# taz.de -- Ampel zu Migration und Integration: Ein Fortschritt zur Groko
> Die Grünen werden auch von links für die Migrationspolitik der Ampel
> kritisiert. Dabei wird vor allem die Integration endlich deutlich
> verbessert.
IMG Bild: Deutschkurs für Zugewanderte. Geduldete dürfen künftig am Sprachkurs teilnehmen und arbeiten
Die Opposition lässt meist kein gutes Haar am Regierungsprogramm, das
gehört zur Demokratie wie Kompromissfähigkeit zur Koalition. So gesehen
kann man die markigen Worte zur Migrationspolitik der Ampel getrost
ignorieren – noch dazu die aus dem rechten Lager. Wer nämlich im
Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP „Grenzen für niemand“ (AfD) oder
„Legalisierung illegaler Migration“ (CDU) herauslesen mag, verdreht bewusst
Tatsachen. Die Versuche, jetzt wieder mit dem Gespenst 2015 zu kommen, sind
die erwartbaren Beißreflexe der Wahlverlierer.
Unbequemer ist die Kritik von links, die nicht die niederen Instinkte im
Wahlvolk anspricht, sondern die Moral der künftigen Entscheider. Vor allem
die Grünen bekommen auf die Ohren: Wie kann sich ausgerechnet die Partei
des guten Gewissens an einer „[1][Rückführungsoffensive]“ beteiligen und
gleichzeitig von Fortschritt sprechen? Es sagt viel über das grüne
Unbehagen aus, dass nur Liberale und Sozis das gemeinsame Ziel „irreguläre
Migration reduzieren“ als Erfolg feiern.
Wer den Grünen nun Verrat an ihren Idealen vorwirft, macht es sich aber zu
einfach. Die Ampel steht, weil alle drei Parteien arge Zugeständnisse
machen. In Migrationsfragen ist die rot-grün-gelbe Schnittfläche ohnehin
schmal: etwas mehr legale Einwanderung. Und die, die da sind, besser
integrieren. Im Vergleich zur Groko ist das, nun ja, ziemlich
fortschrittlich.
Keine Frage: Wer sich offene Grenzen wünscht und mehr Rechte für
Schutzsuchende fordert, den kann dieser Koalitionsvertrag nur enttäuschen.
Die Ampel will Frontex upgraden, die EU-Außengrenzen schützen und weiter in
angeblich „sichere Herkunftsländer“ abschieben. Dennoch täte man der neuen
Bundesregierung Unrecht, wenn man sie als migrationspolitische Fortsetzung
der Groko bezeichnete.
## Mehr Hilfe für die „Geduldeten“
[2][Frontex aufrüsten]? Ja, aber die Grenzschützer sollen künftig auch
Schiffbrüchige retten und parlamentarischer Kontrolle unterstehen.
Fluchtmigration senken? Ja, aber die Ampel will mehr Menschen über
humanitäre Programme aufnehmen, mehr Familien zusammenführen und eine
EU-Koalition der Aufnahmewilligen anführen. Abschieben? Ja, aber die neue
Bundesregierung will künftig im Alleingang Abschiebestopps in Krisengebiete
verhängen. Bisher schieben sich Bund und Länder die Verantwortung
gegenseitig zu – und weiter ab.
Vor allem hilft die Ampel den „Geduldeten“ im Land, die bislang
systematisch entrechtet sind. Sie alle dürfen künftig Sprachkurse besuchen,
arbeiten gehen und im Idealfall bleiben. Für fast eine Viertelmillion
Menschen ist das eine Riesenerleichterung. Das mindert nicht das Leid an
den EU-Außengrenzen – aber das in Deutschland. Selbst dazu war die Groko
nicht bereit.
27 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Ralf Pauli
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