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       # taz.de -- Posse um zwei neu gepflanzte Bäume: Autonome Spatenstiche
       
       > Eine Initiative in Berlin-Pankow ersetzt zwei gefällte Bäume durch neue.
       > Nun sollen sie wieder gefällt werden – denn die Siedlung ist
       > denkmalgeschützt.
       
   IMG Bild: Grün kann man hier suchen: Die Wohnsiedlung Carl Legien in Berlin
       
       Berlin taz | Vor der [1][Wohnsiedlung Carl Legien] in Pankow machten am
       Freitagnachmittag rund 50 Anwohner*innen ihrem Ärger Luft. Eine
       Nachbarschaftsinitiative hatte im Frühjahr auf eigene Faust zwei Bäume in
       den gerodeten Vorgarten eines Gebäudes der Unesco-Welterbe-Siedlung
       gepflanzt. Das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) hatte zuvor nicht auf
       Vorschläge von Seiten der Anwohner*innen reagiert, gefällte Bäume
       einvernehmlich zu ersetzen.
       
       Nach den autonomen Spatenstichen fühlte sich das Amt dann doch zuständig:
       Es drohte prompt mit einer Strafe von 10.000 Euro, sollten die Gewächse
       nicht innerhalb von zwei Wochen wieder verschwunden sein.
       
       Zur Härte der Reaktion kommt eine erstaunliche Begründung: Als die unter
       Denkmalschutz stehende Siedlung 1930 erbaut wurde, habe es dort auch keine
       Bäume gegeben. Eine Bepflanzung sei somit inakzeptabel. „Manchmal freue ich
       mich, dass 1930 schon die Elektrizität entdeckt worden war, sonst hätten
       wir heute wirklich ein Problem mit der Beleuchtung“, kommentiert Christian
       Dietrich von der Anwohnerinitiative „Der Grüne Carl“ spitz.
       
       Für die Betroffenen ist nicht verständlich, wieso das SGA und der Bezirk
       Pankow den Denkmalschutz so gegen ökologische und soziale Aspekte
       ausspielt. „Als die Vorgänger der neuen Bäume gefällt wurden, hatten wir
       die Rekordsommer der letzten Jahre noch vor uns. Jetzt wissen wir: Es wird
       so heiß bleiben“, argumentiert Dietrich.
       
       In der Tat tragen Bäume maßgeblich zur Kühlung der Umgebungsluft bei, was
       bei häufiger werdenden Hitzewellen wie etwa vergangenen Sommer in den USA
       Leben rettet. Auch für Regenwassersammlung und Luftreinigung leistet
       Straßengrün angesichts des Klimawandels wertvolle Dienste – weswegen sich
       eigentlich alle Sachverständigen einig sind: Die Städte müssen grüner
       werden. Eigentlich.
       
       Dennoch erklärte die zuständige [2][neue Bezirksstadträtin Manuela
       Anders-Granitzki (CDU)] gegenüber dem Tagesspiegel, die ursprüngliche
       „Baumfreiheit“ der Vorgärten in der Gubitzstraße wiederherstellen zu
       wollen. Auch bereits stehende Bäume sollen langfristig weichen.
       
       Bei der Kundgebung am Freitag, dem Stichtag des Baum-Ultimatums, war
       Anders-Granitzki nicht vor Ort. An ihrer Stelle stimmte Rona Tietje (SPD),
       Stadträtin für Stadtentwicklung, versöhnliche Töne an. „Ich bin unbedingt
       für eine Lösung mit Bäumen“, versicherte sie. Auch das SGA und die
       CDU-Stadträtin hätten sich ihr gegenüber im persönlichen Gespräch
       kompromissbereit gezeigt. Der ganze Konflikt sei bloß „von den
       Amtsvorgängern geerbt“.
       
       ## Hinter dem Streit steckt ein größerer Konflikt
       
       Für Axel Lüssow (Grüne) erklärt das nicht, wieso die neue Amtsinhaberin das
       harsche Ultimatum verteidigt hatte. „Das ist Bürgereinschüchterung“,
       kritisiert der Pankower Bezirksverordnete das Vorgehen. In einer
       schriftlichen Anfrage wollte Lüssow vom Bezirksamt wissen, ob der
       Denkmalschutz an der Legien-Siedlung etwa auch gebiete, den
       Durchgangsverkehr auf den angrenzenden Straßen auf das Niveau von 1930 zu
       beschränken. Für ihn steckt hinter dem Streit um die zwei Bäumchen ein
       größerer Konflikt. Der Bezirk müsse Klimaschutz und Denkmalpflege besser
       integrieren.
       
       Auch die Anwohner*inneninitiative sieht Handlungsbedarf: „Wir
       wollen den Erhalt von Stadtgrün, die soziale Stadt und den Denkmalschutz in
       Ausgleich bringen. In Zeiten zunehmender Hitzewellen und Dürren braucht es
       dafür neue Ansätze.“
       
       Um zusammen mit den Behörden Lösungen zu finden, schlagen die
       Anwohner*innen jetzt eine Zukunftswerkstatt vor. Derweil steht im Raum,
       die beiden umkämpften Stämmchen in eine Parkanlage umzusetzen. So wären
       zwar die beiden Bäume gerettet. Der historische Straßenzug jedoch bliebe
       kahl.
       
       21 Nov 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Björn Brinkmann
       
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