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       # taz.de -- taz Panter Preis-Verleihung: „Wir brauchen Optimismus!“
       
       > Der Fahrdienst ELLI aus Mecklenburg-Vorpommern und der Nürnberg-Fürther
       > Stadtkanalverein wurden mit dem taz Panter Preis ausgezeichnet.
       
   IMG Bild: Alle Nominierten – und vorne die Gewinner: ELLI e.V. (li.) und der Stadtkanalverein (re. daneben)
       
       „Ist es jetzt schon fünf nach oder immer noch fünf vor zwölf?“, fragt die
       stellvertretende Chefredakteurin Katrin Gottschalk in ihrer Willkommensrede
       zum taz Panter Preis. Und so ist es die uns verbleibende Zeit, um die sich
       gewissermaßen der ganze Abend dreht.
       
       Dabei gibt es nur einen Sektor, der es nicht geschafft hat, seine
       Treibhausgasemissionen seit 1990 zu senken: der Verkehr. Ein Fakt, der
       schnell entmutigen könnte. Gottschalk weiß das – und sagt: „Wir brauchen
       Optimismus! Wir brauchen positive Emotionen. Und die kommen nicht unbedingt
       von einer Krisenerzählung, sondern von Geschichten von Menschen, die etwas
       machen.“
       
       Und so sitzen Vertreter:innen von sechs Initiativen, die Optimismus
       durch ihr Engagement für nachhaltige Mobilität verbreiten, am Samstagabend
       in der Kantine der taz und stellen sich der Öffentlichkeit vor –
       pandemiegeübt hybrid, also live unter 2G+-Bedingungen vor kleinem Publikum
       und via Youtube im Stream. Wie gewohnt gibt es zwei Preise: den der Jury
       und den der Leser:innen, jeweils mit 5.000 Euro dotiert.
       
       ## Nur noch zehn Jahre Zeit
       
       Durch den Abend leiten die Moderator:innen Juliane Fiegler und Gereon
       Asmuth, beide Redakteur:innen der taz. Sie freuen sich nicht nur über
       die Nominierten vor Ort, sondern auch über die Gäste. „Letztes Jahr war ich
       mehr oder weniger alleine mit ein paar Leuten von der Technik“, erzählt
       Asmuth.
       
       Christian Hochfeld, Direktor des Thinktanks Agora Verkehrswende und damit
       Experte in Sachen nachhaltige Mobilität, freut sich in seiner Keynote über
       die gelungene Auswahl der Nominierten. Auch für Hochfeld spielt die Zeit
       eine wichtige Rolle: „In den nächsten zehn Jahren müssen wir Emissionen
       halbieren, wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen“,
       mahnt er. „In der nächsten Generation, also in 25 Jahren, müssen wir sogar
       auf null Emissionen kommen.“
       
       Das könne nur gelingen, wenn wir „die Abhängigkeit vom privaten Pkw
       reduzieren“, so Hochfeld. Zudem müssten wir „weg vom Diesel und hin zu
       erneuerbaren Energien“ und unser Verkehrssystem so transformieren, dass
       sich die Lebensqualität in den Städten verbessere. „Und das gelingt nur,
       wenn wir diese Veränderung als ‚Fairkehrswende‘ gestalten.“ Also so, dass
       die Verkehrswende sozial ausgewogen umgesetzt wird. Da ist er bei den
       Panter-Preis-Nominierten richtig, die setzen Hochfelds Ideale teilweise
       schon um – oder haben zumindest eine Idee davon, wie das gelingen kann.
       
       ## Die Nominierten
       
       Nominiert ist unter anderem die Initiative [1][HalleZero], die bis 2030
       Klimaneutralität in der Stadt an der Saale erreichen möchte. Wie das
       funktionieren kann, hat sie in ihrem „Klimastadtplan“ skizziert: ein
       schmales gelbes Heft mit Vorschlägen, wie Strom, Gebäude und Wärme,
       Verkehr und Industrie klimaneutral gestaltet werden können. Im Verkehr
       könnten so 82 Prozent des CO2-Ausstoßes gespart werden. Nominiert ist aber
       auch [2][Felix Weisbrich], Amtsleiter des Straßen- und Grünflächenamts im
       Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, durch dessen Initiative zur
       Anfangszeit der Pandemie Pop-up-Radwege umgesetzt wurden.
       
       Der 17-jährige Schüler [3][Richard Stoelzel] zeichnet dagegen schon seit
       dem Kindergarten Linienpläne für fiktive und reelle Städte. „Die
       Mobilitätswende können wir nur gemeinsam schaffen“, sagt er und trägt seine
       Vorschläge zum Ausbau des ÖPNV auch an Politiker:innen weiter. Am
       offensichtlichsten ist der Zusammenhang zwischen Sozialem und nachhaltigem
       Verkehr wohl bei der Bremer Initiative [4][Pedder-Spezialräder]. Das vom
       ADFC organisierte Projekt stellt Menschen mit Beeinträchtigungen und
       Bewegungseinschränkungen Fahrräder zur Verfügung, die diese kostenfrei
       nutzen können.
       
