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       # taz.de -- Politische Macht in China: Xi Jinping will dritte Amtszeit
       
       > Chinas mächtiger Führer wird beim ZK-Plenum eine frisierte
       > Parteigeschichte vorlegen. Damit möchte er den eigenen Machterhalt
       > begründen.
       
   IMG Bild: Xi Jinping auf den Bildschirmen eines Pressezentrums in Shanghai
       
       Peking taz | Der Personenkult um Xi Jinping hat in den letzten Jahren
       geradezu nordkoreanische Dimensionen angenommen. Doch am Wochenende
       übertraf sich die Nachrichtenagentur Xinhua beim Lobpreisen des
       chinesischen Parteichefs noch einmal selbst. „Dies ist ein Mann voll
       Entschlossenheit und Tatendrang, ein Mann mit tiefgründigen Gedanken und
       Gefühlen, ein Mann, der ein historisches Vermächtnis antritt, aber
       gleichzeitig Innovationen wagt“, heißt es in dem unfreiwillig komischen
       Porträt über den 68-Jährigen.
       
       Der Zeitpunkt der Publikation ist kein Zufall. Denn an diesem Montag kommt
       das über 300-köpfige Zentralkomitee zum sechsten Plenum zusammen. Was nach
       einem bürokratischen Routinetreffen klingt, ist in Wirklichkeit viel mehr:
       Xi Jinping bringt sich in Stellung für eine dritte Amtszeit, um auch
       formell zum mächtigsten Staatsoberhaupt seit Landesvater Mao Zedong zu
       avancieren.
       
       Bei solchen Plenen werden keine politischen Entscheidungen gefällt, sondern
       nur verkündet. Jetzt ist das Herzstück die Verabschiedung einer Resolution
       über die „historischen Errungenschaften der Partei“.
       
       Bisher wurden in der gesamten Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas
       nur zwei solcher historischen Resolutionen beschlossen: 1945 nutzte Mao
       Zedong die Gelegenheit, um seine innerparteiliche Konkurrenz zu entmachten.
       1981 sorgte Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping dafür, dass man beim Plenum
       des Zentralkomitees die Fehler der Regierung während der letzten Jahrzehnte
       neu reflektiert.
       
       ## Mit neuer Vergangenheit in alte Zukunft
       
       Diesmal wird erwartet, dass Xi Jinping zur weiteren Machtkonsolidierung die
       Geschichtsschreibung im Sinne der eigenen Ideologie weiter frisieren wird.
       Die dunklen Kapitel – von der Kulturrevolution bis hin zum Großen Sprung
       nach vorn – werden unter den Teppich gekehrt.
       
       Die Parteihistorie wird stattdessen als „100-jähriger Kampf“ erzählt –
       gegen feindliche ausländische Mächte, die China am wirtschaftlichen
       Aufstieg hindern wollen. Dabei ruft Xi auch immer wieder die traumatische
       Kolonialgeschichte des Landes in Erinnerung.
       
       Seine Kernbotschaft lautet: Nur unter Xi Jinping kann das chinesische
       Vaterland wieder zu alter Größe erstarken. Deshalb könne es keine
       Alternative geben, wenn beim nächsten Parteikongress im kommenden Jahr die
       Machtfrage gestellt wird.
       
       Xi wird sich dann zweifelsohne nach zehn Jahren für eine dritte Amtszeit
       als Chef der Partei, des Militärs und des Staates krönen lassen.
       
       ## Xis Politik ist vom Ende der Sowjetunion geprägt
       
       Das ist politisch durchaus heikel. Denn nach dem Tod von Landesvater Mao
       Zedong entschied sein Nachfolger Deng Xiaoping, dass die Macht künftiger
       Staatschefs auf zwei Legislaturperioden begrenzt sein müsse.
       
       Damit wollte man exzessiven Persönlichkeitskult und überproportionale
       Machtkonzentration verhindern. Genau dies jedoch ist unter Xi Jinping
       erneut eingetreten.
       
       Man kann dem 68-Jährigen durchaus vieles vorwerfen: eine Re-Ideologisierung
       der Gesellschaft, rigide Unterdrückung von Kritikern und eine in Teilen
       [1][marktfeindliche Wirtschaftspolitik]. Doch auch die größten Kritiker
       müssen Xi zugestehen, dass er zumindest eine ausgeprägte Vision für sein
       Heimatland hat.
       
       Sein Gesellschaftsentwurf ist zutiefst vom Zusammenbruch des Ostblocks
       geprägt. Laut Xi ist die Sowjetunion kollabiert, weil die kommunistischen
       Kader zum einen von Korruption befallen waren und zum anderen ihre eigene
       Ideologie nur mehr als Farce nach außen trugen.
       
       ## Antikorruptionskampagne und Re-Ideologiserung
       
       Xi selbst hat in China eine rigide Antikorruptionskampagne gestartet, die
       Zehntausende hochrangige Regierungsbeamte hinter Gitter brachte.
       Gleichzeitig hat er die [2][kommunistische Ideologie] wieder ernst genommen
       – und holt in seinen Reden erneut Marx und Engels aus dem Zitatenschatz.
       
       Doch zugleich beweist er als autoritärer Staatschef, dass er offenbar aus
       den eigenen Fehlern der Partei nicht gelernt hat. Als zuletzt mit Mao ein
       Staatschef bis an sein Lebensende an der Macht blieb, stürzte er sein Land
       in Chaos, Anarchie und wirtschaftliche Armut.
       
       8 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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