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       # taz.de -- Präsidentschaftskandidat Zemmour: Diversity-Party für Rechtsextreme
       
       > Wieder mal könnten unsere französischen Nachbarn ein Stück weiter
       > Richtung politischer Dystopie rücken. Dafür muss Zemmour nicht mal
       > gewählt werden.
       
   IMG Bild: Eric Zemmour bei einer Wahlkampfveranstaltung in Villepinte bei Paris am vergangenen Sonntag
       
       Éric Zemmour [1][möchte der nächste Präsident Frankreichs werden]. Wer
       Zemmour nicht kennt: Er wurde zweimal rechtskräftig wegen „Aufrufs zu
       rassistischer Diskriminierung“ verurteilt. Wenn sogar französische Gerichte
       die Gefahr, die von diesem Mann ausgeht, erkennen, dann muss sie sehr groß
       sein.
       
       Zemmour ist von Beruf Polemiker. Er ist eine Mischung aus Autor,
       Talkshow-Gast und Politiker in der Ich-AG. In der Vergangenheit hat der
       63-Jährige auf der Klaviatur des Faschismus gekonnt Partituren für die für
       rechtes Gedankengut empfängliche französische Gesellschaft gespielt. Gerne
       setzt er sich vor Kameras und erzählt von der angeblichen „Umvolkung
       Frankreichs durch Migranten“, glorifiziert den gewalttätigen französischen
       Kolonialismus.
       
       Zemmour forderte neulich, den Namen Mohammed zu verbieten, weil er „nicht
       republikanisch“ sei, und rief dazu auf, das Land „zurückzuerobern“ im Sinne
       einer Reconquista. Gezielt bedient er Kriegsrhetorik, weil er im Sinne
       einer lang gereiften Tradition des französischen Rechtsextremismus einen
       Krieg möchte. Mehrere französische Medien [2][haben diese Thesen und
       Ansichten normalisiert, indem sie Zemmour hofierten] und ihm eine Bühne
       geboten haben.
       
       Gegen Éric Zemmour wirkt Thilo Sarrazin wie ein Grundschulkind, das nicht
       rechnen kann, wenn es zum Beispiel um die Auswertung von Polizeistatistiken
       geht. Sarrazins rechtsnationale Thesen können mit einem Rechenschieber
       entkräftet werden. Zemmour dagegen ist der personifizierte Abgrund der
       französischen und europäischen Politik, und am vergangenen Wochenende
       jubelten ihm Tausende in Paris in einem Tricolore-Fahnenmeer zu.
       
       ## „Ich, ein Faschist?“
       
       Vor allem, als er sich davon distanzierte, ein Rassist zu sein. Als Jude
       und ursprünglich aus Nordafrika stammend könne er gar kein rassistisches
       Gedankengut hegen, behauptete Zemmour. Der Jubel war ohrenbetäubend:
       Diversity-Party für Rechtsextreme. Auch klatschten und johlten sie, als ihr
       Held auf der Bühne zum Vorwurf des Faschismus lapidar feststellte: „Ich,
       ein Faschist? Wir werden sehen!“
       
       Eine Handvoll Aktivist*innen begab sich in die Halle, in der sich
       Zemmour bei dieser Ansprache voller Hass und Hetze und Verachtung für
       Minderheiten, insbesondere Muslim*innen, hat feiern lassen. Die
       Aktivist*innen wollten friedlich ein Zeichen gegen Rassismus setzen.
       Auf Fernsehbildern war dann zu sehen, wie Zemmour-Adepten auf sie und auf
       Journalist*innen losgingen, Stühle nach ihnen warfen, sie mit Vorsatz
       verletzten, sich dafür feierten. Eine Antirassismus-Aktivistin war später
       mit blutverschmiertem Gesicht und sichtlich unter Schock stehend zu sehen.
       
       Warum ich das alles erzähle? Kommendes Jahr [3][sind in Frankreich
       Präsidentschaftswahlen]. Wieder mal sollten wir uns Sorgen machen, dass
       unsere Nachbarn ein Stück weiter Richtung politischer Dystopie rücken.
       Dafür muss Zemmour nicht mal die Wahl gewinnen.
       
       8 Dec 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mohamed Amjahid
       
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