URI: 
       # taz.de -- Förderprogramm fürs Landleben: Raus aus Berlin
       
       > Brandenburg unterstützt den Umzug von Berlin aufs Land – entlang einer
       > Achse von der Hauptstadt nach Hamburg.
       
   IMG Bild: Platz für Neuzugänge: Wittenberge, hier mit Bürgermeister Oliver Hermann
       
       Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde über die [1][Prignitz] vor
       allem gewitzelt. 46 Einwohnerinnen und Einwohner pro Quadratkilometer
       zählte der Landstrich im Nordwesten Brandenburgs 2004 – und galt damit nach
       EU-Definition als „unbesiedelt“. Inzwischen ist die Bevölkerungsdichte auf
       77 Einwohner gestiegen, und es geht weiter aufwärts, freut sich Annett
       Jura, Bürgermeisterin der Kreisstadt [2][Perleberg]. „Vier von zehn
       Berlinern wollen aufs Land ziehen.“
       
       Doch es sind nicht nur die Berlinerinnen und Berliner, die der Prignitz,
       gelegen auf halbem Weg nach Hamburg, eine Frischzellenkur verpasst haben,
       es war auch die Politik in der Landeshauptstadt Potsdam. Gleich nach den
       verheerenden Zahlen von 2004 hat die brandenburgische Landesregierung ihre
       Förderpolitik vom Kopf auf die Füße gestellt. Statt die Mittel mit der
       Gießkanne zu verteilen, wurden sie ab 2005 auf fünfzehn sogenannte
       [3][Regionale Wachstumskerne] konzentriert. „Stärken stärken“ hieß der
       Claim, dem nun ein neuer folgt: „Stärken verbinden“.
       
       Künftig soll das Geld nicht mehr nur in die Wachstumskerne fließen, sondern
       entlang der Achsen, die diese Kerne miteinander verbinden. Auch die Achse
       von Berlin in die Prignitz gehört dazu. Was das für Städte wie Perleberg
       oder [4][Wittenberge an der Elbe] bedeutet, war Thema eines Zukunftsforums
       Berlin-Brandenburg, das die [5][Stiftung Zukunft Berlin] diese Woche auf
       dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel veranstaltet hat.
       
       Dass da nicht einfach nur ein hübsches neues Planerbild implementiert
       wurde, sondern dieses auch mit unkonventionellen Ideen zum Leben erweckt
       wurde, hat der „[6][Summer of Pioneers]“ in Wittenberge gezeigt. Zielgruppe
       waren junge Menschen aus Berlin. „Aber Sehnsucht aufs Land ist das eine,
       den konkreten Schritt zu machen, das andere“, erklärte Siw Foge vom
       Technologie- und Gewerbezentrum Prignitz. Also hat sie dafür gesorgt, dass
       in Wittenberge Wohnungen und Arbeitsplätze bereitgestellt wurden, in denen
       Berliner Hipster auf Probe Land spielen durften. 60 Bewerber gab es auf 27
       Plätze. „Von denen sind 15 geblieben“, freute sich Foge.
       
       In Tegel wurde diskutiert, ob dies auch ein Modell für andere Regionen ist.
       „Es ist nicht der Co-Working-Space, der die Leute in der Region hält, es
       ist die Community“, fasste Foge ihre Erfahrungen zusammen. „Die Leute
       wollen den Austausch.“ Voraussetzung dafür seien eine offene Verwaltung und
       eine gute Verkehrsanbindung. „Es ist ein Vorteil, wenn man auf einer
       Entwicklungsachse ist. Mobilität im ländlichen Raum ist wahnsinnig
       wichtig.“
       
       „Smart Country“, digitales Landleben, heißt das Zauberwort für den Chef der
       [7][Brandenburger Wirtschaftsförderung], Steffen Kammradt. „Da kommen Orte
       in den Fokus, die wie Wittenberge eine besondere Schönheit haben.“ Außerdem
       habe die Lausitz gezeigt, dass die Achsen ein Erfolgsmodell werden können.
       Auf der Entwicklungsachse Berlin-Lausitz nämlich soll im verschlafenen
       Spreewaldstädtchen Lübben ein Co-Working-Space der Wissenschaftsstadt
       Berlin-Adlershof entstehen. Nicht Homeoffice ist die Devise, sondern
       Vernetzung im ländlichen Raum und weniger Pendelkilometer.
       