       „Wir haben das Projekt vor drei Jahren gegründet und wurden über die
       nationale Klimaschutzinitiative finanziert“, sagt Frauke Maack von Pedder.
       „Das Geld läuft Ende Dezember aus. Aber wir wollen es weiter finanzieren.“
       Deswegen sei das Projekt momentan besonders stark auf Spenden angewiesen.
       
       ## Die Preisträger:innen
       
       Die meisten Stimmen der Leser:innen bekam aber der [5][Nürnberg-Fürther
       Stadtkanalverein]. Ziel der Initiative ist es, dort, wo gerade die A 73
       verläuft, einen Tunnel zu graben, um die Autobahn in einen Kanal
       umzuwandeln, an dessen Ufer eine Fahrrad-Schnellstraße die beiden Städte
       Nürnberg und Fürth miteinander verbindet.
       
       Theobald Fuchs und Michaela Schneider vom Stadtkanalverein sind vom Gewinn
       des Publikumspreises so überrascht, dass sie auf die Bühne treten und sich
       gemeinsam mit den Moderator:innen hinstellen, dann setzen – um dann
       doch wieder zu stehen. Fuchs fühlt sich durch den Preis bestätigt: „Wir
       wollen die Mehrheit davon überzeugen, dass es für Nürnberg besser ist, wenn
       es eine neue grüne Schneise gibt, die das Stadtklima und den Stadtverkehr
       zum Besseren wendet.“
       
       Die Laudatorin und ehemalige taz-Chefredakteurin Elke Schmitter lobt die
       Initiative aus Franken mit poetischen Worten: „Der Publikumspreis geht in
       diesem Jahr an eine Initiative, die – finde ich – sofort gute Laune macht.
       Weil sie buchstäblich das Unterste nach oben holt, weil sie die
       Vergangenheit in die Zukunft holt, weil sie das Visionäre und das
       Praktische, das Soziale und das Technische, das Irdische und das Mögliche
       unter den Hut des Kollektiven bringt.“
       
       Überrascht zeigt sich auch Neda Nouri-Fritsche, als sie für das Projekt
       [6][ELLI] den Jurypreis entgegennimmt. Gemeinsam mit anderen hat sie diesen
       Nachbarschaftsfahrdienst gegründet, bei dem Ehrenamtliche im Landkreis
       Mecklenburgische Seenplatte mit einem E-Auto Verbindungen herstellen, die
       es so vorher nicht gab – sowohl auf der Straße als auch sozial.
       
       Laudatorin Sophia Becker, Mitglied der Jury und Professorin für nachhaltige
       Mobilität und transdisziplinäre Forschungsmethoden an der TU Berlin, lobt
       die „Strahlkraft des Projekts“ und zeigt dessen Verdienste auf: Es sei ein
       soziales Verdienst, dass es Menschen zusammenbringe. Außerdem ein
       ökologisches, weil es zeige, „dass damit Elektromobilität, gerade im
       ländlichen Raum, schon heute supergut funktioniert“. Und ein Verdienst in
       Sachen ökonomischer Nachhaltigkeit: „ELLI zeigt auf, wie man Mobilität
       gemeinwohlorientiert gestalten kann“, sagt Becker.
       
       ## Spenden erwünscht
       
       Konny Gellenbeck von der taz Panter Stiftung, die einen schwarzen Panter an
       ihr Oberteil gepinnt hat, sagt zum Ende der Veranstaltung: „Es war ein
       großartiger Abend.“ Dann weist sie darauf hin, dass sich die Panter
       Stiftung über Spenden freut, um Initiativen wie ELLI und den
       Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein zu fördern, aber auch um weiterhin
       Journalist:innen aus dem Ausland zu unterstützen. Sie spricht aus, was
       wohl niemand besser weiß als die taz: „Geld ist nicht alles, aber manchmal
       ist Geld auch notwendig.“
       
       Zum Schluss spielt nochmal Courtier, der Künstler, der den Abend
       musikalisch begleitet hat: „Wenn ich die Zukunft seh, seh ich
       Gemeinschaft.“ Als er fertig ist, bittet Moderator Asmuth alle
       Teilnehmenden zum Gruppenfoto. „Ich habe gerade geguckt, ob es Neuigkeiten
       aus Glasgow gibt. Die Antwort ist Nein.“ Etwa anderthalb Stunden nach der
       Preisverleihung kommt dann die Eilmeldung „Weltklimakonferenz: Staaten
       sollen Ausstieg aus Kohleenergie einleiten“.
       
       Wenn der Abend eines gezeigt hat, dann das: Pedder, ELLI und Co warten
       nicht auf solche Beschlüsse. Sie haben sich schon auf den Weg in Richtung
       Klimaneutralität begeben.
       
       15 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Nicole Opitz
       
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