URI: 
       # taz.de -- Kunsttipps der Woche: Werk und Marke
       
       > Bei Heit beschäftigt sich eine aktuelle Gruppenschau mit dem Thema der
       > Arbeit, RL16 eröffnet mit Alexander Lieck weitere Räume.
       
   IMG Bild: Cornelia Herfrutner: Schild des Schutzes (99%), 2021, 40cm x 50cm x 13,1cm, lime wood
       
       Ist Kunst Arbeit? Wie viel Arbeit steckt in der Kunst? Und wie bemisst
       diese deren Wert? Egal, wie man es dreht oder wendet, das Verhältnis
       zwischen Kunst und Arbeit ist kompliziert – und macht unter Umständen
       selbst viel Arbeit. Auf sich genommen haben diese Paul Niedermayer und
       Michel Wagenschütz. Die von ihnen kuratierte [1][Gruppenausstellung
       „Working Titel“] (nicht Working Title) läuft aktuell bei Heit.
       
       Definitiv arbeitsaufwändig sind die von Hand gemeißelten Holzreliefs von
       Cornelia Herfurtner. Herfurtner teilt ihre Zeit in künstlerische und
       politische Arbeit auf – als Aktivistin ist sie in der Interventionistischen
       Linken organisiert und arbeitet im Bündnis Rheinmetall gegen
       Waffenproduktion und -Exporte von Deutschlands größten Rüstungskonzern –
       was freilich auch aufeinander einwirkt.
       
       Ihre aus Lindenholz geschnitzten Stillleben zeigen sogenannte Schutzwaffen,
       deren Mitführen bei „öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel“ nach
       §17a des Versammlungsgesetzes verboten ist.
       
       Eigentlich harmlose Alltagsgegenstände fallen darunter, Folien,
       Luftmatratzen, Schutzbrillen, Dinge, die den eigenen Körper bei
       „Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen“ schützen
       können. Herfurtner fertigt die Reliefs nach Bildern aus der
       Öffentlichkeitsarbeit der Polizei an, in denen sich deren spezifischer
       Blick auf die Objekte widerspiegelt.
       
       Leonie Nagel spielt indes auf das mühsame Erklimmen der glitschigen Stufen
       der Karriereleiter an. Ganz aus Seife hat sie ihre „Slippery Stairs“
       geformt. Von den Absurditäten künstlerischer Selbstvermarktung erzählt das
       Video „Fantasia“ von Leon Kahane (2015).
       
       Es dokumentiert einen – unerfolgreichen – Pitch Kahanes in Russland:
       gestikulierende Hände, englisch-russische Gesprächsfetzen, im Hintergrund
       laufen auf dem Laptop Ausschnitte aus Disneys „Fantasia“. Hin und her
       verweisen die Assoziationen auch der andere Arbeiten, mit Carearbeit und
       Konsum befassen sie sich, mit Autor*innenschaft und eben dem Wert
       künstlerischer Arbeit.
       
       Werte anderer Art, Zahlenwerte nämlich drängen sich in Alexander Liecks
       [2][Einzelausstellung] „Die langen Tage“ bei RL 16 in den Vordergrund. Sie
       stehen auf nummerierten Garderobenmarken aus Papier, die Lieck zu Elementen
       seiner Malerei werden lässt.
       
       Ausgangspunkt waren dabei – so ist im Text zur Ausstellung nachzulesen –
       pinkfarbene Marken, die er im Kunstverein Hannover beim Abgeben seiner
       Jacke bekam, wo Lieck 2018 eine Einzelausstellung hatte. Das ist alles, was
       er an Lesarten anbietet.
       
       Lieber lässt er Raum für eigene Deutungen oder auch Berechnungen. Und
       dafür, sich in die Irre führen zu lassen: „Wind Me Up“ lautet der Name
       einer kleinformatigen Serie entsprechend, für die er Markenpaare auf
       abstrakte Ölmalerei klebte. In jener wiederum, der er den Titel „Painting
       with Numbers“ gegeben hat, lässt Lieck die Marken wie Würfel auf die
       Leinwand fallen – so wie Duchamp es gute 100 Jahre früher mit Fäden
       vormachte.
       
       Poesie oder bloßes Zufallsarrangement? Wohl eher beides. Neben jenen
       Arbeiten, die aus den „langen Tagen“ der Pandemiezeit stammen, sind auch
       einige ältere zu sehen und solche die er wieder zur Hand genommen hat. Vier
       schwarzweiße Fotografien von einer inzwischen verschwundenen Ecke am
       Bahnhof Zoo etwa, die den Aufgang zu einem Leihhaus samt Telefonnummern und
       eher verwirrenden Hinweispfeilen zeigen.
       
       Genau hinschauen muss man, um die kleinen Unterschiede zwischen den
       Aufnahmen zu erkennen und sich umso mehr über das Motiv zu wundern. Liecks
       Ausstellung ist die erste in den großzügigen Räumen im zweiten Stock von RL
       16. Unten im schmalen, von außen einsehbaren Ladenlokal läuft parallel
       Heike Bolligs „Die Dinge II“. Wie schon Ben Dabushs Ausstellung „Sky Longs
       to Meet Water Like Sand“ ist diese an Georges Perecs Roman „Die Dinge. Eine
       Geschichte der Sechziger Jahre“ angelehnt.
       
       9 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.heitberlin.de/
   DIR [2] https://rl16.de/ausstellungen/alexander-lieck/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Beate Scheder
       
       ## TAGS
       
   DIR taz Plan
   DIR Berliner Galerien
   DIR Rauminstallation
   DIR Arbeit
   DIR Malerei
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR Billie Eilish
   DIR taz Plan
   DIR Kunst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Wer braucht schon Köpfe?
       
       Galli lässt bei Brunand Brunand die Monster raus. Christian Falsnaes lädt
       zum Festmahl. Und der Amtsalon kehrt wieder zurück.
       
   DIR Kunsttipps der Woche: Mit taxonomischer Beflissenheit
       
       Kunst inspiriert von feministischen Vorreiter:innen, Kunst inspiriert vom
       biographischen Gedächtnis und Kunst inspiriert von der Industrie.
       
   DIR Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Unbekannten Formen auf der Spur
       
       Kirsi Mikkolas Malerei verschafft sich bei Nagel Draxler Raum. Gleich in
       zwei Galerien zu sehen ist Amy Sillman: bei Hetzler und Capitain Petzel.
       
   DIR Bruder und Produzent von Billie Eilish: All die bunten Bonbons
       
       Finneas, der Bruder und Produzent von US-Überpopstar Billie Eilish, hat
       sein Debütalbum veröffentlicht. Was taugt seine Musik?
       
   DIR Kunsttipps der Woche: Noch einmal mit Gefühl
       
       Britta Thie porträtiert Kameraequipment und verleiht ihm Wesen, Wu Tsang
       trägt ein kraftvolles „Anthem“ über die Liebe von New York nach Berlin.
       
   DIR Künstlerin Sandra Mujinga geehrt: Geister der Vergangenheit
       
       Der Preis der Nationalgalerie geht an die norwegisch-kongolesische
       Künstlerin Sandra Mujinga. Sie beschäftigt sich mit kolonialer
       Vergangenheit.