# taz.de -- Nationale Corona-Besonderheiten: Wer wird Europas Pandemiemeister?
> Jedes Land geht anders mit Corona um – in Dänemark etwa geht Gesundheit
> alle an, in Deutschland ist es eine Sache für den Einzelnen.
IMG Bild: Aufruf der Regierung zum Coronatest, Kopenhagen im November 2021
Achtung, gleich kommt eine Phrase, sie tut schon beim Lesen weh, aber nur
kurz, dann ist es vorbei, wie bei der Impfung, Achtung, jetzt kommt sie:
Andere Länder, andere Sitten.
Hat gar nicht weh getan, oder? Weil es stimmt! Besonders schön beobachten
kann man das in der Pandemie. Deshalb schlage ich vor, dass Reiseführer ein
neues Kapitel bekommen: Coronakultur.
Gerade war ich im Urlaub in Dänemark. Genau, im November. Das Programm:
Keine Menschen treffen. Das hat gut geklappt, bis zu dem Morgen, an dem auf
meinem Corona-Schnelltest nicht ein, sondern zwei Striche auftauchten. Und
auf dem hektisch aufgerissenen nächsten Test auch. Also Maske auf und ab
zum PCR-Test.
## Schwer erziehbare Kinder
In der Coronakrise wird deutlich, wie verschieden die BürgerInnen in Europa
auf ihre Staaten schauen, und andersrum, was der Staat in seinen Untertanen
sieht: schwer erziehbare Kinder oder Menschen, die gesund sein wollen.
In [1][Dänemark] etwa steht auf der Corona-Website der Regierung: „Alle
Corona-Tests sind kostenlos.“ Gesundheit ist dort eine Angelegenheit aller.
In Deutschland ist sie erst mal das Problem des Einzelnen. Wer einen
PCR-Test machen will, landet beim Googeln bei teuren privaten Angeboten.
Man muss wissen, dass man einen kostenlosen PCR-Test bekommt, wenn man
einen positiven Schnelltest hatte. Der deutsche Staat denkt wie ein
schlechter Erzieher: Wenn ich meinen BürgerInnen etwas kostenlos gebe,
drehen die durch und machen jeden Tag eine PCR-Test-Party, weil es so viel
Spaß macht, ein Wattestäbchen anzuwürgen.
Weitere Beispiele für Coronakultur: In Frankreich ordnet der Präsident in
einer Rede alle Älteren ohne Booster-Impfung mal eben als ungeimpft ein.
Und die Franzosen, die bei anderen Anlässen ein paar Autoreifen im
Kreisverkehr anzünden würden, fluchen und krempeln die Ärmel hoch. In
Ländern, die Deutsche für chaotisch und fiskalisch undiszipliniert halten,
ist die Impfquote noch höher, etwa in Spanien und Portugal. Warum? Mit den
Erinnerungen an gestapelte Särge vor den Krematorien in den ersten Wellen
lässt sich das nicht erklären, sonst wäre die Impfquote auch im Erzgebirge
hoch.
Nun sollte man aufpassen, soziale Unterschiede zu kulturalisieren: So sind
sie halt, die Deutschen. In der ersten Welle hielt man sich hier noch für
den Corona-Weltmeister, dabei hatte man nur Glück, dass die Welle erst
später über uns hereinbrach. Trotzdem lohnt es, sich über die Unterschiede
bei den Impfquoten Gedanken machen. Manches erklärt sich durch
handwerkliche Fehler: Alle SpanierInnen etwa bekamen ungefragt einen
Impftermin zugeschickt.
Es ist ja begrüßenswert, dass staatliches Handeln in Deutschland von vielen
erst einmal skeptisch betrachtet wird. Die hohe dänische Impfquote geht
einher mit einem Alltagspatriotismus, mit rot-weißen Flaggen auf jeder
Salami im Supermarkt und einer strengen Vorstellung davon, wer zum
Volkskörper gehört.
Doch in der Pandemie wäre ich froh, wenn die gesunde deutsche Staatsskepsis
nicht in Impfskepsis mündete. Statt sich in Geimpfte und Ungeimpfte zu
zerfleischen, gäbe es genug Gründe, gemeinsam und geimpft auf die
Barrikaden zu gehen: Für ein besseres Gesundheitssystem zum Beispiel. Aber
das mit den Barrikaden fällt den Deutschen ja traditionell schwer.
Ach so: Mein PCR-Test war übrigens negativ.
21 Nov 2021
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## AUTOREN
DIR Kersten Augustin
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