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       # taz.de -- Frauen in der Politik: Männer, die auf Handys starren
       
       > Die politische Kultur bleibt männlich dominiert, bestätigt eine neue
       > Studie. Aber die Autor:innen haben Ideen, wie die Parteien das ändern
       > können.
       
   IMG Bild: Der Bundestag bleibt sehr männlich dominiert, nur 34 Prozent der Abgeordneten sind weiblich
       
       81 Prozent der (weiblichen) Politikerinnen in Deutschland beklagen eine
       Diskrepanz von Familienleben und politischem Engagement: Das Privatleben
       leide, weil es zu viele Termine abends sowie am Wochenende gebe. Mit 87
       Prozent empfinden sogar noch mehr (männliche) Politiker dieses politische
       Zeitmanagement als negativ.
       
       Und doch gelten seit Jahrzehnten diese althergebrachten und vor allem an
       männlichen Politikkarrieren orientierten Stukturen als gesetzt. Kurz: Es
       ändert sich kaum etwas. Die Folge: zu wenige Frauen in der Politik und zu
       wenige Frauen, die den Job mit wachsender oder wenigstens gleichbleibender
       Freude machen. Das ist nur ein Ergebnis einer neuen [1][Studie des
       Demoskopieinstituts Allensbach und der Europäische Akademie für Frauen in
       Politik und Wirtschaft] (eaf) in Berlin.
       
       Die umfangreiche Online-Umfrage unter 817 Politiker:innen ist für die
       Politik so repräsentativ wie wichtig, wie Allensbach-Chefin Renate Köcher
       am Donnerstag bei der Online-Präsentation sagte: „Es wurden Politikerinnen
       und Politiker auf allen politischen Ebenen befragt: Bundes-, Landes- und
       kommunaler Ebene.“ Von Männern würden Probleme bei der politischen Arbeit
       durchaus gesehen, ergänzte [2][eaf-Vorstandsvorsitzende Helga Lukoschat]:
       „Das führt aber nicht dazu, dass sich das Verhalten ändert.“
       
       Doch das könnte sich – vielleicht – ändern. Mit den [3][jungen Menschen
       insbesondere in den linken Parteien, die kürzlich in den 20. Bundestag
       eingezogen] sind, ist die Hoffnung verbunden, dass sich die politische
       Kultur der Realität sowie den Wünschen der Abgeordneten anpasst und die
       seit langem bekannten Missstände endlich behoben werden. Denn junge
       Menschen, so eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie, sind offener für
       Themen wie Chancengleicheit, Diversity und Geschlechtergerechtigkeit.
       
       Kurzer Blick auf die Zahlen: Derzeit sind [4][34,7 Prozent der Abgeordneten
       weiblich], etwas mehr als im vergangenen Bundestag, aber immer noch weniger
       als 2013 mit damals knapp über 37 Prozent. [5][„Das ist von Parität] weit
       entfernt“, so Lukoschat. Damit landet Deutschland im EU-Vergleich gerade
       mal auf dem 12. Platz. In den Kommunalparlamenten hierzulande sieht es
       überaus düster aus: Hier finden sich gerade mal 9 Prozent Frauen.
       
       ## Gedöns und Respektlosigkeit
       
       Die mangelnde Beteiligung von Frauen ist zugleich Ausdruck und Ergebnis
       einer politischen Kultur, in der es Frauen der Umfrage zufolge nach wie vor
       schwerer haben als Männer. So würden Themen, die Frauen bearbeiten, als
       weniger wichtig ein- und geringer wertgeschätzt. Seit Jahren hält sich die
       [6][„Gedöns“-Zuschreibung für Frauen- und Familienthemen], die der frühere
       SPD-Kanzler Gerhard Schröder salonfähig gemacht hatte. Im Gegensatz dazu
       seien an Frauen andere Erwartungen geknüpft, mit der Folge, dass sie mehr
       Leistung zu bringen hätten.
       
       Weitere – allzu bekannte – Stichworte der in der Studie gemessenen
       Ungleichbehandlung: Respektlosigkeit gegenüber weiblichen Abgeordneten
       (Männer schauen auf ihr Handy, sobald eine Frau im Parlament spricht;
       Frauen werden in ihren Reden häufiger unterbrochen), kaum verbindliche
       Regeln wie Quoten, um mehr Frauen für politische Ämter begeistern und
       gewinnen zu können, Shitstorms in den sozialen Medien und sexuelle
       Übergriffe. Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken erlitten zwar auch
       Männer, so Köcher: „Aber Frauen nehmen sich das stärker zu Herzen und
       ziehen sich daher schneller zurück.“
       
       Interessanterweise erkennen alle Politiker:innen Anstrengungen, sowohl
       den Frauenanteil in ihren Parteien zu erhöhen als auch andere Missstände zu
       beseitigen. Bei den Grünen sagen das 82 Prozent der Befragten, bei der
       Linkspartei gut die Hälfte und bei der SPD knapp ein Drittel.
       
       Aber wie kann aus den Forderungen endlich Realität werden?
       
       Die Autor:innen haben eine Art Maßnahmenkatalog erarbeitet, mit dem sie
       ab sofort auf die Parteien zugehen wollen. Ins Portfolio der
       „erfolgsversprechenden Maßnahmen“, so Lukoschat, gehören unter anderem die
       gezielte Ansprache von Frauen, sich aktiv in die Politik einzubringen, mehr
       digitale Formate sowie bessere Sitzungszeiten, Stichwort hier:
       Familienfreundlichkeit. Dazu gehört auch, dass wichtige Themen am Anfang
       behandelt werden und nicht erst, wenn sich Frauen wegen der
       Familienpflichten längst aus den Runden ausgeklinkt haben. Weitere Ideen
       sind: Ombudsstellen für Fälle von Alltagssexismus, mehr Hilfe bei Angriffen
       im Netz, mehr kritische Männlichkeitsforen. „Wir müssen Männer als
       Bündnispartner gewinnen“, sagt Lukoschat.
       
       Vielleicht trägt die Studie auch dazu bei, dass in der Kommunalpolitik –
       hier beginnen in der Regel politische Karrieren – intensiver die
       Vereinbarkeit von Beruf und Politik debattiert werde. Kommunalpolitik ist
       ein Ehrenamt – mit den bekannten Folgen: Sitzungen am Abend und am
       Wochenende, kaum finanzieller Ausgleich, schlechte Familientauglichkeit,
       kurz: Frauen können das nur selten leisten, und Männer, weil ihnen Frauen
       den Rücken freihalten.
       
       4 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.eaf-berlin.de/fileadmin/eaf/Publikationen/Parteikulturen_210x317_RZ-Hyperlinks-Ansicht_211028.pdf
   DIR [2] /Politologin-ueber-Gleichberechtigung/!5646480
   DIR [3] /Zusammensetzung-des-neuen-Bundestags/!5806460
   DIR [4] /Frauenpolitik-der-SPD/!5807146
   DIR [5] /Buch-ueber-Frauen-in-der-Minderheit/!5660327
   DIR [6] /Peter-Gedoens-ueber-Radio-und-Stimmung/!5014240
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
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