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       # taz.de -- Arbeitskampf bei Online-Lieferdienst: Gorillas wählen Betriebsrat
       
       > Erfolg für die prekär beschäftigten Angestellten des
       > Online-Lieferdienstes: Gegen den Willen des Managements hat sich ein
       > Betriebsrat gegründet.
       
   IMG Bild: Kampferprobt: Protestaktion der Gorillas-ArbeiterInnen im Oktober in Mitte
       
       Berlin taz | Der [1][Arbeitskampf bei Gorillas] geht in die nächste Phase:
       Die Berliner Angestellten des Online-Lieferdienstes haben am Samstag einen
       Betriebsrat gewählt. Zuvor hatte das Unternehmen vergeblich versucht,
       [2][die Wahl mit juristischen Mitteln zu verhindern].
       
       Sechs Tage lang hatten die sogenannten Rider und Picker – also die
       FahrerInnen und diejenigen, die bestellte Lebensmittel in den
       Gorillas-Warenhäusern bereitstellen – in der vergangenen Woche Zeit, um
       ihre Stimme für die Betriebsratswahl abzugeben. Am Samstagnachmittag wurde
       das Ergebnis im gut gefüllten Wahllokal in Friedrichshain öffentlich
       bekannt gegeben – ein ehemaliges Warenlager des Unternehmens, in dem der
       Betriebsrat ab jetzt agieren will. Insgesamt 19 BetriebsrätInnen sollen
       künftig die Interessen der ArbeitnehmerInnen gegenüber der
       Unternehmensführung vertreten.
       
       Gewählt haben jedoch nur rund fünf Prozent der Beschäftigten in Berlin. Das
       liege unter anderem daran, dass das Unternehmen den ArbeitnehmerInnen die
       Wahl erschwert habe, sagte der Anwalt Martin Bechert, der mehrere
       Gorillas-FahrerInnen vor Gericht vertritt, der Berliner Zeitung. Mithilfe
       von Zetteln, auf denen gestanden habe, dass man sich zum Wählen mit einem
       Tag Vorlauf beim Vorgesetzten anmelden müsse, habe Gorillas spontane
       Stimmenabgaben unterbunden.
       
       Auch gerichtlich hatte der Konzern versucht, gegen die Wahl vorzugehen.
       Aufgrund von Formfehlern und „eklatanten Mängeln“ bei der Wahl des
       Wahlvorstands im Juni hätte die Betriebsratswahl abgebrochen werden müssen,
       argumentierte das Management. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das
       Landesgericht in zweiter Instanz gaben jedoch der ArbeitnehmerInnenseite
       Recht.
       
       Jetzt soll sich einiges an den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ändern.
       „Mit dem Betriebsrat können wir Einfluss auf die Entscheidungen der
       Unternehmensführung nehmen“, sagt Zeynep, eine der gewählten
       BetriebsrätInnen. „Die waren bisher nicht immer vorteilhaft für die
       ArbeiterInnen.“ Ein Kollege, Yasha, der ebenfalls in den Betriebsrat
       gewählt wurde, korrigiert: „Noch nie“ sei das der Fall gewesen. Ihre
       Nachnahmen wollen Zeynep und Yasha nicht nennen – auch wenn beide sagen,
       sich nicht um ihre nur befristeten Arbeitsverträge zu sorgen.
       
       Zeyneps und Yashas Arbeitsverträge existieren nur in digitaler Form. Sie
       wollen jetzt vor Gericht geltend machen, dass die ohne Unterschrift nichtig
       seien. Außerdem, sagen beide, beschäftige Gorillas seine ArbeiterInnen
       wegen des hohen Personalbedarfs auch nach Ablauf von Verträgen in der Regel
       momentan einfach weiter.
       
       ## Winterkleidung und intakte Fahrräder
       
       Die ersten Forderungen des Betriebsrats klingen wie
       Selbstverständlichkeiten, sind es bei Gorillas aber offenbar nicht:
       Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, der auch pünktlich aufs Konto kommt.
       [3][Keine grundlosen Entlassungen mehr, sowie funktionstüchtige
       Winterkleidung und intakte Fahrräder].
       
       Doch auch mit einem Betriebsrat wird es nicht einfach, diese Ziele
       durchzusetzen: „Es wird sich zeigen, wie viel Macht unser Betriebsrat in
       der Praxis hat“, sagt Yasha. Die gewählten Mitglieder sollen vier Jahre im
       Amt bleiben, danach werde es Neuwahlen geben.
       
       Doch so weit wollen die beiden zur Zeit nicht denken, weil selbst die nahe
       Zukunft des Betriebsrats ungewiss ist. Seit zwei Wochen testet Gorillas in
       Berlin offenbar ein Franchise-Modell, in dem die einzelnen Warenlager aus
       dem Unternehmen ausgegliedert werden sollen. Laut einem Bericht des
       Nachrichtenmagazins Der Spiegel sollen diese Warenlager zu „eigenständigen
       Unternehmenseinheiten“ werden. Alle klassischen Aufgaben einer Firma
       sollten dann durch Franchisenehmer erfüllt werden, darunter die Schicht-
       und Stellenplanung.
       
       Was das für den Betriebsrat heißt, ist unklar. Laut Zeynep und Yasha ist
       der Schritt nichts weiter als ein Versuch, eine wirksame
       Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Denkbar sei es, dann eigene
       Betriebsräte für die einzelnen Warenhäuser zu gründen. Ob das gelingen
       kann, ist angesichts einer dann stark zersplitterten Arbeitnehmerschaft
       aber fraglich. Das Unternehmen äußerte sich auf taz-Anfrage am Wochenende
       vorerst nicht zu den Franchise-Plänen.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Manuel Aguigah
       
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