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       # taz.de -- Kinotipps für Berlin: Die Emotionen schlagen hoch
       
       > Das Filmorchester Babelsberg vertont Ernst Lubitschs Stummfilmklassiker
       > „Sumurun“ mit der lang verschollenen Originalmusik von Victor Hollaender.
       
   IMG Bild: „Sumrun“, Regie: Ernst Lubitsch, Deutschland, 1920
       
       Heute schätzt man Ernst Lubitsch ja vor allem aufgrund seiner überaus
       intelligenten (und frechen) Komödien, doch seinen zeitgenössischen Ruf als
       [1][bedeutender Stummfilmregisseur] verdankte der Berliner viel eher seiner
       Fähigkeit, aufwändige Historienspektakel mit Publikumsappeal inszenieren zu
       können – das war auch der Grund, warum man ihn dann in Hollywood haben
       wollte.
       
       „Sumurun“ (1920) gehört als ein im Bagdad des 9. Jahrhundert spielendes
       Orientmärchen ein Stück weit zur zweiten Kategorie, ist zugleich aber auch
       eine Hommage an Max Reinhardt, der diese Pantomime von Friedrich Freska
       bereits 1910 auf die Bühne gebracht und auch verfilmt hatte.
       
       Lubitsch hatte seine Laufbahn als Schauspieler etwa um jene Zeit bei
       Reinhardt am Deutschen Theater begonnen, und er spielt in seiner eigenen
       Verfilmung auch eine der Hauptrollen: Als Buckeliger einer Gauklertruppe
       liebt er die schöne Tänzerin (Pola Negri), die am Hof zu Bagdad bald auch
       vom alten und vom jungen Scheich begehrt wird.
       
       Die Emotionen schlagen hoch, Mord und Totschlag sind die Folge. Der Film
       wurde schon mehrfach restauriert, aber die Originalmusik von Victor
       Hollaender galt lange als verschollen. Doch im vergangenen Jahr wurde ein
       Klavierauszug entdeckt, anhand dessen der [2][Dirigent und Arrangeur]
       Burkhard Götze jetzt eine Neuorchestrierung vornahm.
       
       Selbige wird er nun gemeinsam mit dem [3][Deutschen Filmorchester
       Babelsberg] im Nikolaisaal Potsdam [4][in einem Stummfilmkonzert erstmals
       live zu Gehör] bringen – was sicher eine spannende Neuentdeckung von
       Lubitschs Klassiker möglich macht (13. 11., 20 Uhr, Nikolaisaal Potsdam).
       
       [5][Bis zum 14. November] läuft im ACUD Kino noch das 5. Visionär Film
       Festival – Encounters with New Talents, das seinem Namen gemäß vor allem
       erste und zweite Regiearbeiten mit innovativem Charakter zeigt. Dazu gehört
       auch „My Mexican Bretzel“ von Nuria Giménez, die in ihrem Dokumentarfilm
       von der Society-Lady Vivian Barrett erzählt: ein Leben zwischen Paris, New
       York und New Orleans mit tollem Haus, schicken Autos und Motorboot.
       
       Vivian, die dieses Leben mit ihrem Mann Léon lebt, geht es zweifelsohne
       gut, sie offenbart ihre Gedanken in Tagebuchaufzeichnungen und gibt als
       Dreingabe noch die Weisheiten des Gurus Kharjappali mit dazu. Nur: All
       diese Leute gab es nie. Denn Giménez hat sich zu den farbigen Urlaubsfilmen
       ihrer Großeltern aus den 50er- und 60er-Jahren diese Lebensgeschichte nur
       ausgedacht. Found Footage einmal ganz anders: clever und unterhaltsam (13.
       11., 17 Uhr, [6][ACUD 2]).
       
       Seit einem Bürgerkrieg in den Jahren 1992/93 ist das von Russland
       unterstützte, aber international weitgehend nicht anerkannte Abchasien von
       Georgien abgespalten, die georgischen Bewohner wurden seinerzeit aus ihren
       Dörfern vertrieben. Doch beide Seiten betreiben immer noch gemeinsam ein
       Wasserkraftwerk, das die Elektrizitätsversorgung der Region sichert – die
       Grenze läuft praktisch durch eine gewaltige Staumauer hindurch.
       
       Jeden Tag fahren georgische Mitarbeiter nun – mit Grenzkontrolle und allem
       Drumherum – im Bus nach Abchasien, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Abends
       geht es zurück. Auch Regisseurin Maradia Tsaava und ihr kleines Team
       ersuchen immer wieder um eine Einreisegenehmigung nach – die jedoch ohne
       Angabe von Gründen verweigert und damit fast so etwas wie der traurige
       Running Gag ihres Dokumentarfilms „Water Has No Borders“ wird.
       
       Was sie filmen kann, sind die Menschen auf der georgischen Seite, die von
       ihrem durch den Krieg durcheinander geratenen Leben erzählen, allen voran
       der stets gut gelaunte Ingenieur Ika und die leicht deprimierten Damen aus
       der Betriebskantine (17. 11., 19.30 Uhr, [7][Kino Krokodil]).
       
       11 Nov 2021
       
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   DIR [6] https://acudkino.de/Programm/opening_kino_sonico/19457
   DIR [7] https://kino-krokodil.de/
       
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