# taz.de -- Offener Brief an den Landesminister: Verordnungs-Stress in Pflegeheimen
> Verantwortliche aus der medizinischen Versorgung in Lübeck fühlen sich
> von Gesundheitsminister Heiner Garg schlecht behandelt. Der reagiert
> nicht.
IMG Bild: Arbeit im Pflegeheim: Die Beschäftigten in Lübeck haben ihrem Ärger Luft gemacht
Neumünster taz | Am Sonntag flattert per Fax eine Verordnung ins Haus, ab
Montag gelten die neuen Regeln – dieses Spiel kennt Sabrina Roedszus nach
fast zwei Jahren Pandemie. Aber nun traf es die Pflegedienstleitung in
einem Pflegeheim der DRK-Schwesternschaft in Lübeck und ihre
Kolleg*innen in anderen Einrichtungen besonders hart: „Die [1][aktuelle
Corona-Verordnung] kam am Samstag heraus, und wir mussten sie am Sonntag
umsetzen“ – inklusive Tests am Eingang für Besucher*innen. Aber am Sonntag
sind die Büros des Heims nicht besetzt. „Woher nehmen wir das Personal
dafür?“, fragt sich Roedszus.
In Lübeck haben sich Verantwortliche aus Pflegeheimen, Arztpraxen,
Kliniken, Laboren und anderen Bereichen der medizinischen Versorgung zum
„Gesundheitsnetzwerk Covid-19“ zusammengetan. Von der Politik fühlen sie
sich nicht ausreichend wahrgenommen. Das schleswig-holsteinische
Gesundheitsministerium weist die Vorwürfe zurück.
Roedszus gehört zu den 71 Unterzeichner*innen eines Offenen Briefs an
Landesgesundheitsminister Heiner Garg (FDP). In dem Schreiben benennen die
Akteur*innen, die allen Bereichen der gesundheitlichen und pflegerischen
Versorgung angehören, die Punkte, die in Heimen, Arztpraxen und Kliniken
besonders nerven. An erster Stelle steht, dass sie früher von neuen Regeln
wissen und am besten in die Ausarbeitung einbezogen werden wollen.
Ein zweiter Knackpunkt ist, dass es Ungleichbehandlungen gibt: So müssen
die Fachkräfte in Heimen und Kliniken regelmäßig auf Corona getestet werden
– das Personal der Rettungsdienste aber nicht. „Das ist eine Grauzone, die
die Politik offenbar schlicht vergessen hat“, sagt Doreen Boniakowsky,
Geschäftsbereichsleitung Wohnen und Pflege für Senioren und
pflegebedürftige Menschen bei der Vorwerker Diakonie, ebenfalls Mitglied
des Netzwerks.
Drittens wünschen sich die Beteiligten, dass es bei der [2][Debatte um eine
Impfpflicht] nicht nur um die Pflege geht, sondern um alle Berufsgruppen,
die Kontakt mit Risikogruppen haben: „Über-80-Jährige, die zuhause wohnen,
gehen zu Dienstleistern wie Friseur oder Fußpflege, aber geredet wird nur
über die Pflege“, ärgert sich Boniakowsky.
Gesundheitsminister Garg selbst reagierte nicht auf das Schreiben. Sein
Ministerium wies die Vorwürfe auf Anfrage der taz zurück. Die kritisierten
kurzen Vorläufe seien eine Folge der „stetig veränderten pandemischen
Lage“, und die Pflege sei in Gremien wie dem Landespflegeausschuss
vertreten. Generell stehe das Haus „im ständigen Austausch mit Expertinnen
und Experten aus dem Bereich der Pflege“, so Pressesprecher Marius
Livschütz.
Den Lübecker Gesundheitsnetzwerker*innen reicht das nicht: „Im
Landespflegeausschuss, in dem unsere Verbände sitzen, werden die
Verordnungen zwar vorgestellt, aber nicht gemeinsam erarbeitet“, sagt
Boniakowsky. Der Protest aus Lübeck hat immerhin zu einem Gespräch zwischen
den Spitzen der Wohlfahrtsverbände und dem Staatssekretär des
Gesundheitsministeriums geführt. Außerdem plant das Netzwerk, das im
Frühjahr 2020 entstanden ist, sich in einen Verein umzuwandeln. Das Ziel
soll sein, in der Stadt noch enger zusammenarbeiten – auch jenseits der
Corona-Pandemie.
24 Nov 2021
## LINKS
DIR [1] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/P/pflege/schwerpunkt_pflege_corona.html
DIR [2] /Debatte-um-die-Impfpflicht/!5816811
## AUTOREN
DIR Esther Geißlinger
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