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       # taz.de -- Verfassungsgericht zu Corona-Maßnahmen: Vertrauensbonus für den Staat
       
       > Das Bundesverfassungsgericht hat Ausgangssperren und Schulschließungen
       > als rechtmäßig eingestuft. Das ist aber kein Freibrief für die Zukunft.
       
   IMG Bild: Verfassungskonform: Polizist kontrolliert Ausgangsbeschränkungen in Stuttgart im April 2021
       
       Die verschärfte Coronapolitik, die von April bis Juni bundesweit galt,
       verletzte keine Grundrechte. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht
       festgestellt und die Klagen gegen zwei besonders umstrittene Maßnahmen –
       Ausgangssperren und Schulschließungen – abgelehnt. Die [1][Bundesnotbremse]
       der Großen Koalition war demnach verhältnismäßig und damit
       verfassungskonform.
       
       Es besteht nun kein Anlass, mit Hohn und Schadenfreude auf die Kläger –
       FDP, Freie Wähler und Bürgerrechtler:innen – zu schauen. Die Länge der
       Karlsruher Beschlüsse, 85 und 124 Seiten, macht deutlich, dass es um
       komplexe Abwägungen ging. Das [2][Bundesverfassungsgericht] hat die Klagen
       offensichtlich auch nicht mit leichter Hand abgebügelt. Wer, wie die AfD,
       die Richter:innen nun als „Büttel der Regierenden“ schmäht, zeigt, dass
       er nur noch seine eigene Meinung akzeptiert.
       
       Was also bleibt von den Karlsruher Entscheidungen? Wichtig ist, dass der
       Staat bei der Pandemiebekämpfung ein Gesamtkonzept verfolgen darf, zu dem
       viele Einzelmaßnahmen beitragen. Auch Bereiche, die nicht die größten
       Infektionstreiber sind, können für das elementare Ziel in die Pflicht
       genommen werden.
       
       Für Schulschließungen gilt das allerdings nur bedingt. Hier hat das Gericht
       die Hürden deutlich höher gelegt als zum Beispiel für Ausgangssperren.
       [3][Schulschließungen] sollen nur im äußersten Fall angewandt werden.
       
       Das Gericht hat sogar ein neues „Grundrecht auf schulische Bildung“
       entwickelt. Schüler:innen können nun den Staat auch in der Pandemie zu
       einer Mindestversorgung mit Unterricht zwingen. Wenn Präsenzunterricht in
       der Schule nicht möglich ist, dann muss jedenfalls brauchbarer
       Distanzunterricht geboten werden.
       
       Aber man muss auch die Grenzen der Beschlüsse sehen. Die Karlsruher
       Richter:innen haben über eine Norm entschieden, die es nicht mehr gibt
       und über eine Situation, die sich inzwischen stark verändert hat. Im
       Frühjahr stand die Impfkampagne am Anfang, heute sind zwei Drittel der
       Bevölkerung vollständig geimpft. Auf der anderen Seite sind die
       Inzidenzwerte heute um ein Mehrfaches höher als damals. Es sind also ganz
       neue Abwägungen durch Gesetzgeber und Behörden erforderlich.
       
       Dabei hat der Staat aber einen weiten Einschätzungsspielraum, so die
       Karlsruher Klarstellung, sowohl bei der Gefährlichkeit der Lage als auch
       bei der Nützlichkeit der Maßnahmen. Die Behörden sollen handeln und nicht
       aus Furcht vor gerichtlicher Kontrolle unnötig lange zögern.
       
       Die Karlsruher Beschlüsse sind gegenüber dem Staat zu Recht großzügig und
       geradezu vertrauensvoll. Schließlich wird hier eben kein autoritäres Regime
       aufgebaut, sondern im Interesse aller gehandelt, auch der
       Corona-Skeptiker:innen.
       
       30 Nov 2021
       
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