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       # taz.de -- Ein Monat nach dem Putsch in Sudan: Generäle rudern zurück
       
       > Sudans Militärmachthaber Burhan setzt den weggeputschten Premierminister
       > Hamdok wieder ein. Aber der Anti-Putsch-Bewegung reicht das nicht.
       
   IMG Bild: Khartum, Sonntag: Protest gegen den Deal mit dem Militär
       
       Kairo taz | Fast genau vier Wochen nach seinem [1][Putsch] drückt Sudans
       Militärchef, General Abdel Fatah al-Burhan, auf die Rückwärtstaste. Bei
       einer feierlichen Zeremonie im Präsidentenpalast von Khartum unterschrieb
       er am Sonntagnachmittag ein gemeinsames Abkommen mit dem am 25. Oktober vom
       Militär verhafteten Premierminister Abdalla Hamdok, um die politische Krise
       zu beenden. Hamdok war wenige Stunden vorher aus seinem Hausarrest
       entlassen worden, als die vor seinem Haus stationierten Soldaten abzogen.
       
       In dem Abkommen, das dreizehn Punkte umfasst, verpflichten sich beide
       Seiten mehr oder weniger, den Zustand vor dem Militärputsch
       wiederherzustellen. Damals hatte al-Burhan einseitig das
       Machtteilungsabkommen für beendet erklärt, das nach dem Sturz des Diktators
       Omar Hassan al-Baschir 2019 vom Militär und der zivilen Opposition
       gemeinsam ausgehandelt worden war und in dessen Rahmen der zivile
       Premierminister Hamdok eine zivil-militärische Regierung führte, die einem
       „Souveränitätsrat“ unter Führung von General al-Burhan unterstellt war.
       
       Hamdok wird nach dem neuen Abkommen nun erneut als Premier eingesetzt und
       soll eine Regierung aus Technokraten bilden. Die während des Putsches und
       in den letzten Wochen verhafteten politischen Gefangenen, darunter viele
       Kabinettsmitglieder der ehemaligen Hamdok-Regierung, sollen wieder
       freigelassen werden.
       
       Eher vage formuliert, fordert das Dokument die Rückkehr zum ursprünglich
       ausgehandelten [2][Machtteilungsabkommen von 2019], das den Übergang Sudans
       zu einer Demokratie festschrieb. Außerdem sollen die Umstände des Todes von
       über 40 Demonstranten untersucht werden, die während der landesweiten
       Anti-Putsch-Proteste der letzten Wochen, meist durch Schüsse der
       Sicherheitskräfte auf Demonstranten, ums Leben gekommen sind.
       
       Der genaue Rahmen dieser Untersuchung wurde nicht festgelegt, und es werden
       auch keine konkreten Daten genannt.
       
       ## Weiteres Blutvergießen verhindern
       
       Weder al-Burhan noch Hamdok wirkten sonderlich entspannt bei ihrer
       Zeremonie. Hamdok sprach bei der Unterzeichnung davon, weiteres
       Blutvergießen im Sudan zu verhindern. Ziel des Abkommens sei es, den
       Übergangsprozess zu einem demokratischen Sudan wiederherzustellen und die
       Errungenschaften des Landes seit dem Sturz des Diktators al-Baschir vor
       zwei Jahren zu erhalten.
       
       Al-Burhan sprach Hamdok sein Vertrauen aus und sprach davon, dass mit der
       Unterzeichnung der Weg des Übergangs zu einer Demokratie wieder frei sei.
       
       Al-Burhan hat mit diesem Dokument zwar seinen Putsch rückgängig gemacht und
       dem Druck der Straße Rechnung getragen. Doch die dort in den vergangenen
       Wochen beständig formulierte Forderung, dass sich Sudans Militär nun sofort
       vollkommen aus der Politik zurückziehen und für den Putsch zu Rechenschaft
       gezogen werden soll, enthält das Abkommen nicht.
       
       Laut dem Übergangsabkommen von 2019, das jetzt wieder in Kraft ist, bleibt
       dem Militär eine zentrale Rolle im sogenannten Souveränitätsrat, der die
       Rolle des Staatsoberhaupts innehatte und von General al-Burhan geführt
       worden war. Aus Sicht der zivilen Protestbewegung war diese
       Vormachtstellung des Militärs eine Blockade auf dem Weg zur
       Demokratisierung Sudans gewesen.
       
       ## Demonstranten lehnen Deal ab
       
       Ihre Proteste gingen während und nach der Unterzeichnung des neuen
       Dokumentes am Sonntag weiter. Tausende von Demonstranten versammelten sich
       vor dem Präsidentenpalast. Die [3][Forces for Freedom and Change], ein
       Dachverband der Anti-Putsch-Proteste, betonten erneut, dass sie sich
       jeglichem Deal mit dem Militär verweigern. Sie vertreten die Position, dass
       es keinerlei politische Zusammenarbeit mit den Militärs mehr geben darf und
       dass die Putschisten vor Gericht gehören.
       
       „Alle Abkommen mit der brutalen Junta betrachten wir als nichtig und wir
       werden alle friedlichen und kreativen Möglichkeiten nutzen, um diese zu
       stürzen“, heißt es in einer Erklärung der Gruppe, noch bevor das neue
       Abkommen unterzeichnet wurde.
       
       Samahir el-Mubarak, Sprecherin der sudanesischen Berufsverbände, die schon
       bei den Massenprotesten 2019 eine zentrale Rolle spielten und sich jetzt
       wieder den Anti-Putsch-Protesten angeschlossen hatten, lehnt es ab, zur
       Machtteilung mit den Generälen zurückzukehren: „Die Partnerschaft zwischen
       Militärs und Zivilisten ist mit diesem Putsch kollabiert und es gibt keinen
       Weg, diese wiederherzustellen und zu reformieren“, erklärte sie dem
       Fernsehsender al-Dschasira.
       
       21 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Militaerputsch-in-Sudan/!5811201
   DIR [2] /Uebergangsregierung-im-Sudan/!5616020
   DIR [3] https://en.wikipedia.org/wiki/Forces_of_Freedom_and_Change
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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