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       # taz.de -- Zertifikatehandel mit dem Klimagewissen: Schweinsbraten gegen Waschnüsse
       
       > Unser Autor hat keinen Führerschein und trägt fair produzierte
       > Unterwäsche. Er fragt sich, ob er ohne schlechtes Gewissen Fleisch essen
       > darf.
       
   IMG Bild: Augenweide: Schweinsbraten mit Kartoffelknödel
       
       Erst mal den Knödel zerteilen. Nicht schneiden, zerreißen muss man ihn. Mit
       einem kleinen Stück davon versuche ich so viel Sauce wie möglich
       aufzunehmen, um den Geschmack des Krautsalats, den es vorneweg gegeben hat,
       ein wenig zu neutralisieren. Dann widme ich mich dem Schwein, von dem ein
       kleines Teil mich vom Teller aus anzulächeln scheint.
       
       Mit dem Messer klopfe ich auf die Schwarte und überprüfe, ob die beim
       Braten auch wirklich schön rösch geworden ist. Dann schiebe ich mir das
       erste Stück des Bratens in den Mund. Biss muss er haben, einen eigenen
       Geschmack aufweisen, und mit der Sauce, die gerne ein wenig malzig
       schmecken darf, sollte er eine Einheit bilden. Wenn ich in München bin, wo
       ich einmal hergekommen bin, weiß ich, wo es [1][einen guten Schweinsbraten]
       gibt.
       
       Von der Freischankfläche aus sieht man einen französischer Bäcker, der
       echte Münchner Croissants verkauft. Daneben kann man Latte trinken. An der
       nächsten Straßenecke ist ein Start-up, das veganes Hundefutter vertreibt.
       So ist das heute wohl, denke ich und ergötze mich am Wohlklang, den das
       Zermalmen der Schweinsbratenkruste verursacht. Die vegan gehaltenen Hunde
       wären sicher neidisch, denke ich mir. Und: Wenn es dem Klima hilft, soll es
       mir recht sein.
       
       ## Kein Lappen
       
       Nein, der Schweinsbraten bleibt mir beim Gedanken an die dräuende
       Klimakatastrophe nicht im Halse stecken. Ich brauche kein schlechtes
       Gewissen zu haben, rede ich mir ein. Ich bin ja sonst ein recht
       klimafreundlicher Mensch. Auch wenn es nicht stimmt, was ich oft behaupte –
       dass ich aus ökologischen Gründen nie einen Führerschein gemacht habe
       nämlich –, so ist doch richtig, dass ich das, was man früher Lappen genannt
       hat, nie besessen habe.
       
       Beim Aufnehmen der letzten Saucenreste auf dem Teller mit dem wunderbar
       klebrigen Kartoffelknödel läuft in meinem Kopf der Handel mit meinen
       Klimagewissenszertifikaten auf Hochtouren. Die Flüge zum Familienurlaub
       nach Georgien wiege ich damit auf, dass wir dort ja dann nur gewandert
       sind. Die faire Wanderunterwäsche aus Biowolle preise ich mit ein. Dass ich
       mich nach der Pandemie nicht mehr an mein Easyjet-Passwort erinnern kann,
       ist auch nicht schlecht fürs Klima.
       
       Da fällt mir ein: Um der energiefressenden chemischen Industrie ein Produkt
       weniger abkaufen zu müssen, haben wir eine gute Weile lang unsere Klamotten
       mit Waschnüssen gewaschen. Die sind zwar nicht wirklich sauber geworden,
       aber fürs Klimagewissen hat es sich ganz gut angefühlt, Aber war es
       wirklich sinnvoll, aus Indien importierte Waschnüsse zu verwenden? Wir
       haben uns dann wieder für saubere Wäsche entschieden.
       
       Ich werfe noch einmal einen Blick auf die Speisekarte. Viele vegetarische
       Gerichte finden sich darauf nicht. Vielleicht esse ich beim nächsten Mal
       Käsepätzle, überlege ich mir. [2][Wahrscheinlich aber nicht].
       
       6 Nov 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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