       Beispiele wie diese zeigen auch, dass Berlin und Brandenburg keine
       Konkurrenten mehr sind, sondern gleichberechtigte Akteure der
       Hauptstadtregion. Interessant ist aber, dass der Impuls dazu weniger aus
       der Politik kam, sondern von einem zivilgesellschaftlichen Akteur wie der
       Stiftung Zukunft Berlin. Merke: Es ist nicht selbstverständlich, dass man
       miteinander redet, aber wenn man erst mal am Tisch sitzt, will man auch
       Ergebnisse sehen.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Prignitz/!t5024981
   DIR [2] https://www.stadt-perleberg.de/
   DIR [3] https://mwae.brandenburg.de/de/regionale-wachstumskerne/bb1.c.478814.de
   DIR [4] https://www.wittenberge.de/
   DIR [5] https://www.stiftungzukunftberlin.eu/aktuelles/einzelansicht/detail/news/zukunftsforum-berlin-brandenburg-achse-nord-west-von-tegel-ueber-den-nordwesten-brandenburgs-zur-m/
   DIR [6] https://www.wittenberge-pioneers.de/
   DIR [7] https://www.wfbb.de/aktuelles/pressemitteilungen/wirtschaftsfoerderer-aus-brandenburg-und-sachsen-anhalt-schliessen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Berlin Brandenburg
   DIR Wirtschaftsförderung
   DIR Oranienburg
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Landleben
   DIR Berlin Brandenburg
   DIR Brandenburg
   DIR Stadt-Land-Gefälle
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Stadtentwicklung im Berliner Speckgürtel: Übers Ziel hinausschießen
       
       Oranienburg wächst – und hat nun erstmals 50.000 Einwohner. Der
       Bürgermeister plant mit noch mehr Zuzug. Wächst damit die Gefahr einer
       Schlafstadt?
       
   DIR Zukunft finden für die Provinz: Nie mehr ruhiges Hinterland
       
       Loitz bekam den Zuschlag als Zukunftsstadt 2030+. Aber was ist von den
       Hoffnungen gegen den Strukturverfall im pommerschen Hinterland geblieben?
       
   DIR Probewohnen in schrumpfenden Orten: Land auf Zeit
       
       Die Großstadt im Tausch mit dem Landleben: In einem Sommer der Pioniere
       wird das in der hessischen Kleinstadt Homberg ausprobiert.
       
   DIR Projekte im ländlichen Raum: Gut leben auf dem Land
       
       Das Magazin „Land“ stellt Projekte für das gute Leben auf dem Land vor. Es
       geht dabei um die harte Arbeit und die Menschen hinter den Projekten.
       
   DIR Neue Regionalplanung in Brandenburg: Immer auf Achse sein
       
       Für die neue regionale Entwicklungsstrategie in Brandenburg gab es viel
       Kritik. Nun diskutierte die Landesregierung mit den Kommunen.
       
   DIR Wohnen in Brandenburg: Noch kein Tesla-Effekt
       
       Bei Mieten und Wohnungsleerstand geht die Schere zwischen Speckgürtel und
       Peripherie in Brandenburg weiter auseinander.
       
   DIR Zuwanderung in den Osten: Das neue Berlin
       
       Wittenberge in Brandenburg kämpfte lange gegen Abwanderung. Nun ziehen
       junge GroßstädterInnen in leerstehende Wohnungen und verändern die Stadt.