichtlich auf die
       Mieter:innen umgelegt. 
       
       Deshalb wollen wir die Förderung bei der energetischen Sanierung um
       mindestens 10 Milliarden Euro jährlich steigern und zum Schutz der
       Mieter:innen einen Mietendeckel einführen. Aber klar: Die Frage ist, wer
       die Kosten trägt für den notwendigen Klimaschutz. Es wird nur
       funktionieren, wenn man wirklich das sozial gerecht macht, wenn man es
       richtig erklärt und eben auch aufzeigt, wie unsere Gesellschaft dadurch
       anders und besser werden kann. Das sehe ich bei der Ampel nicht.
       
       Die Linke fordert auch ein Ende des Verbrennungsmotors bis 2030. Bis dahin
       gibt es nie und nimmer einen funktionierenden ÖPNV. 
       
       Wir sprechen auch nicht davon, dass wir bis 2030 flächendeckend überall aus
       dem Individualverkehr aussteigen. Aber wir müssen jetzt massiv einsteigen,
       wir brauchen massive Investitionen in Bus und Bahn. Im Sondierungspapier
       ist von einem solchen massiven Einstieg nicht die Rede.
       
       Die Linke steckt doch in einem Dilemma: Konsequenter Klimaschutz
       einerseits, der die Verbraucher aber nichts kosten soll. Sahra Wagenknecht
       kritisiert, dass viele Forderungen der Linken auf Verteuerung hinausliefen,
       die Menschen mit kleinen Einkommen besonders träfen. Deshalb müsste man
       auch weiterhin auf die Gaspipeline Nord Stream 2 setzen. Hat sie nicht
       recht? 
       
       Eigentlich sind fossile Energien schon längst unbezahlbar, wenn man nämlich
       die Folgekosten einrechnet, die durch die weitere Erhitzung der Erde
       anfallen, und in ihrer sozial verheerenden Wirkung. Denn Menschen, die sich
       am wenigsten schützen können, sind am ehesten von Unwetterkatastrophen,
       Hitzewellen und Ähnlichem betroffen.
       
       Unter den Wähler:innen der Linken sind viele Menschen, die ein geringes
       Einkommen haben, kein eigenes Auto besitzen, aber dann an Straßen wohnen,
       wo die Verkehrsbelastung hoch ist, weil dort die Mieten niedrig sind. Und
       deswegen muss die Linke sich immer konsequent für den Kampf gegen den
       Klimawandel und für die Menschen einsetzen, die unter den Folgen der
       Umweltzerstörung leiden. Beides hängt miteinander zusammen.
       
       Warum lehnt die Linke dann nicht auch Nord Stream 2 ab? 
       
       Aus klimapolitischer Sicht bräuchten wir tatsächlich weder Nord Stream 2
       noch andere Zubauten. Ich glaube, dass wir als Linke, was Klimapolitik
       angeht, noch an einigen Punkten nacharbeiten müssen. Man sollte
       klimapolitische Maßnahmen nicht abhängig machen von geopolitischen
       Erwägungen, wie in diesem Fall. Und ich bin sehr froh darüber, dass wir in
       unserem Wahlprogramm bereits einen Plan für einen Erdgasausstieg gefordert
       haben.
       
       Wie stellt sich denn die Linke klimapolitisch künftig auf: als Kritikerin
       der Ampel oder gibt’ s auch eigene Initiativen? 
       
       Die große Herausforderung wird sein, dass die Linke nicht nur als Geist,
       der stets verneint, wahrgenommen wird, sondern wir viel, viel stärker die
       eigene Gesellschaftskonzeption, die eigenen Ideen in den Vordergrund
       stellen.
       
       Gerade steht aber vor allem der Streit um die impfskeptischen Äußerungen
       von Sahra Wagenknecht im Vordergrund. Droht die Auseinandersetzung über
       Wagenknecht wieder andere Themen zu überdecken? 
       
       Die Linke wird sich entscheiden müssen, welchen Weg sie geht. Wird sie in
       Zukunft eine Politik machen, die auf Ressentiments setzt, die mit Fake News
       arbeitet. Dann ist sie keine linke Partei mehr. Oder will sie eine Politik
       machen, die konsequent auf der Seite derjenigen steht, die von Ausbeutung
       und rassistischer und sexistischer Unterdrückung betroffen sind, von
       Umweltzerstörung. Wir müssen aufhören, das gegeneinanderzustellen.
       
       Muss sich die Linken für oder gegen Sahra Wagenknecht entscheiden? 
       
       Es wäre verkürzt, das auf eine Person zu fixieren. Aber man muss bei
       einigen Auftritten einfach klar und deutlich sagen, Sahra Wagenknecht
       spricht nicht für die Linke. Sie ist auch in der Partei mittlerweile nur
       noch ein Phantom, weil sie sich keinen innerparteilichen Debatten stellt,
       weil sie in der letzten Legislaturperiode kaum in der Fraktion zu sehen war
       und stattdessen versucht, über Medien die Position der Partei zu
       verschieben. Das hat uns in den vergangenen vier Jahren geschadet. Die
       Linke sollte da schon sehr klar und deutlich sprechen.
       
       4 Nov 2021
       
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