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       # taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Verein: Alltag im deutschen Breitensport
       
       > Physische und psychische Übergriffe gehören zum Alltag im Vereinssport,
       > sagt eine neue Studie. Vereine seien alles andere als eine Oase der
       > Sicherheit.
       
   IMG Bild: Alles sicher? Gleich wird in dieser Halle geturnt
       
       „Im Verein ist Sport am schönsten.“ So lautet die wohl bekannteste
       Kampagne, die der deutsche Sport je für seine Vereine gestartet hat. 1987
       wurden mehr als 160.000 große Plakatflächen angemietet, um den Vereinssport
       zu promoten. In den unterschiedlichsten Variationen wird die Botschaft,
       nach der das Sporttreiben in der Klubgemeinschaft am meisten Spaß mache,
       bis heute wiederholt. Aktuell wirbt etwa der [1][Deutsche Turner-Bund] mit
       dem Hashtag #sportVEREINtuns für seine Klubs.
       
       Es wird eine Umgebung angepriesen, die nicht nur der Gesundheit dienlich
       ist, sie soll auch zum Lebensglück beitragen. Dass der Sport alles andere
       bietet als eine Oase der Harmonie, das wurde am Donnerstag deutlich, als
       erste Zwischenergebnisse der [2][Studie „Sicher im Sport“] verröffentlicht
       wurden. Sie zeichnet ein finsteres Bild des Alltags im deutschen
       Breitensport.
       
       4.367 Mitglieder von Sportvereinen wurden zu ihren Erfahrungen mit
       sexualisierter Gewalt befragt. Etwa 20 Prozent gaben dabei an, im
       Zusammenhang mit dem Vereinssport ungewollte sexuelle Berührungen oder
       Handlungen erlebt zu haben. Anzügliche Bemerkungen oder übergriffige Text-
       oder Bildnachrichten sind bei einem Viertel der Befragten schon mal
       eingelaufen. Und sechs von zehn Sporttreibenden sind im Verein beschimpft
       oder bedroht worden. Über ein Drittel der Befragten sind sogar schon mal im
       Verein geschüttelt oder geschlagen worden. Kann seine Kinder noch unbesorgt
       in den Sportverein schicken, wer diese Zahlen kennt?
       
       Zur Wochenmitte hatte schon die Fifpro, eine internationalen
       Interessenvertrertung für Profis im Fußballsport, mit der Veröffentlichung
       einer Studie für Aufsehen gesorgt. Dort wurde der Fußball als
       „Hochrisikoumgebung“ für junge Menschen geschildert. Die Hoffnungen vieler
       junger Menschen aus ärmeren Familien auf eine Karriere als Fußballprofi
       würden bisweilen schamlos ausgenutzt und führten geradewegs in den
       Missbrauch.
       
       In der Hochglanzwelt des Fußballs sei, auch das stelllt Fifpro fest, oft
       kein Platz für das Thema der strukturellen Gewalt im Sport. Wieviel
       Missbrauch in der Art, wie die Konkurrenzsituationen innerhalb von Klubs
       und Teams ausgetragen werden, legt die Studie gnadenlos offen. Soll man nun
       nicht mehr zum nächsten Fußballklub gehen, wenn man Lust auf's Kicken hat?
       
       Immerhin scheint dass Bewusstein für das Thema zu wachsen. Dass etliche
       Landessportbünde die Studie zu sexualisierter Gewalt im Breitensport
       unterstützt haben, zeigt das. Auch die Befragung von Klubs und Verbänden,
       die Teil der Studie ist, macht deutlich, dass man um das Problem weiß. Die
       meisten Verbände geben dabei an, dass sie Verdachtsfälle, die bei ihren
       Geschäftsstellen einlaufen, an externe Beratungsstellen weiterleiten. Man
       ist sich also im Klaren darüber, dass außerhalb der Vereins- und
       Verbandsstrukturen Opfer von sexualisierter, körperlicher und psychischer
       Gewalt am besten betreut werden können.
       
       Eine unabghängige Anlaufstelle für Gewaltopfer fordert die
       Sportlervertretung Athleten Deutschland schon länger. Grundsätzlich hat
       dieser Forderung niemand widersprochen. Und doch tut sich wenig, obwohl das
       Konzept eines unanbhängigen Anlaufpunkts für „Safe Sport“ auch aus der
       Politik Unterstützung erfahren hat. [3][Es wird Zeit, dass der Deutsche
       Olympische Sportbund aufwacht]. Will der organisierte Sport Anlaufpunkt für
       Menschen bleiben, die sich fit halten wollen, muss er für Sicherheit im
       Vereinsumfeld Sorge tragen.
       
       Dass man sich auch ohne Verein fit halten kann, ist in der Pandemie nur
       allzu deutlich geworden. Wer einem Fitnesspapst auf Youtube nachturnt, muss
       keine Angst vor sexuellen Übergriffen haben.
       
       5 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-Turnerinnen-beklagen-Gewalt/!5735799
   DIR [2] https://www.sportsoziologie.uni-wuppertal.de/fileadmin/sportsoziologie/Projekte/FactSheet_SicherImSport_Zwischenbericht.pdf
   DIR [3] /Gewalt-gegen-Sportlerinnen/!5765672
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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