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       # taz.de -- Querdenker und Coronaleugner: An Verschwörungsgläubige gewöhnt
       
       > Coronaleugner verbreiten Tag für Tag ihre antisemitischen
       > Verschwörungsmythen. Doch die Empörung darüber hat abgenommen.
       
   IMG Bild: Coronaleugner bedanken sich bei Sucharit Bhakdi, der antisemitische Verschwörungstheorien in Umlauf setzt
       
       Die Coronapandemie hat viele in dieser Gesellschaft tief verunsichert:
       Menschen, die durch die Pandemie in existenzielle Notlagen gerutscht sind;
       andere, die psychisch unter der Pandemie leiden; Menschen, die viel aufs
       Spiel gesetzt und bislang wenig zurückbekommen haben. Ich habe für sie und
       ihre Ängste Verständnis.
       
       Zu Beginn der Pandemie gab es jedoch Versuche, die Masse aus [1][Hippies,
       Neonazis, Esoterikern, Reichsbürgern und radikalen Impfkritikern] zu
       verstehen, die bis heute gemeinsam gegen die Coronapolitik der Regierung
       auf die Straße gehen. „Wie passen diese Gruppen zusammen?“, wunderten sich
       viele.
       
       Angst treibe sie auf die Straße, das war auch so eine angebliche Erklärung.
       Dabei ist es viel simpler: Coronaleugner und Anhänger der
       Querdenkerbewegung fühlen sich von „denen da oben“ unterdrückt. „Die da
       oben“ verkörpern für sie Macht und Macht wird gerne mit „den Juden“
       gleichgesetzt. Coronaleugner kritisieren nicht einfach die
       Pandemiemaßnahmen der Regierung. All die Janas aus Kassel, die sich wie
       Sophie Scholl fühlen, all die Leute, die sich gelbe „Ungeimpft“-Sterne auf
       ihre Oberarme kleben, all diejenigen, die in der Coronapandemie das neue
       1933 sehen und sich von einer „Weltelite“ kontrolliert fühlen, eint ihr
       antisemitisches Gedankengut.
       
       Ideologisches Futter bekommen Anhänger unter anderem von Menschen wie
       Sucharit Bhakdi. Bhakdi, eigentlich Facharzt für Mikrobiologie und
       Infektionsepidemiologie und ehemaliger Bundestagskandidat der Partei „die
       Basis“, hat, na ja, Zweifel an der Pandemiebekämpfung und teilt diese in
       Interviews, Videos oder seinen Büchern mit. Er gibt sich gerne tief
       betroffen und spricht mit ruhiger Stimme. [2][In einem Videointerview], das
       im April dieses Jahres vom in der Coronaleugnerszene engagierten Fotografen
       Kai Stuht geführt wurde, wird Bhakdi dann doch mal etwas lauter und
       aufgeregt, da geht es nämlich um Israel.
       
       ## Gefahr, die von Worten ausgeht
       
       Die Juden hätten ihr eigenes Land in etwas verwandelt, das noch schlimmer
       war als das nationalsozialistische Deutschland, sagt Bhakdi sinngemäß.
       Aufgrund der Impfpolitik sei Israel jetzt „living hell – die lebende
       Hölle“. Das „Schlimme an den Juden“ sei, „dass sie sehr gut lernen“. „Es
       gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt
       gelernt – und umgesetzt.“ Dann spricht Bhakdi noch eine Warnung aus, ernst
       blickt er in die Kamera: „Euer Land wird verwandelt in die lebende Hölle,
       wenn ihr nicht bald aufsteht.“
       
       Der Antisemitismusbeauftragte der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount
       Königsberg, hatte Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Doch die
       Staatsanwaltschaft Kiel sieht darin keine strafbare Volksverhetzung, hieß
       es diese Woche. Die Begründung: „Die Äußerungen des Beschuldigten in dem
       Video richten sich vornehmlich gegen den Staat Israel als solchen, wobei er
       sich auf die dortige Politik im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der
       Covid-19-Pandemie bezieht.“
       
       Man könnte nun bemerken, dass dieser Ausgang vorhersehbar war.
       Antisemitismus wird oft nicht als solcher wahrgenommen. Weil gar nicht so
       wenige denken: Naja, Bhakdi hat schon irgendwie recht. Und andere sagen,
       wie es auch die Begründung der Staatsanwaltschaft nahelegt: So schlimm ist
       es nicht, war doch bloß legitime Kritik an Israel. Fast zwei Jahre leben
       wir in dieser Pandemie und die Empörung darüber, dass es unzählige Menschen
       wie Bhakdi gibt, die Tag für Tag ihre antisemitischen
       Verschwörungsfantasien verbreiten, nimmt ab. Gewöhnung setzt ein. Die
       Gefahr, die auch von Worten ausgehen kann, wird ausgeblendet.
       
       Ein bisschen Hoffnung gibt es vielleicht. Nach einer [3][Beschwerde der
       Werteinitiative] hat der Oberstaatsanwalt das Verfahren gegen Sucharit
       Bhakdi am Donnerstag wieder aufgenommen.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Querdenken-Demo-in-Leipzig/!5726826
   DIR [2] /Die-Basis-Kandidat-Sucharit-Bhakdi/!5781717
   DIR [3] https://twitter.com/WerteInitiative/status/1463839880140759043
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
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