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       # taz.de -- Radfahrstreifen zwischen Autospuren: Mit Angst in der Mitte
       
       > Radfahrstreifen zwischen Autospuren können den Fahrradverkehr sicherer
       > und schneller machen, sind für viele Radler aber auch Grund zur Angst.
       
   IMG Bild: Beidseits geschützt: Radfahrstreifen zwischen Busspuren mit Längsschwellen
       
       Hamburg taz | Sie gelten als Möglichkeit, Fahrradfahrer schneller und
       sicherer über Kreuzungen gelangen zu lassen: sogenannte [1][Radfahrstreifen
       in Mittellage (RiM) zwischen den Autofahrspuren]. Doch Ende Oktober ist ein
       Radfahrer in Hamburg auf einem solchen Radfahrstreifen von einem 40-Tonner
       überrollt worden. Jetzt fordert die CDU in der Hamburger Bürgerschaft den
       Rückbau der „Fahrradweichen“.
       
       Die Verkehrslenkung sieht in diesen Fällen so aus: Ein aufgemalter
       Radfahrstreifen führt geradeaus über eine Kreuzung – zwischen einer
       Geradeausspur für Autofahrer und einer Rechtsabbiegespur. Die Idee dabei
       ist, dass geradeaus fahrende Radler von abbiegenden Lastwagen nicht mehr
       übersehen werden sollen.
       
       Nach einer Einigung mit der „Volksinitiative Radentscheid“ im vergangenen
       Jahr will der rot-grüne Hamburger Senat in Zukunft keine Kreuzungen mehr
       nach diesem Muster gestalten und die bestehenden besser kennzeichnen.
       
       Ob dieses Kreuzungsdesign sicherer oder gefährlicher ist als andere
       Lösungen, ist nicht abschließend geklärt. Die Einigung von Senat und
       Bürgerschaft mit der „Volksinitiative Radentscheid“ legt Wert auf ein
       sicheres Kreuzungsdesign. [2][Abbiegende Autos] sollten durch enge
       Kurvenradien verlangsamt, Radler durch vorgezogene Haltelinien und
       Grünvorlaufschaltungen sichtbar gemacht werden. Außerdem regt die Einigung
       an, über Kreuzungen nach niederländischem Muster nachzudenken, bei denen
       die Radler Kurven fahren müssen, um an einer Kreuzung vorbei zu kommen,
       sodass das abbiegende Auto sie frontal vor sich hat.
       
       Auch bei den Radfahrstreifen in Mittellage geht es vor allem um
       Sichtbarkeit: Ein Radfahrstreifen auf der Fahrbahn wird über eine Kreuzung
       hinweg fortgeführt. Weit vor der Kreuzung gibt es einen Bereich mit
       gestrichelten Linien, wo eine Spur für Autos wie Radfahrer nach rechts
       abzweigt.
       
       Ob so eine Weiche sinnvoll ist, sei „eine der schwierigsten Fragen
       überhaupt“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der
       Versicherer (UDV). Das müsse im konkreten Fall abgewogen werden gegen den
       Radweg am Straßenrad mit einer Kreuzungsquerung an der Fußgängerfurt. Ist
       die Sicht zugestellt mit parkenden Autos, Büschen und Verteilerkästen,
       würde Brockmann eine klar und deutlich ausgewiesene Weiche auf der Straße
       vorziehen.
       
       Dass das Thema intensiv diskutiert wird, liegt daran, dass sich [3][zwei
       Drittel aller Radverkehrsunfälle innerorts mit Personenschaden und mehreren
       Beteiligten laut dem UDV] an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten
       ereignen; etwa jeder fünfte Unfall davon beim Abbiegen nach rechts. [4][Am
       Großteil dieser Unfälle sind Lastwagen beteiligt], überwiegend als
       Verursacher.
       
       Der Hamburger Senat hält die Radfahrstreifen in Mittellage an sich für
       unproblematisch. „Aus der langjährigen Praxis lässt sich sagen, dass die
       RiM bis dato bezüglich Unfällen unauffällig waren“, teilte er der CDU mit.
       
       Zu einem differenzierten Ergebnis kommt eine Studie der TU Berlin, die 48
       RiM-Kreuzungen einer Vorher-Nachher-Analyse unterzogen hat. „Es konnte
       gezeigt werden, dass diese Führungsform im Knotenpunktbereich nicht
       generell positiv auf die Sicherheit wirkt“, heißt es im Fazit. Zwar seien
       die Unfälle mit Verletzten insgesamt zurückgegangen, dafür habe es aber
       mehr Schwerverletzte gegeben.
       
       Besser sehe es aus, wenn die Radfahrstreifen in Mittellage nicht zu schmal
       und nicht zu kurz gestaltet würden. Zudem müsse der Radverkehr eine gewisse
       Stärke haben, während es nicht zu viele abbiegende Autos geben dürfe. 45
       Prozent der Radler fühlen sich der Studie zufolge auf den RiM unsicher.
       
       Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) rät von den Radfahrstreifen in
       Mittellage auch unter Verweis auf diese Studie ab. „RiM sind ein Instrument
       aus der Toolbox der auto-zentrierten Verkehrsplanung“, heißt es in einem
       Positionspapier des Verbandes. Sie dienten vor allem dazu, Kreuzungen für
       den Autoverkehr leistungsfähig zu halten, widersprächen aber der Vision
       Zero – null Verkehrstote.
       
       Die CDU in Hamburg findet deshalb, es müsse „in jedem Einzelfall geprüft
       werden, ob ein baulicher Rückbau sinnvoll möglich ist“. Die Radwege rot
       anzumalen, wie vom Senat geplant, sei keine Lösung und werde auch die
       Akzeptanz nicht steigern.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] https://udv.de/de/strasse/kreuzung/geschuetzte-kreuzung
   DIR [4] https://www.darmstadtfaehrtrad.org/?p=4016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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