# taz.de -- Grüner Zoff um Ministerposten: Abstreifen von Vorsitzenden
> Cem Özdemir wird Minister, Toni Hofreiter muss weichen. Viele Parteilinke
> werden das nur schwer verzeihen. Die Grünen Flügel schlagen wieder.
IMG Bild: Vom Hof gejagt: Anton Hofreiter (rechts) und die Grünen-Chef Robert Habeck und Annalena Baerbock
Es gibt in der Politik wenige Floskeln, die so geradezu provokant gelogen
sind, wie die Behauptung: „Wir reden erst über die Inhalte, dann über
Personal“. Die Grünen können das besonders weihevoll sagen.
Erstaunlicherweise haben die Grünen seit der Bundestagswahl aber offenbar
wirklich nicht übers Personal geredet – jedenfalls nicht abschließend.
[1][Der außerordentliche Krach], den es am Donnerstag über die grünen
Ministersessel in der künftigen Ampel-Regierung gab, lässt nun mehrere
Deutungen zu.
Möglicherweise wollten sich die Grünen im ritterlichen Kampf um die Inhalte
des Koalitionsvertrags ja tatsächlich nicht mit persönlichen
Ressortvorlieben einiger weniger belasten. Ein klein wenig wahrscheinlicher
ist allerdings, dass der Stunt zugunsten von Cem Özdemir durchaus geplant
war. Ziemlich wahrscheinlich ist, dass zwar pausenlos über Personen
gesprochen wurde, nur eben nicht offen, nicht mit allen – und ganz sicher
nicht ehrlich mit den beiden Fraktionsvorsitzenden.
Toni Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt [2][müssen weichen], damit Cem
Özdemir ins Kabinett einrücken kann. Das heißt nicht, dass Özdemir so viel
wiegt wie zwei Grüne. Mit der Bitte um Entschuldigung für verkürzte
Zuschreibungen: Die Logik dahinter lautet, dass ein Mann vom rechten Flügel
nicht einen Mann vom linken Flügel ersetzen kann, ohne dass eine rechte
Frau durch eine linke Frau ersetzt wird. Weil also Özdemir statt Hofreiter
Landwirtschaftsminister werden soll, muss Anne Spiegel,
Vize-Ministerpräsientin in Mainz, statt Göring-Eckardt Familienministerin
werden.
## Konflikt mit Folgen
Und wenn Sie jetzt meinen: Gut, die Grünen haben es geschafft, einen
Deutschtürken in die ansonsten rein kartoffeldeutsche Regierung zu schicken
– aber wo bleibt jetzt die Ostfrau? Nun, deshalb bekommt Steffi Lemke, die
frühere Bundesgeschäftsführerin aus Sachsen-Anhalt, das Umweltministerium.
Lemke war 2013 nach der mies gelaufenen Bundestagswahl zusammen mit Jürgen
Trittin – „die Parteilinken sind an allem schuld!“ – vom grünen Hof gejagt
worden. Um nun gleich beide Fraktionsvorsitzende abzustreifen, scheint sie
aber wohl geeignet genug.
Wenn Sie all dies verwirrend finden: Das ist verständlich. Aber in diesen
Tagen werden nicht nur die Positionen, sondern auch die Gefühle und
Erwartungen definiert, mit denen die Grünen in eine neue Regierung starten.
So ein Konflikt hat Folgen. Für Göring-Eckardt wird sich zwar keine
Trauergemeinde einfinden. Doch die Art, wie Hofreiter weggeschoben wird,
dürften viele Parteilinke schwer verzeihen – schon allein, weil sie sich
jahrelang so tapfer um ihn geschart haben. Durchaus möglich, dass die
Parteiflügel, die angeblich ja immer längst ausgedient hatten, zur
Organisation von Vergeltungsaktionen wieder in Betrieb genommen werden.
Im vorläufigen Ergebnis aber wird Özdemir, ein pointenstarker Redner in
Fragen der Außen- und [3][Verkehrspolitik], ein kiffender Vegetarier und
echter Stadtmensch, jetzt Landwirtschaftsminister. Die Traditionsfraktion
der Bauernlobby wird nicht fassen können, dass nach Renate Künast,
Agrarministerin von 2001 bis 2005, nun jemand noch Schlimmeres kommt und
ihnen in die Schweinemast reinreden will. Beziehungsweise reinschwätzen
will – der Mann ist schließlich Schwabe.
Eigentlich könnte das ziemlich interessant werden.
26 Nov 2021
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## AUTOREN
DIR Ulrike Winkelmann
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