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       # taz.de -- Bürgermeisterwahl in Berlin-Pankow: Mit den Stimmen der AfD?
       
       > In Pankow wurde Sören Benn (Linke) wieder zum Bürgermeister gewählt –
       > obwohl er keine linke Mehrheit hatte. Vielleicht hat die AfD für ihn
       > gestimmt.
       
   IMG Bild: „Meine Position zu den politischen Horrorclowns ist nachlesbar“: Sören Benn, hier im Mai 2019
       
       Berlin taz | Der Bürgermeister des Berliner Bezirks Pankow heißt erneut
       [1][Sören Benn]. Der Amtsinhaber von der Linkspartei wurde am
       Donnerstagabend mit den Stimmen seiner Partei, denen der SPD und von
       weiteren Abgeordneten gewählt. Unklar ist, ob er auch AfD-Stimmen erhalten
       hat, denn die Wahl war geheim.
       
       Für die Grünen ist das Ergebnis dennoch ein Unding – schließlich waren sie
       die eigentlichen Gewinner der Bezirksparlamentswahl am 26. September: Ihre
       Spitzenkandidatin Cordelia Koch holte fünf Prozentpunkte mehr als die
       Linke; lange hatte es so ausgesehen, als würde sie die neue Bürgermeisterin
       in Berlins größtem Bezirk mit rund 400.000 Einwohner*innen werden.
       
       Benn erhielt bei der ersten Sitzung des Bezirksparlaments 29 Stimmen, mit
       Nein votierten 24 Bezirksverordnete. Zudem gab es zwei Enthaltungen. Die
       beiden Parteien, die Benn öffentlich unterstützen, haben zusammen lediglich
       23 Sitze – zu wenig für die nötige Mehrheit von 28 Stimmen. Im Vorfeld der
       Wahl waren [2][Verhandlungen zwischen Grünen, Linken und SPD zu einer
       Zählgemeinschaft] – wie die Koalitionen auf kommunaler Ebene in Berlin
       heißen – gescheitert. Die Grünen erklärten, nicht für Benn stimmen zu
       wollen. Ähnlich hatten sich Vertreter*innen von FDP und CDU geäußert.
       
       Wie kam die Mehrheit für den in Pankow für seine engagierte Arbeit
       geschätzten Bürgermeister zustande? Das wird vielleicht nie geklärt werden.
       Laut einer [3][Meldung der Berliner Zeitung] haben alle fünf Abgeordneten
       der Pankower AfD für Sören Benn gestimmt. Die Zeitung zitiert den
       AfD-Abgeordneten Daniel Krüger; laut ihm wäre Benn ohne die AfD nicht auf
       die erforderliche Mehrheit gekommen. Doch auch wenn die Aussage stimmt,
       wäre mindestens eine weitere Stimme von FDP, Grünen oder CDU für Benn nötig
       gewesen, um auf die 29 Stimmen zu kommen.
       
       Es stellt sich also die Frage: Darf man der AfD glauben?
       
       Für die Grünen zumindest ist der Skandal perfekt. So erklärte deren
       Landesvorsitzender Werner Graf am Freitagmorgen auf Twitter: „Wer sich
       sehenden Auges von Nazis abhängig macht, macht sich von Nazis abhängig. Das
       gilt auch für die Linke Pankow“. Und die bisherige Bezirksbürgermeisterin
       von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann schrieb, ebenfalls auf
       Twitter: „Krass! Hatte die Linke bisher echt aufrechter eingeschätzt.“ Die
       grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram appellierte gar an die
       Bundesvorsitzende der Linken, einzugreifen: „Geht’s noch, Janine Wissler⁩?
       Kein guter Tag für die Demokratie.“
       
       Die Linke beeilte sich, diesen Spekulationen entgegenzutreten. „Wir gehen
       davon aus, dass die Wahl von Sören Benn zum Bezirksbürgermeister von Pankow
       mit Unterstützung von Einzelverordneten aus dem demokratischen Lager
       erfolgt ist, die nicht auf das Parteibuch, sondern auf seine persönliche
       Bilanz und Amtsführung geschaut haben“, schrieb der Bezirksverband auf
       Twitter.
       
       Benn selbst verwies auf seine eindeutige Position zur AfD, ebenfalls in
       einem Beitrag auf Twitter: „Wer Nazis glaubt, glaubt Nazis. Macht mal alle.
       Ist ja ne geile Story. Hufeisen und so. Klaro. Meine Position zu den
       politischen Horrorclowns ist nachlesbar.“
       
       Vielfach wird die Wahl Benns in Beiträgen in den sozialen Netzwerken jedoch
       bereits mit dem demokratischen Tabubruch in Thüringen verglichen. Im
       Februar 2020 hatte sich der FDP-Landtagsabgeordnete im Thomas Kemmerich mit
       den Stimmen der Rechtsaußen, darunter Björn Höcke, zum Ministerpräsidenten
       wählen lassen. Vier Tage später trat er nach massivem öffentlichen Protest
       wieder zurück.
       
       ## „Politisch fatal“
       
       Für Katja Bauer, politische Korrespondentin der Stuttgarter Zeitung und
       Mitautorin des Buchs „Die Methode AfD“, ist es „politisch fatal“, dass die
       Linke nicht ausschließen könne, dass Benn auch mit Stimmen der AfD gewählt
       wurde. „Zu sagen, ihr glaubt doch wohl nicht, dass Rechte einen Linken
       wählen, ist bestenfalls naiv. Dass die AfD die Lage ausnutzen würde, war
       vorhersehbar“, schrieb sie auf Twitter.
       
       Und die Debatte dürfte weitergehen. Es gilt keineswegs als sicher, dass
       Benn sich im Amt halten kann. Unklar ist auch, inwieweit der Streit
       zwischen Linken und Grünen Auswirkungen auf die laufenden
       Koalitionsverhandlungen für das Bündnis im Land hat. Derzeit verhandeln
       SPD, Grüne und Linke über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unter einer
       Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Geplant ist bisher, die
       Gespräche bis Ende November abzuschließen.
       
       5 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Auswirkungen-der-Corona-Krise-in-Berlin/!5669032
   DIR [2] /Koalitionen-in-den-Berliner-Bezirken/!5807409
   DIR [3] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ueberraschendes-wahlergebnis-soeren-benn-ist-neuer-buergermeister-in-pankow-li.193080
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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