# taz.de -- Weltaidstag in der Coronapandemie: Vom Kampf gegen HIV lernen
> Seit vierzig Jahren sammeln Pandemiebekämpfer mit dem HI-Virus wichtige
> Erfahrungen. Doch Covid hat den globalen Kampf gegen Aids abgedrängt.
IMG Bild: Die zwei Pandemien: Protest von Aidsaktivisten vor dem Sitz des Vakzinherstellers Johnson & Johnson
Berlin taz | Die Warnung von Winnie Byanyima anlässlich des Welt-Aids-Tages
am 1. Dezember ist klar. „Die Fortschritte gegen Aids sind jetzt bedroht,
da die Covid-19-Krise wütet“, mahnt die ugandische Direktorin der
UN-Aidsbekämpfungsorganisation UNAIDS in einem Grußwort: Covid-19
„behindert HIV-Prävention, Behandlung, Schulbildung, Gewaltprävention und
vieles mehr.“
Der Kampf gegen Aids müsse nicht nur verstärkt werden – er sei auch
[1][Vorreiter für die Covid-19-Bekämpfung]: „Ohne den Kampf gegen
Ungleichheit, den wir zur Beendigung von Aids brauchen, wird die Welt auch
Mühen haben, die Covid-19-Pandemie zu beenden.“
HIV/Aids war [2][bei seiner Entdeckung 1981 genauso ein Schrecken wie
Covid-19] heute – wenn nicht noch mehr, denn damals führte es zum sicheren
Tod. Vierzig Jahre später sind daran 35 Millionen Menschen weltweit
gestorben. Inzwischen gibt es [3][medikamentöse Behandlung], aber viele
Betroffene haben dazu immer noch nur schwer Zugang, und einen Impfstoff
gibt es nicht.
Zum Weltaidstag 2021 wird gewarnt, dass die Coronapandemie sich teils
verheerend auf die Prävention und Behandlung von HIV/Aids ausgewirkt habe.
Laut UNAIDS infizierten sich im Jahr 2020 rund 1,5 Millionen Menschen neu
mit dem HI-Virus, in einigen Ländern sei 2020 die Zahl der Neuinfektionen
im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Insgesamt lebten 37,7 Millionen
Menschen mit HIV-Infektion, rund 680.000 starben im Zusammenhang mit
HIV/Aids.
## Hohes Risiko für HIV-Infizierte
„Lockdowns und andere Maßnahmen haben Auswirkungen auf den Zugang von
HIV-Infizierten zu wichtigen Gesundheitsdienstleistungen“, erklärt die
deutsche Entwicklungsorganisation ONE und zitiert den Globalen Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria: Die Zahl der HIV-Tests
weltweit habe von 2019 auf 2020 um 22 Prozent abgenommen, die Zahl der mit
Präventionsprogrammen erreichten Menschen um 11 Prozent.
Die [4][globale Impfungerechtigkeit] wirke sich auf HIV-Infizierte
verheerend aus: Ihr Risiko, bei einer Covid-19-Infektion schwer zu
erkranken, sei deutlich erhöht, und sie bräuchten Priorität bei Impfungen,
aber: „Die Mehrheit der Menschen mit HIV/Aids lebt in Teilen der Welt, wo
der [5][Zugang zu Corona-Impfstoffen] sehr stark begrenzt ist.“
UNAIDS betont, die Probleme seien im ersten Halbjahr der Pandemie am
größten gewesen – also in den Monaten, in denen besonders viele [6][ärmere
Staaten Afrikas komplette Lockdowns] verhängten. Die in den Vorjahren hohen
Zuwachsraten beim Zugang von HIV-Infizierten zu medikamentöser Behandlung
seien praktisch zum Stillstand gekommen.
Inzwischen, bilanziert UNAIDS, gebe es aber auch wieder Fortschritte. Die
Verallgemeinerung einfacher Hygiene- und Schutzmaßnahmen zwecks
Covid-19-Prävention sei auch ein wichtiger Schutz für Aidskranke und
HIV-Positive, der Ausbau medizinischer Infrastruktur zur Auslieferung von
Schutzkleidung und Testkits habe auch die Versorgung mit HIV-Medikamenten
wieder verbessern können und Maßnahmen zur Kontaktverfolgung seien nicht
nur gegen Covid-19 sinnvoll.
Von den Erfahrungen im Kampf gegen Aids, so UNAIDS, könnten auch
Coronabekämpfer lernen. So gelte für HIV, Ebola und Covid-19 gleichermaßen,
dass Maßnahmen am besten funktionieren, wenn diejenigen, die sie im Alltag
umsetzen sollen, sie auch mittragen. „Betroffenen Gemeinschaften Vertrauen
zu schenken, hat sich bei HIV-Programmen immer wieder als Erfolgsstrategie
erwiesen; unter den zusätzlichen Herausforderungen von Covid-19 beweisen
communitygeführte Organisationen erneut ihre unverzichtbare Rolle in der
öffentlichen Gesundheit und der Reaktion auf Pandemien.“
1 Dec 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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